Sonntag, 24. Februar 2019

#002.2 - Miriam - Bereitet mir dieses Kleidungsstück Freude?

#002.2 - Miriam - Bereitet mir dieses Kleidungsstück Freude?

(Gedanken zum Minimalismus)

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute schreibe ich für Euch, wie Miriam anfängt, ihre Kleidung auszumisten.
Sie wohnt im 1. Stock, links



Bereitet mir dieses Kleidungsstück Freude?


Am nächsten Morgen schien die Sonne in mein Schlafzimmer, als ich erwachte. Einer meiner Nachbarn war schon wach und lief das Treppenhaus hinunter. Das waren aber die einzigen Geräusche an diesem friedlichen Morgen. Ich blinzelte und freute mich über den Sonnenschein. Dann fielen mir mein Entrümpelungsprojekt und die Menge an Boxen in meinem Flur wieder ein. Oje, mein innerer Schweinehund Horst war im Gegensatz zu mir schon hellwach. Er führte tausend Argumente gegen mein Projekt auf. Das gemütliche Bett tat ein übriges. 



Guten Morgen, Horst“, begrüßte ich halblaut meinen inneren Gefährten. „Wenn mein Sohn hier irgendwo eine versteckte Kamera installiert hat, und meine Aktivitäten filmt und veröffentlicht, werde ich entweder ein neuer Star auf YouTube oder ein Fall für die Couch eines Psychologen“, dachte ich.
Also erst einmal Kaffee und sowieso Frühstück. Während meine Kaffeemaschine arbeitete, ließ ich meinen Blick durch die Küche schweifen. Hier war auch viel zu tun. Eigentlich fand ich freie Arbeitsflächen beim Kochen viel inspirierender als das Durcheinander, was aktuell hier herumstand. Neben der Kaffeemaschine und dem Wasserkocher waren es eine Obstschale, noch ein Ladekabel (?), eine Suppenkelle, die nicht in Schublade passte, eine Sammlung Aufkleber von meinem Sohn, eine Dose Schuhcreme, drei Teepackungen und natürlich das schmutzige Geschirr von gestern neben der Spüle. In meinem meiner Lieblingsbücher aus meiner Kindheit „Momo“ von Michael Ende sagt eine der Hauptfiguren Beppo Straßenkehrer sinngemäß den Satz, nicht an die ganze schmutzige Straße auf einmal zu denken, sondern Schritt für Schritt, Atemzug, Besenstrich vorzugehen und zwischendurch inne zu halten. Dann sei man nach Beppos Philosophie, nachdem die ganze Straße gekehrt sei, noch nicht einmal außer Atem. Ich hatte Beppo schon immer für einen der größten Weisen auf diesem Planeten gehalten und verehrte die Figur aus diesem Buch nach wie vor. Ich nahm mir Beppos Ansicht zu Herzen und blendete die Küche aus meinem Gehirn aus, um mich – wie geplant – als erstes um meine Kleidung zu kümmern.
Nach dem Frühstück zog mir meine Jogginghose und ein weites T-Shirt an. Meine Lieblingskekse und eine Kanne Kräutertee kamen auch mit ins Schlafzimmer. Horst protestierte noch einmal schwach und dann legte ich los. Die ganze Kleidung räumte ich aus dem Schrank und suchte in der ganzen Wohnung meine weitere Kleidung zusammen und stapelte anschließend alles auf meinem Bett. Es war am Ende ein gigantischer Berg. „Warum habe ich oft das Gefühl, ich habe nichts anzuziehen?“, fragte ich mich angesichts dieser Massen. Mein Mut sank. Der Tipp aus dem Buch lautete, zuerst die Sachen herauszusuchen, die man unbedingt behalten wollte, sozusagen die Lieblingskleidung. Es gab die Theorie, das hatte ich an einer anderen Stelle gelesen, dass man im Schnitt nur 20 Prozent seiner Kleidung trägt und wirklich mag. Die restlichen 80 Prozent seien Ballast. Nachdem ich meine Lieblingsstücke aus dem Haufen gezogen hatte und separat gestapelt hatte, konnte ich das im wesentlichen bestätigen.
Also, weiter: Jedes Teil in die Hand nehmen und sich fragen, ob es mir Freude bereitet. Die Freude blieb meistens aus, also weg damit auf den „Aussortiert-Stapel“. Was hatte ich mir bloß beim Kauf dieses hässlichen gelben gestreiften Pullis gedacht, der außerdem bei der Anprobe wie ein nasser Sack an mir herunter hing? Freude fühlte sich anders an, dem entsprechend weg damit!
Am frühen Nachmittag legte ich eine Pause ein. Mit dem Fragespiel „Bereitet mir dieses Teil Freude“ war ich fast durch. Mich plagte langsam die Überlegung, wohin ich meine aussortierten Schätze bringen sollte. Natürlich gab dazu auch jede Menge Tipps im Internet. Da ich die Ansicht der Autorin, alle ausgemusterten Dinge einfach wegzuwerfen, nicht teilte, brauchte ich einen anderen Plan. Ich beschloss den gängigen Tipps aus dem Internet zu folgen und die Kleidung in die Kategorien „Müll“ (weil kaputt, total ausgewaschen und fusselig), Spende an das Sozialkaufhaus und Verkauf zu sortieren. Zum Verkauf eigneten sich bei mir nicht so viele Sachen, weil ich wenig Markenkleidung hatte.
Erstaunlicherweise hatte sich Horst während der letzten Stunden sehr ruhig verhalten. Anscheinend konnte ich ihn mit Aktion ganz gut austricksen. Ich überlegte noch am späten Nachmittag, ob ich mich heute Abend vielleicht doch mit meiner Freundin Mara verabreden sollte, um diesem Sortier-Chaos ein wenig zu entgehen, aber eigentlich war ich total erledigt, weil es auch auf der emotionalen Ebene anstrengend war. Beispielsweise tauchten ein paar Sachen auf, die ich bei irgendwelchen missglückten Verabredungen mit Männern getragen hatte. Da die Abende und Männer aus meiner Sicht sehr mittelmäßig waren, haftete der Kleidung die Patina des verpatzten Rendezvous an. Mag Frau eine Bluse mit dieser Vergangenheit noch einmal tragen? Löst die Bluse Freude aus? Nein, leider nicht.
Zwischendurch erhielt ich eine Nachricht von meinem Sohn, der mit seinem Vater heute ins Kino gehen wollte. Ich freute mich für ihn, dass er Spaß hatte.
Es hatte tatsächlich den ganzen Tag gedauert, nur die Kleidung zu sortieren. Schuhe und Accessoires waren noch gar nicht angerührt worden. Meine finale Tat dieses produktiven Tages war, die Kleidung aus der Kategorie „Müll“ in dem Mülleimer draußen zu entsorgen. Draußen begegnete mir wieder Spike. Ich hockte mich zu ihm hinunter und kraulte ihn ausgiebig. „Kannst du dir vorstellen, dass ein Mensch so viele Sachen hat“, fragte ich ihn. Er schaute mich mit seinen klugen Augen an. Wahrscheinlich war Spike auch ein Weiser.

Die Zwiesprache mit Spike hatte mich motiviert, morgen am Sonntag weiter zu machen. Horst hatte sich beleidigt auf sein Kissen zurückgezogen. Ich war sehr erschöpft, aber glücklich.
Fortsetzung folgt

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