Mittwoch, 25. Dezember 2024

#000.18 - Frohe Weihnachten

 


Zuversicht


Weihnachten, eine besondere Zeit.

Während der eine es liebt,

ist ein Weihnachtsnörgler meist nicht weit.

Einfach eine Menge los im Advent,

und die Zeit, die rennt. 

Viel Glitzer, Märkte und laute Musik, 

bunte Kugeln, Sternenglanz, Punsch

und so mancher Weihnachtswunsch.

Aber auch viel zu tun,

wenig Muße, um sich auszuruhen: 

Basteln, dekorieren,

Pakete packen,

und bloß nicht die Küche beschmieren

beim Plätzchen backen ...

 

Es gibt noch etwas darüber hinaus,

auf den ersten Blick unscheinbar,

unter Lärm und vielen berechtigten Sorgen

eher verborgen.

Die Botschaft ist klar.

Es geht um die Legende

eines Kindes, geboren in der Heiligen Nacht

in einem ärmlichen Stall,

in unsicheren Zeiten

ohne Glühwein-Buden

oder Lametta überall.

Es geht um Liebe,

während das Weltgeschehen

sich zuspitzt, eskaliert und tobt.

Damals wie heute

sich ein Ort der Hoffnung

aus diesem Stall erhob.

 

Spüren wir tief in unseren Kindheitsträumen

dieser Hoffnung nach,

auf eine bessere Welt,

fernab von Krieg und der Gier nach Geld.

Wir sollten uns trauen,

das Wesentliche von Weihnachten zu betrachten,

und Hoffnung und Zuversicht

in vielen kleinen Dingen und Begegnungen zu beachten, 

sowie Angst, Spaltung und Lügen überwinden.

Nur mit Mut, Engagement, Wahrheit und Licht

werden wir einen lebenswerten Planeten

für alle Lebewesen zum Leben erwecken

und die universelle Liebe

und echten Weihnachtszauber überall und jederzeit finden,



Liebe Leserinnen und Leser, 

frohe Weihnachten und ganz viel Weihnachtszauber wünsche ich Euch allen. 

Kommt gut in das neue Jahr und viel Gesundheit, Glück und Zufriedenheit im Jahr 2025. 

Viele weihnachtliche Grüße von der Autorin

G. Heiser


Freitag, 6. Dezember 2024

#003.6 – Hannah – Der entführte Nikolaus

 

#003.6 – Hannah – Der entführte Nikolaus

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
 meiner Geschichten. :-)



Hannah ist aufgeregt.
Sie darf eine selbst geschriebene Adventsgeschichte
in einem Kindergarten vortragen.

Der entführte Nikolaus


Hannah blickte in viele Kinderaugenpaare. Die Kinder hatten sich in einem Halbkreis auf den Boden gesetzt und schauten gespannt in ihre Richtung.

Auf einem Stuhl an der Seite hatte Frau Müller, ihre Deutschlehrerin, Platz genommen. In der Schul-AG Kreatives Schreiben hatte Hannah nach Meinung einer 5-köpfigen Jury die beste Adventsgeschichte für Kinder geschrieben und durfte diese in drei Kindergärten ihrer Stadt präsentieren. Außerdem hatte sie eine Urkunde und ein Preisgeld erhalten. Mit dem Geld wollte sie in den nächsten Tagen Weihnachtsgeschenke für ihre Familie und natürlich viele Leckerlis für den Kater Spike, ihren besten Freund, Nachbarn und Vertrauten, kaufen.

Die Leiterin des Kindergartens lehnte im Türrahmen und nickte Hannah aufmunternd zu. Kurz zuvor hatte sie den Kindern die frisch gekürte jugendliche Autorin vorgestellt und sich für Hannahs Besuch bedankt.

