Sonntag, 24. März 2019

#003.3 - Hannah - Ich bin anders

#003.3 - Hannah - Ich bin anders
(Die Welt eines hochsensiblen Kindes)

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)



Heute kommt wieder Hannah zu Wort. Sie ist 11 Jahre alt
und wohnt im Erdgeschoss. 


Ich bin anders und das ist gut so
Anna, hast du nachher Zeit?“, frage ich meine Freundin am Telefon, „dann komme ich in einer halben Stunde bei dir vorbei.“ „Ist alles in Ordnung?“ antwortet sie mir. Es rauscht in der Leitung. „Es ist alles okay, ich möchte dir nur etwas erzählen“, sage ich, „bis gleich!“
Ich sage meiner Mutter Bescheid, dass ich kurz weg bin, schnappe mir mein Fahrrad und fahre los. „Hallo Spike“, begrüße ich den Kater, der neben der Haustür liegt und entspannt beobachtet, was um ihn herum passiert.
Anna wohnt nicht weit entfernt. Sie wohnt mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester in einem Einzelhaus mit Garten. Ich bin immer sehr gern dort. „Hallo Hannah“, begrüßt mich Annas Mutter an der Haustür. „Hallo, ist Anna oben?“, frage ich. „Ja“, sagt sie und lässt mich vorbei.
Jetzt bin ich aber gespannt“, sagt Anna zur Begrüßung.
Frau Müller möchte mit meinen Eltern über meine besondere Begabung sprechen“, falle ich mit der Tür ins Haus.
Welche Begabung meint sie?“ fragt Anna, „Manchmal bist du zwar ein bisschen verträumt und abwesend, aber ansonsten ganz normal finde ich.“
Frau Müller meint, dass ich hochsensibel bin. Sie hat mir auch ein Buch zu diesem Thema gegeben.“ Anna sieht mich mit großen Augen an.
Ich nehme wohl mehr wahr als andere und bin deshalb oft so müde, weil es soviel ist“, erkläre ich ihr, „das Gute daran ist, dass ich mehr mitbekomme, auch manchmal Dinge, die eigentlich nicht sichtbar sind. Ich spüre, wie andere sich fühlen, ob sie Streit haben oder ob gerade etwas sehr Schönes passiert.“
Nachdenklich sieht mich Anna an. „Du hast Recht“, sagt sie, „mir ist das bei dir auch schon aufgefallen. Meistens weißt du, wie es mir geht. Das fand ich manchmal unheimlich. Man kann dir echt nichts vormachen.“ Da kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.“Wolltest du deshalb mitten in der Kinovorstellung bei meiner letzten Geburtstagsfeier unbedingt nach Hause, weil bei dem Film soviel los war?“ Anna sieht mich an. Diese Anekdote ist mir ein bisschen peinlich, ehrlich gesagt. Ich bin wirklich nach Hause gefahren, weil ich die Lautstärke, die schrillen Bilder und die ganzen Menschen mit Popcorn und Eis einfach nicht mehr ausgehalten habe. Anna hatte mich später gefragt, ob sie etwas falsch gemacht hat. Das habe ich natürlich verneint und gemurmelt, dass ich Bauchweh hatte. „Ich hatte kein Bauchweh an dem Nachmittag, es war mir einfach alles zu viel“, muss ich heute zugeben. „Ach so“, sagt Anna.
Meinst du, ich sollte meinen Eltern die Telefonnummer von Frau Müller geben? Sie will mit meinen Eltern darüber sprechen.“ „Na klar“, sagt Anna, „ es doch keine Krankheit, oder?“ „Nein, nach dem Buch überhaupt nicht. Es ist eine Eigenschaft, die man nicht ändern kann, so ähnlich wie die Augenfarbe“, erkläre ich ihr.
Wir sprechen noch eine Weile über dieses Thema und dann verabschiede ich mich.
Zu Hause gehe direkt zu meiner Mutter in die Küche und überreiche ihr den Zettel mit der Telefonnummer. „Was hast du angestellt?“, fragt sie mich. „Gar nichts, Frau Müller will dir einfach etwas erzählen“, antworte ich. „Aha.“ Das ist die einzige Reaktion.
Was die Erwachsenen miteinander besprochen haben, weiß ich nicht. Meine Mutter sieht mich manchmal fragend an, gibt sich aber Mühe, meine Eigenheiten nicht mehr allzu sehr zu kritisieren. Wenn ich zum Beispiel nicht mit ins Kino möchte, ist das neuerdings kein Problem mehr. Meistens werde ich jetzt in Ruhe gelassen, das tut mir gut.
In der Schule habe ich mich bei der Schreib-AG angemeldet. Die anderen sind zwar alle älter als ich, aber es ist toll, dort unter gleichgesinnten Geschichten-Liebhabern zu sein. Ich werde auch nicht komisch angesehen oder ausgelacht. Beim Schulfest habe ich sogar eine meiner Geschichten vorgelesen und dafür viel Applaus erhalten. Dabei hatte ich sogar das Gefühl, dass meine Eltern ein bisschen stolz auf mich sind. Leon lästert viel über mich, aber das ist mir egal.
Demnächst planen wir in der Schreib-AG, einen Poetry Slam zu veranstalten. Einerseits freue ich darauf, weil ich schon viele Ideen habe, was ich schreiben könnte, andererseits möchte ich auch nicht soviel von mir zeigen. Auf jeden Fall möchte ich aber etwas vortragen. Im Internet habe ich mir ein paar Poeten angesehen und war richtig begeistert davon. Wer weiß, wohin das alles führen wird.


Frau Müller unterstützt mich und fragt mich oft, was ich so mache und wie es mir geht. Neulich sagte sie mit einem Augenzwinkern, dass wir Hochsensiblen zusammenhalten müssten. Sie hat Recht, finde ich.
Ende

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