Dienstag, 5. März 2019

#002.3 - Miriam - Das Leben ist ein Fluß

#002.3 - Miriam - Das Leben ist ein Fluß

(Gedanken zum Minimalismus)

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Wir zoomen uns wieder in den 1. Stock links und beobachten die
weiteren Aktivitäten und Gedanken von Miriam.

Veränderungen fordern heraus oder das Leben ist ein Fluss



Am nächsten Morgen klatschten dicke Regentropfen an mein Fenster. Mein zweiter Blick fiel auf die Plastiksäcke mit der aussortierten Kleidung. Ein Gefühl von Stolz stieg in mir hoch. Ich hatte es gestern wirklich durchgezogen. Der innere Schweinehund Horst legte mir von hinten seine Pfote auf meine Schulter und flüsterte: „Jetzt hast Du gestern soviel geschafft. Lege doch heute eine Pause ein.“ Das war eine sehr verlockende Idee, aber mein Stolz und meine Motivation besiegten Horst und ich stand auf. Es war kein Aufspringen eher ein Schleichen, aber immerhin konnte der Tag außerhalb von Laptop (Netflix) oder Fernseher beginnen.
Während das heiße Wasser durch die Kaffeemaschine lief und sich ein köstlicher Duft in der Küche ausbreitete, plante ich den weiteren Tag. Mein Sohn würde gegen 17.00 Uhr von seinem Vater-Wochenende zurückkehren und bis dahin wollte ich einen weiteren großen Brocken erledigt haben. Auf jeden Fall wollte ich die Plastiksäcke mit der aussortierten Kleidung zu den Containern des Sozialkaufhauses bringen, damit ich in einer schwachen Minute nicht wieder beginnen würde, Teile daraus hervorzuholen.
Während ich mich für meine nächsten Aktionen mit Kaffee und Brötchen stärkte, startete ich auf meinem Smartphone ein Video meiner YouTube-App. Es zeigte eine hübsch geschminkte junge Frau, die ebenfalls ihren Kleiderschrank entrümpelte. Sie schien wenig „Horst“-Probleme zu haben und wirkte sehr aufgedreht. Meine Gedanken dazu waren, dass der Vergleich mit anderen nicht viel bringt. Die Einwände meines inneren Schweinehundes wollte ich zukünftig einfach in den Prozess integrieren. Ich war halt ich und Horst war Horst, also musste ein konstruktiver Weg gefunden werden, damit umzugehen. In einem Buch, was ich vor einigen Wochen gelesen hatte, schlug der Autor vor, sich zu einem bestimmten, späteren Zeitpunkt mit dem inneren Schweinehund zu verabreden und seine Einwände dann mit ihm auszudiskutieren. Die Idee fand ich interessant und beschloss, falls Horst anfangen sollte, mich zu sehr zu blockieren, dieses Vorgehen auszuprobieren.
Das Einräumen meiner Lieblingskleidung in die Boxen und anschließend in meinen Schrank fand ich toll. Noch gestern hatte ich meinen Schrank geputzt und nahm ich den schwachen Geruch des Lavendel-Reinigers während des Einsortierens wahr. Das fühlte sich großartig an. Nachdem ich mich ein paar Mal umentschieden hatte, wohin ich die Sachen wirklich räumen wollte, war es vollbracht: Ein aufgeräumter Kleiderschrank nur mit Lieblingsteilen! Super!
An diesem Tag schaffte ich es tatsächlich, die Plastiksäcke zum Sozialkaufhaus-Container zu bringen. Ich stellte mir bildlich vor, wie sehr sich andere über die Sachen freuen würden. Außerdem war ich so im Flow, dass ich am Ende des Tages die Schuhe und Taschen ebenfalls abhaken konnte.
Abends war mein Sohn wieder da und erzählte von seinem Wochenende und dem Kinofilm, den er mit seinem Vater geschaut hatte. Nachdem er sich nach dem Abendessen in sein Zimmer zurückgezogen hatte, rief ich meine Kollegin an, die mir das Entrümpelungsbuch geliehen hatte.
Hallo Elena“, sagte ich, „danke nochmal für das Buch. Dieses Wochenende habe ich bei meiner Kleidung begonnen. Ich bin zwar erledigt, fühle mich aber hochmotiviert, weiter zu machen. Es fühlt sich richtig gut an.“ Elena war die Kollegin, die sehr viel Ruhe ausstrahlte und die in meinem Team immer wie ein Fels in der Brandung war.
Sehr gerne, Miriam“ , antwortete sie, „ich habe das, was Du dieses Wochenende gestartet hast, vor eineinhalb Jahren begonnen und es hat mittlerweile alle meine Lebensbereiche erreicht. Ich esse gesünder und habe, wie Du ja weißt, meine Zuckersucht überwunden. Die Bürokekse habt ihr ja seit einem halben Jahr ganz für euch. Außerdem habe ich mich vor kurzem von Rainer getrennt. Er war ein echter Bremsklotz für mich und mein Leben, ständig negativ eingestellt und immer nur bei der Arbeit.“ „Das hattest du mir gar nicht erzählt“, erwiderte ich, „es tut mir irgendwie leid, das zu hören. Ich fand Rainer sehr nett und war eigentlich der Meinung, dass ihr beide gut zusammen passt.“ „Rainer ist definitiv ein netter Mann, er passt nur leider nicht mehr zu mir“, sagte Elena, „Dinge und Menschen verändern sich und die Klarheit, die ich momentan in meinem Leben habe, hat es deutlich gezeigt, dass wir als Paar nicht mehr funktionieren. Es ist zwar schade, aber so ist das Leben. Lass uns morgen in der Mittagspause zusammen essen gehen und ich erzähle dir noch mehr über die Sache.“
Okay, machen wir. Ich wünsche dir einen schönen Abend und bis morgen“, schloss ich unser Telefonat.
Nachdenklich blickte ich auf meine Teetasse. Es konnte einem schon angst und bange werden angesichts der Veränderungen, die meine Kollegin anscheinend durchlebte. Ich fragte mich, ob ich über das Sortieren von Gegenständen hinaus weitere Veränderungen in meinem Leben haben wollte. „Wahrscheinlich muss man einfach auf sich zukommen lassen, was passieren wird“, dachte ich, „das Leben fließt wie ein Fluss und nichts bleibt so, wie es war.“ Mit diesen Gedanken, die einerseits beängstigend und andererseits spannend waren, beendete ich den Tag. Vor dem Zubettgehen warf ich noch stolz einen Blick in meinen aufgeräumten Kleiderschrank und freute mich in diesem Moment auf alles, was das Leben noch für mich bereit halten würde.
Ende #002




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