Hannah atmete tief ein und schloss kurz die Augen. Sie hatte es zu Hause geübt, die Geschichte vorzutragen. ‚Lies langsam und deutlich‘, ermahnte sie sich selbst. Dann begann sie:

Der entführte Nikolaus

Schneeflocken tanzten zu Boden, es war still im Wald. So still, dass man das leise Atmen der Erde wahrnehmen konnte. Auf einer Lichtung stand ein kleines Steinhaus, kaum größer als ein Schuppen. Aus dem gemauerten Schornstein stieg Rauch nach oben. Auf den kleinen Fensterbänken standen flackernde Kerzen und die Fensterscheiben schmückten selbst gebastelte Papier-Sterne. Drinnen saß ein Gnom mit verwittertem Gesicht und großen Ohren in einem noch größeren Ohrensessel und hatte ein Buch auf dem Schoß. Eine Nickelbrille zierte seine Nase. Neben ihm auf einem Tischchen dampfte eine Tasse Tee. Er war ganz in seine Lektüre vertieft. Plötzlich hämmerte eine andere kleine Gestalt an seine Tür: „Gerd, mach auf. Es ist etwas passiert!“

Gerd fuhr zusammen, er war mit seinen Gedanken ganz in der Geschichte gefangen, die er gerade las. Mühsam erhob er sich aus seinem Sessel und schlurfte mit seinen roten Filzpantoffeln zur Tür. „Simon, was ist los? Ich habe mich eben richtig erschrocken.“

Simon betrat den kleinen gemütlichen Raum. „Du musst sofort mitkommen, der Nikolaus ist entführt worden. Die Kinder im nächsten Dorf warten auf ihre Nikolaus-Überraschung und werden furchtbar enttäuscht sein, wenn sie dieses Jahr leer ausgehen.“ Er war ganz außer Atem.

„Wie kommst darauf, dass der Nikolaus entführt wurde?“ Gerd schaute seinen Freund fragend an.

„Bei meiner Nachbarin, der Kräuterhexe Karla, wurde ein Brief abgegeben. Die Entführer möchten sämtliche selbst gebackene Plätzchen aller Waldbewohner im Tausch gegen den Nikolaus haben. Wir haben nur noch zwei Stunden Zeit, alle unsere Waldnachbarn aufzusuchen und die Plätzchen einzusammeln. Die Übergabe soll an der großen Eiche am Bach stattfinden. Bei zwanzig prall gefüllten Keksdosen, die am Fuße der Eiche hinterlegt werden sollen, kommt der Nikolaus frei und kann seine Runde fortsetzen.“

Gerd dachte an seine zwei Dosen, die mit köstlichen Plätzchen gefüllt waren. Der Gedanke, diese Leckereien abzugeben, fiel ihm schwer. Er würde sich keine neuen Backzutaten vor Weihnachten mehr besorgen können, weil der Weg in die nächste Stadt zu weit war. Außerdem war sein Sparstrumpf fast leer. Andererseits war Gerd der Meinung, dass alle Kinder eine Nikolaus-Überraschung verdient hatten. Er ging zu der kleinen Kommode und zog die oberste Schublade auf. Dort bewahrte er seine Plätzchen auf. „Nimm die beiden Dosen mit, Simon. Soll ich dich begleiten, um bei den anderen Nachbarn, die Kekse einzusammeln?“

„Ja, gerne.“

Gerd zog sich seinen warmen Umhang an, band sich einen Wollschal um den Hals und ließ seine wollsockigen Füße in seine Fellstiefel gleiten.

„Komm Simon, wir müssen uns beeilen. Warum haben die Entführer eigentlich den Brief ausgerechnet bei Karla abgegeben?“

„Vielleicht, weil sie mit dem Nikolaus befreundet ist?“, überlegte Simon.

„Karla habe ich ehrlich gesagt noch nie richtig über den Weg getraut. Sie beschwert sich andauernd über dieses und jenes. Meinst du, sie hat den Nikolaus um den Finger gewickelt und mit ihm zusammen den Plan geschmiedet, an viele Plätzchen zu kommen, damit sie selbst zu Weihnachten nicht backen muss? Sie liebt Kekse und hasst es zu backen.“

„Das müssten wir beweisen. Wir können uns ja auf ihr Grundstück schleichen und im Geräteschuppen nachsehen, ob sich der Nikolaus dort versteckt.“

