#002.2 - Miriam - Bereitet mir dieses Kleidungsstück Freude?
(Gedanken zum Minimalismus)
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Dies ist das Zuhause der
Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)
meiner Geschichten. :-)
Heute schreibe ich für Euch, wie Miriam anfängt, ihre Kleidung auszumisten.
Sie wohnt im 1. Stock, links
Sie wohnt im 1. Stock, links
Bereitet mir dieses
Kleidungsstück Freude?
Am nächsten Morgen
schien die Sonne in mein Schlafzimmer, als ich erwachte. Einer meiner
Nachbarn war schon wach und lief das Treppenhaus hinunter. Das waren
aber die einzigen Geräusche an diesem friedlichen Morgen. Ich
blinzelte und freute mich über den Sonnenschein. Dann fielen mir
mein Entrümpelungsprojekt und die Menge an Boxen in meinem Flur
wieder ein. Oje, mein innerer Schweinehund Horst war im Gegensatz zu
mir schon hellwach. Er führte tausend Argumente gegen mein Projekt
auf. Das gemütliche Bett tat ein übriges.
„Guten Morgen, Horst“,
begrüßte ich halblaut meinen inneren Gefährten. „Wenn mein Sohn
hier irgendwo eine versteckte Kamera installiert hat, und meine
Aktivitäten filmt und veröffentlicht, werde ich entweder ein neuer
Star auf YouTube oder ein Fall für die Couch eines Psychologen“,
dachte ich.
Also erst einmal Kaffee
und sowieso Frühstück. Während meine Kaffeemaschine arbeitete,
ließ ich meinen Blick durch die Küche schweifen. Hier war auch viel
zu tun. Eigentlich fand ich freie Arbeitsflächen beim Kochen viel
inspirierender als das Durcheinander, was aktuell hier herumstand.
Neben der Kaffeemaschine und dem Wasserkocher waren es eine
Obstschale, noch ein Ladekabel (?), eine Suppenkelle, die nicht in
Schublade passte, eine Sammlung Aufkleber von meinem Sohn, eine Dose
Schuhcreme, drei Teepackungen und natürlich das schmutzige Geschirr
von gestern neben der Spüle. In meinem meiner Lieblingsbücher aus
meiner Kindheit „Momo“ von Michael Ende sagt eine der
Hauptfiguren Beppo Straßenkehrer sinngemäß den Satz, nicht an die
ganze schmutzige Straße auf einmal zu denken, sondern Schritt für
Schritt, Atemzug, Besenstrich vorzugehen und zwischendurch inne zu
halten. Dann sei man nach Beppos Philosophie, nachdem die ganze
Straße gekehrt sei, noch nicht einmal außer Atem. Ich hatte Beppo
schon immer für einen der größten Weisen auf diesem Planeten
gehalten und verehrte die Figur aus diesem Buch nach wie vor. Ich
nahm mir Beppos Ansicht zu Herzen und blendete die Küche aus meinem
Gehirn aus, um mich – wie geplant – als erstes um meine Kleidung
zu kümmern.
Nach dem Frühstück zog
mir meine Jogginghose und ein weites T-Shirt an. Meine Lieblingskekse
und eine Kanne Kräutertee kamen auch mit ins Schlafzimmer. Horst
protestierte noch einmal schwach und dann legte ich los. Die ganze
Kleidung räumte ich aus dem Schrank und suchte in der ganzen Wohnung
meine weitere Kleidung zusammen und stapelte anschließend alles auf
meinem Bett. Es war am Ende ein gigantischer Berg. „Warum habe ich
oft das Gefühl, ich habe nichts anzuziehen?“, fragte ich mich
angesichts dieser Massen. Mein Mut sank. Der Tipp aus dem Buch
lautete, zuerst die Sachen herauszusuchen, die man unbedingt behalten
wollte, sozusagen die Lieblingskleidung. Es gab die Theorie, das
hatte ich an einer anderen Stelle gelesen, dass man im Schnitt nur 20
Prozent seiner Kleidung trägt und wirklich mag. Die restlichen 80
Prozent seien Ballast. Nachdem ich meine Lieblingsstücke aus dem
Haufen gezogen hatte und separat gestapelt hatte, konnte ich das im
wesentlichen bestätigen.
Also, weiter: Jedes Teil
in die Hand nehmen und sich fragen, ob es mir Freude bereitet. Die
Freude blieb meistens aus, also weg damit auf den
„Aussortiert-Stapel“. Was hatte ich mir bloß beim Kauf dieses
hässlichen gelben gestreiften Pullis gedacht, der außerdem bei der
Anprobe wie ein nasser Sack an mir herunter hing? Freude fühlte sich
anders an, dem entsprechend weg damit!
Am frühen Nachmittag
legte ich eine Pause ein. Mit dem Fragespiel „Bereitet mir dieses
Teil Freude“ war ich fast durch. Mich plagte langsam die
Überlegung, wohin ich meine aussortierten Schätze bringen sollte.
Natürlich gab dazu auch jede Menge Tipps im Internet. Da ich die
Ansicht der Autorin, alle ausgemusterten Dinge einfach wegzuwerfen,
nicht teilte, brauchte ich einen anderen Plan. Ich beschloss den
gängigen Tipps aus dem Internet zu folgen und die Kleidung in die
Kategorien „Müll“ (weil kaputt, total ausgewaschen und
fusselig), Spende an das Sozialkaufhaus und Verkauf zu sortieren. Zum
Verkauf eigneten sich bei mir nicht so viele Sachen, weil ich wenig
Markenkleidung hatte.
Erstaunlicherweise hatte
sich Horst während der letzten Stunden sehr ruhig verhalten.
Anscheinend konnte ich ihn mit Aktion ganz gut austricksen. Ich
überlegte noch am späten Nachmittag, ob ich mich heute Abend
vielleicht doch mit meiner Freundin Mara verabreden sollte, um diesem
Sortier-Chaos ein wenig zu entgehen, aber eigentlich war ich total
erledigt, weil es auch auf der emotionalen Ebene anstrengend war.
Beispielsweise tauchten ein paar Sachen auf, die ich bei
irgendwelchen missglückten Verabredungen mit Männern getragen
hatte. Da die Abende und Männer aus meiner Sicht sehr mittelmäßig
waren, haftete der Kleidung die Patina des verpatzten Rendezvous an.
Mag Frau eine Bluse mit dieser Vergangenheit noch einmal tragen? Löst
die Bluse Freude aus? Nein, leider nicht.
Zwischendurch erhielt ich
eine Nachricht von meinem Sohn, der mit seinem Vater heute ins Kino
gehen wollte. Ich freute mich für ihn, dass er Spaß hatte.
Es hatte tatsächlich den
ganzen Tag gedauert, nur die Kleidung zu sortieren. Schuhe und
Accessoires waren noch gar nicht angerührt worden. Meine finale Tat
dieses produktiven Tages war, die Kleidung aus der Kategorie „Müll“
in dem Mülleimer draußen zu entsorgen. Draußen begegnete mir
wieder Spike. Ich hockte mich zu ihm hinunter und kraulte ihn
ausgiebig. „Kannst du dir vorstellen, dass ein Mensch so viele
Sachen hat“, fragte ich ihn. Er schaute mich mit seinen klugen
Augen an. Wahrscheinlich war Spike auch ein Weiser.
Die Zwiesprache mit Spike
hatte mich motiviert, morgen am Sonntag weiter zu machen. Horst hatte
sich beleidigt auf sein Kissen zurückgezogen. Ich war sehr
erschöpft, aber glücklich.
Fortsetzung folgt
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