Gemeinsam stapften Gerd und Simon durch den Schnee und näherten sich vorsichtig dem Haus der Kräuterhexe. Kerzenlicht schimmerte durch die kleinen Holzfenster. Sie schlichen an der Hauswand vorbei und gingen zu dem Schuppen auf dem hinteren Teil des Grundstücks. Simon wäre fast in der Dunkelheit über einen Holzscheid gestolpert, der von einem Holzstapel auf den Weg gefallen war. Die Tür zum Schuppen war nur angelehnt, ein schmaler Lichtstreifen von einer Laterne fiel nach draußen. Gerd öffnete vorsichtig die Schuppentür und tatsächlich saß der Nikolaus auf einem Schemel, eingehüllt in eine warme Decke. Neben ihm stand der Geschenke-Sack.

„Hey Nikolaus, du hast heute Nacht eine wichtige Aufgabe zu erledigen. Warum versteckst du dich in Karlas Schuppen?“, fragte Simon empört.

„Ihr habt ja Recht. Eigentlich müsste ich schon im nächsten Dorf unterwegs sein und die Geschenke an die Kinder verteilen,“ er zeigte unglücklich auf den Geschenke-Sack, „Karla hat mich zu diesem Theater überredet. Sie wollte unbedingt viele Weihnachtsplätzchen haben, ohne dafür etwas zu tun. Es tut mir leid.“

Durch die Unruhe im Garten hatte Karla gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Sie verließ ihr kleines Häuschen und lief in Richtung Schuppen: „Gerd und Simon, was habt ihr in meinem Garten zu suchen?“ Als sie sah, dass die Schuppentür offen stand und ihr Spiel offensichtlich durchschaut worden war, verstummte sie.

Der Nikolaus erhob sich von dem Schemel und erklärte: „Ich muss dringend los. Es gibt viel zu tun heute Nacht.“

Karla stand wie ein begossener Pudel da und jammerte: „Das kannst du nicht machen, Nikolaus. Das hatten wir anders besprochen, du Verräter.“ Sie lief dabei rot an.

„Ich denke, Karla, jetzt musst du doch selbst Plätzchen backen. Das war ziemlich dämlich, auf Kosten der Kinder so einen gemeinen Plan zu schmieden. Pfui!“ Die Gesichtsfarbe von Gerd färbte sich ebenfalls dunkelrot.

„Jetzt beruhigt euch wieder“, Simons Stimme klang ruhig und feierlich, „zum Glück hat sich alles rechtzeitig aufgeklärt. Der Nikolaus wird seine Runde noch schaffen und Karla hat bis Weihnachten noch genug Zeit, um selbst zu backen.“

Gerd hatte sich wieder einigermaßen gefangen und freute sich, dass er seine beiden Keksdosen wieder mit nach Hause nehmen konnte.

 „Wie wäre es, Karla, wenn wir in den nächsten Tagen gemeinsam Plätzchen in deinen Ofen schieben? Ich habe gehört, dass dir schon oft etwas angebrannt ist. Wir passen auf, dass dieses Mal alles gut klappt und du hast Heiligabend eine eigene Dose mit Plätzchen.“

Karla schaute unbehaglich von einem zum anderen: „Ihr habt Recht, es war eine total dumme Idee. Kommt ihr am Wochenende zum Backen vorbei? Dann trinken wir Tee und naschen zusammen. Warum bis Heiligabend damit warten?“

.„Das machen wir. Jetzt ist mir richtig kalt und ich möchte wieder in mein warmes Häuschen. Wir sehen uns übermorgen bei dir, Karla.“ Gerd rieb sich die klammen Finger.

Dann gingen alle wieder nach Hause, bis auf den Nikolaus, der heute Nacht noch allen Kindern kleine Geschenke in die geputzten Schuhe stecken würde.

Und die Moral von der Geschicht‘:
Den Nikolaus entführen lohnt sich nicht.

 

Die Kinder hatten voller Aufmerksamkeit Hannahs Geschichte gelauscht und sie klatschten begeistert.

Ein blondes Mädchen, das ganz vorne saß, meinte: „Stellt euch vor, der Nikolaus wäre im Schuppen geblieben und die Kinder hätten keine Süßigkeiten bekommen, wie gemein.“

Ein Junge mit braunen Kulleraugen fragte Hannah: „Hast du das schon einmal erlebt, dass nichts am Nikolaustag in deinem Stiefel war?“

„Zum Glück nicht“, erwiderte Hannah und lächelte den kleinen Jungen freundlich an, „vielleicht gab es immer so mutige und schlaue Gnome, die den verschwundenen Nikolaus aufgespürt haben.“

Hannah freute sich, dass ihre Geschichte so gut angekommen war. Ihre innere Aufregung hatte sich gelegt. Für einen kurzen Moment dachte sie an die frechen Jungs ihrer Schule, für die sie bis vor kurzem immer nur ein Opfer gewesen war. Keiner von denen hatte je einen Preis gewonnen oder war durch ein besonderes Talent aufgefallen.

„Apropos Adventssüßigkeiten, heute dürft ihr ausnahmsweise naschen, nebenan könnt ihr euch etwas Leckeres holen“, verkündete die Leiterin laut.

Die Kinder standen auf und liefen begeistert zu den Süßigkeiten-Tellern.

Hannah packte den Ausdruck ihrer Geschichte in ihren Rucksack.

„Du hast wirklich Talent zum Schreiben, deine Figuren waren schön beschrieben. Es hat Spaß gemacht, dir zuzuhören.“ Dieses Lob kam von der Kindergartenleiterin.

Hannah wurde ein bisschen rot und freute sich besonders darüber, dass die Kinder so viel Freude mit ihrer kleinen  Adventsgeschichte gehabt hatten. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus. Bei der nächsten Lesung würde sie Anna, ihre beste Freundin, fragen, ob sie mitkommen wollte.

Frau Müller gratulierte ihr und etwas später fuhr sie Hannah nach Hause. Während der Heimfahrt  schaute Hannah durch das Autofenster und betrachtete die geschmückten und beleuchteten Häuser. Dieser Tag war voller echtem Weihnachtszauber gewesen. Sie spürte dem Gefühl nach und nahm sich vor, diesen Advent und Weihnachten in vollen Zügen zu genießen.

Fortsetzung folgt

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Weihnachtszauber zu spüren, wünsche ich allen auf diesem Planeten.

Passt gut auf Euch auf, seid nett zueinander, genießt Plätzchen, das Zusammensein mit Freunden und Familie, Geschenke und seid gespannt, wie es hier auf diesem Blog weitergehen wird.

Herzliche Adventsgrüße von

der Autorin



Donnerstag, 31. Oktober 2024

#003.5 Hannah - Halloween

 

#003.5 Hannah - Halloween

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
 meiner Geschichten. :-)


Erinnert Ihr Euch noch an Hannah, das feinfühlige Mädchen
und die beste Freundin von Kater Spike?
Es ist Herbst und sie hatte einen seltsamen Traum.

Halloween


Hannah saß nachdenklich auf einer kleinen Mauer am Rande des Schulhofes und dachte an ihren Traum letzte Nacht. Bunte Blätter lagen überall auf dem Boden und leuchteten um die Wette. Es war Ende Oktober und morgen war schulfrei. Einige Leute nannten den 31. Oktober Reformationstag, andere Halloween. Sie ließ ihren Gedanken freien Lauf und den Traum wie einen Film vor ihrem inneren Auge ablaufen.

Die Wecker in der Elektronikabteilung des kleinen Kaufhauses zeigten 18.15 Uhr an. Im Eingangsbereich war die Halloween-Saisonware gleich neben einem Stapel blauer Einkaufskörbe aufgebaut. Einige Kunden waren noch im Laden unterwegs, die Verkäuferinnen und Verkäufer freuten sich auf den Feierabend. Ab 18.30 Uhr würde kein Kunde mehr in den Laden hineingelassen werden und spätestens um 19.00 Uhr würde hier Ruhe einkehren.

Mit eiligen Schritten sah sich Hannah den Laden betreten. Sie war ein wenig außer Atem und griff nach einem blauen Einkaufskorb.

Ein gackerndes Lachen mit einem blechernen und schnarrenden Unterton schallte aus der Richtung einer fast lebensgroßen Hexenfigur und danach folgte der Spruch: „Du wirst in der Hölle schmoren“.

Hannah zuckte zusammen und bewegte sich schnell ins Innere des Kaufhauses. Hätte sie noch länger bei der Saisonware verweilt, wären ihr die Kürbisse aus Plastik mit den gruseligen Gesichtern, die überdimensional großen schwarzen Kunststoff-Spinnen und Totenköpfe mit bunten leuchtenden Augen aufgefallen. Aber diesen detaillierten Anblick hatte sie sich erspart und kümmerte sich eilig um den Kauf einer Geburtstagskarte für ihre Oma.

Nachdem die Filialleiterin um 19.00 Uhr die gläserne Eingangstür abgeschlossen hatte, war es auf einmal dunkel und still in dem Kaufhaus. Eine Notbeleuchtung spendete trübes Licht. Eine geisterhafte Hannah wurde Zeugin folgender Unterhaltung.

Die Hexenfigur seufzte: „Ich brauche dringend Urlaub, es ist so anstrengend, den ganzen Tag die Leute anzuquatschen und so albern zu lachen.“

Kurt Kürbis, das grell-orange Plastik-Gemüse, mit den asymmetrischen Gesichtszügen antwortete prompt aus dem Regalaufsteller: „Hör doch auf herum zu jammern. Das nervt total, seit vier Wochen immer die gleiche Leier von dir, Henny.“

„Mich nervt, dass du, seitdem wir hier aufgebaut wurden, ständig schlechte Laune verbreitest. Jeden Tag habe ich gehofft, dass dich endlich ein Kunde kauft. Allerdings bist du so hässlich, dass du ab dem ersten November in der Ramsch-Ecke mit 50 % Rabatt-Aufkleber landen wirst.“

Henny Hexe konnte kaum an sich halten, so schnell purzelten die Worte aus ihrem Plastikmund unter der Hakennase mit Warze. Gleichzeitig stieg ein Gefühl von schlechtem Gewissen in ihr auf. Eigentlich wollte sie ihre Halloween-Kollegen nicht anmotzen. Sie war eine friedliebende Hexe, ganz anders als es der Spruch, den sie allen Kunden, die sich ihr näherten, an den Kopf warf, vermuten ließ. Eigentlich wäre sie lieber eine Baby-Puppe geworden, um die sich ein Kind ausdauernd kümmern würde. Aber sie hatte das Pech, in der Nachbar-Maschine in Asien neben der Baby-Puppen Produktion entstanden zu sein.

Kurt Kürbis wurde noch ein bisschen mehr orange, seine Worte überschlugen sich: „Du stehst doch noch genauso wie ich seit Wochen hier herum. Alle Kunden ergreifen die Flucht vor dir und wir müssen uns den ganzen Tag deinen ewig gleichen Satz anhören. Dafür wirst du in der Hölle schmoren.“

„Was ist genau dein Problem, Kurt?“, seufzte Henny, „ich bin viel zu müde, um mit dir zu streiten. Tut mir leid, dass ich dich eben angeschnauzt habe. Natürlich bist du ein ganz normaler Halloween-Kürbis. Wir sehen alle ziemlich daneben aus und nichts an uns ist echt. Die Leute lieben das anscheinend, warum auch immer.“

„Hm“, kam von Kurt Kürbis aus dem Regal, „das habe ich mich in der Tat auch schon gefragt, warum Menschen ihre Wohnungen mit grimmigen Gemüse dekorieren. Und, nimm es bitte nicht persönlich, so eine riesige Hexe mit Hakennase zu kaufen, die einen direkt in die Hölle schicken will, ergibt für mich überhaupt keinen Sinn.“

„Das Kaufhaus verdient mit uns Geld“, quäkte seltsam monoton ein bleicher Totenkopf mit roten Augen von der anderen Ecke des Regalaufstellers, „nach einem anderen Sinn zu fragen, ist überflüssig.“

Henny hätte gern einen Arm gehoben und sich an ihrer Hakennase gekratzt, das war aber nicht möglich. Bewegen konnte sich keiner aus dem Halloween-Sortiment.

„Vielleicht sollten wir es so sehen. Wir sind in schlechter Qualität hergestellt worden, dampfen garantiert etwas Giftiges aus und werden deshalb schnell in Kellern oder auf Dachböden verschwinden. Oder die Kunden schmeißen uns nach ihrer Halloween-Party direkt in den Müll. Wir Schattenfiguren fristen ein Schattendasein. Das ist unsere Bestimmung.“

Die roten Augen des Totenkopfes fingen an zu leuchten:
„Wir sind Auswüchse einer eskalierten Konsumgesellschaft.“
Nach diesem Satz erloschen die Augen wieder. 

„Gestern hat mich ein Kind aus dem Regal genommen und mit großen Augen angeschaut. Die Mutter sagte zu dem Kind: ‚Stell das wieder weg, wir brauchen es nicht.‘ Wenn uns niemand mehr kauft, wird in den Fabriken vielleicht etwas anderes hergestellt“, Kurt Kürbis war auf einmal ganz aufgeregt.

„Du hast Recht, Kurt. Wenn wir Ladenhüter werden, hat der Halloween-Spuk im wahrsten Sinne des Wortes ein Ende“, Hennys Stimme klang auf einmal versöhnlich, „wir werden sehen, was kommen wird.“

„Morgen schickst du alle Kunden wieder in die Hölle“, gab Kurt Kürbis zu bedenken.

„Wir sollten uns nicht weiter aufregen. Unser Plastikgeruch ist so penetrant, dass die Menschen bestimmt von selbst darauf kommen, uns einfach stehenzulassen“, Hennys Stimme wurde immer leiser.

Die roten Augen des Totenkopfs fingen wieder an zu leuchten:
„Gute Nacht und morgen auf ein Neues.“

Dann kehrte wirklich Ruhe in dem Kaufhaus ein und die geisterhafte Hannah löste sich auf.

 

Hannahs beste Freundin Anna setzte sich zu ihr auf die Mauer: „Hey Hannah, noch zwei Stunden und dann können wir nach Hause.“

Hannah, noch ganz gefangen in ihren Gedanken und ihrem Traum, kehrte langsam wieder in die Realität zurück. Einige jüngere Kinder rannten einem Ball hinterher und schrien sich gegenseitig Kommandos zu.

„Ach Anna, ja, stimmt. Morgen ist Halloween, was ich noch nie verstanden habe. Meine Mutter kocht Kürbissuppe, die mag ich gern. Aber ansonsten werde ich mich mit einem Buch in meinem Zimmer verkrümeln.“

„Ich werde ausschlafen und vielleicht Vivi besuchen. Mal sehen“, Anna wippte ein wenig mit den Beinen.

Hannah überlegte, ob sie Anna von ihrem Traum erzählen sollte, entschied sich aber dagegen. Außerdem war die Pause fast zu Ende. Sie würde diese nächtliche Szene dem Kater Spike, ihrem pelzigen Lieblingsnachbarn, demnächst verraten, wenn sie beide wieder einträchtig auf der obersten Kellertreppenstufe sitzen würden. Das waren immer besondere Momente und Hannah hatte dabei stets das Gefühl, dass Spike jedes ihrer Worte verstehen würde.

Fortsetzung folgt


Liebe Leserinnen und Leser,

einen schönen Feiertag wünsche ich Euch. Egal, ob Ihr Spaß an Halloween habt oder nicht, lasst es Euch gutgehen und genießt diesen wunderschönen Herbst.

Viele Grüße von der Autorin



  

Sonntag, 1. September 2024

#000.17 – Spätsommer Schmetterling

 

#000.17 – Spätsommer Schmetterling


Das Licht wird goldener,

die Tage spürbar kürzer

und in verträumter grüner Silhouette

hell Sommerblumen in der Mittagssonne leuchten,

fernab von allem nächtlichen Kalten und Feuchten.

 

Schmetterlinge,

fragile kleine Wesen,

tanzen und schweben,

neben

fast unsichtbaren Spinnenweben,

in denen sich abends

Tautropfen verfangen.

Viele Falter bleiben nicht daran kleben,

trotz Gefahr:

Sie leben

ihre Freude

und Buntheit

und folgen unbeirrbar ihrer Bestimmung,

uns an die Vergänglichkeit des Augenblicks zu erinnern.

 

Der Sommer gibt noch einmal alles,

lässt tagsüber die Temperaturen steigen,

die gelben Köpfe der Sonnenblumen sich langsam neigen,

während andere Blumen ihre schönsten Farben zeigen.

Der Spätsommer Schmetterling

flattert, steigt und fällt, tanzt

als gäbe es kein Morgen,

keine Schmetterlingssorgen,

keine Zukunftsschwere,

oder demnächst Dunkelheit,

Kälte und Dauerregen.

Von wegen,

es zählt nur dieser Moment

in dieser zeitlosen Szene

der Leichtigkeit

und Freude.

 

Abends hingegen

bei sinkenden Temperaturen

erdige Gerüche mit Ahnungen von Herbst dem Boden entsteigen.

Sichtbar auf Kalendern und Uhren

will sich die folgende Jahreszeit bald in voller Pracht zeigen,

Viele Menschen bleiben

aber im Dunkeln draußen hocken,

in Strickpullis und in Socken,

am Mund ein Glas spritzigen Wein,

den Blick auf Feuertonne oder Kerze,

so wandern sommerliche Scherze

durch die Spätsommer Nacht.

Über all dem ein glitzernder Sternenhimmel wacht.

 

Morgen um die Blumen

werden wieder Schmetterlinge

zur Feier des Tages im Sonnenschein

tanzen und schweben.

Nehmen wir es an,

dieses pralle, wechselvolle Leben

und die Augenblicke in allen Facetten,

frei von inneren ängstlichen Ketten.



 Liebe Leserinnen und Leser,

heute ist denkwürdiger Tag. Vor 85 Jahren überfiel Nazi-Deutschland Polen und riss die ganze Welt ins Elend. Heute am 1. September wurde in zwei Bundesländern bei Landtagswahlen unter anderem eine Partei mit rechtsextremistischen Tendenzen mit einer großen Zustimmung seitens der Wählerschaft bedacht. Ich frage mich oft, was in den Menschen vorgeht, die sich für extreme, spaltende Parolen begeistern. Als Autorin möchte ich einen Beitrag leisten, das bunte, vielfältige Leben zu feiern, und den Moment zu genießen. Meine Überzeugung ist, dass Lebensfreude und Zusammenhalt Bollwerke gegen das dumpfe Weltbild dieser traurigen Gruppe der Gesellschaft sein können. Vielleicht finden einige Verirrte den Weg zurück zu respektvoller Diskussion für die Lösung der aktuellen Herausforderungen in der Welt? Weicht Diskussionen nicht aus, bleibt bei Euch, fragt diese Leute, welche genauen Quellen sie für ihre oft pauschalen Aussagen nennen, hakt nach. Im Endeffekt wollen wir doch alle ein glückliches sicheres Leben führen, im Spätsommer abends auf der Terrasse oder Balkon mit anderen einen guten Wein genießen und in die Sterne schauen, oder?

In diesem Sinne wünsche ich Euch eine gute Zeit und konstruktive Begegnungen mit Euren Mitmenschen.

 Eure Autorin G. Heiser



Dienstag, 13. August 2024

#000.16 Himmlisch

 

#000.16 Himmlisch


Es herrscht Ruhe im Kopf.

Himmlisch.

 

Golden die Sonne scheint,

auf eine besondere Art,

so als sei nur ich gemeint.

Im Spiegel hätte ich mich heute Morgen

fast nicht erkannt,

so entspannt.

Zugelächelt habe ich mir selbst

und mich gefreut.

Der Urlaub hat begonnen,

durchatmen,

Raum und Zeit

habe ich gewonnen,

keine Tretmühle oder Termine

und erst recht keine gestresste Miene.

Himmlisch

 

Der Geruch von Kaffee

und Unendlichkeit.

Der Wecker hat Pause.

Auf dem kleinen Tisch

neben dem Bett

über einander gestapelt

drei Bücher liegen,

heute wird die Phantasie den Alltag besiegen,

Muße und Eintauchen in Geschichten.

Hektik?

Mitnichten!

 

Himmlisch

diese Ruhe.

Es ist schon so,

dass ich gern etwas tue,

aber manchmal möchte ich nur träumen

und dieses tiefe Gefühl

von innerem Frieden nicht versäumen,

ihm nachspüren

es in den Tag mitnehmen,

Kontrolle abgeben.

 

Das Telefon ist aus,

gleich geht es raus,

mit dem Rad an die Elbe

und dann sind die Füße

im weichen Sand.

Die Wellen rollen gemächlich

an den Strand,

dazu ein großer Pott am Horizont.

Himmlisch

 

Etwas zu Trinken und zum Naschen

befindet sich in den Fahrradtaschen,

natürlich eine Decke, Sonnencreme,

getönte Brille

und ein Buch.

So fühlt sich Urlaub an.

Himmlisch

 

Kinder spielen im flachen Wasser,

sie lachen,

bauen Burgen und Gräben aus Sand

und haben ab und zu ein Eis

vom Kiosk in der Hand.

 

Das Buch beiseite gelegt,

alles Negative im Kopf und Herzen weggefegt,

die Augen geschlossen.

Sanfter Wind auf der Haut,

Himmlisch

Sonntag, 4. August 2024

#008.1 Auguste Elvira

 

#008.1 Auguste Elvira

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und meiner Geschichten. :-)



Regelmäßige Leser*innen dieses Blogs kennen Elvira Schulze bereits.
Eigentlich heißt sie Auguste Elvira Schulze und wohnt schon sehr lange im Erdgeschoss links. Hier werden jetzt ein paar Geheimnisse der
neugierigen älteren Dame gelüftet.

August-Hitze


Es ist noch früh am Morgen, trotzdem spüre ich in den Knochen, dass es ein heißer Tag werden wird. Die Sommer der letzten Jahre haben sich verändert. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich lebe schon sehr lange auf dieser Erde.

Mein Haar ist grau-weiß und hat über die Jahre Fülle eingebüßt. Wenn ich mich im Spiegel betrachte, erkenne ich mich selbst manchmal nicht, so viele Falten haben sich in die Haut eingegraben. Wo ist das Kind geblieben, das nach dem Krieg in den Trümmern gespielt hat? Oder die junge Frau, die einmal Träume hatte?

Solche trüben Gedanken verscheuche ich gerne, indem ich morgens mein kleines Küchenradio einschalte. Ein Sender, der viel Schlagermusik spielt, lenkt mich ab. Die stündlichen Nachrichten blende ich gerne aus. Vieles, was berichtet wird, finde ich merkwürdig bis beängstigend.

Früher habe ich gelernt, was eine gute Haushaltsführung ausmacht. Damals war ich stolz, einen Kurs für angehende Hausfrauen besuchen zu dürfen. Meine Mutter hatte mir während meiner Kindheit vieles beigebracht. Heutzutage ist dieses Wissen in großen Teilen verloren gegangen. Die jungen Frauen interessieren sich meistens gar nicht dafür und wollen alle studieren und arbeiten. Familie und Haushalt sind für sie unwichtig geworden. Die ganze Welt ist irgendwann durcheinandergeraten. Wann es  angefangen hat, kann ich gar nicht so genau sagen.

In diesem Haus passe ich darauf auf, dass alles seine Ordnung hat. Ich weiß genau, wer sich nicht an den Treppenhaus-Putzplan hält oder diese Aufgabe schlampig erledigt. Diese Nachbarn und besonders Nachbarinnen werden von mir zur Rede gestellt. Auch die Müll-Messies kann ich gar nicht leiden. Warum schmeißen Leute Kartoffelschalen und benutzte Kaffeefilter in die Papiertonne? So etwas treibt meinen Blutdruck hoch.

Es ist 8.00 Uhr und die Kaffeemaschine blubbert zu der Schlagermusik im Radio. Auf der geblümten Kunststoff-Tischdecke meines Küchentisches liegt eine bunte Zeitschrift, die ich mir gestern beim Einkaufen gegönnt habe. Leider bekomme ich nur eine kleine Rente und muss mir mein Geld gut einteilen.

Mein Egon ist schon seit vielen Jahren verstorben. Elvira und Egon, wir waren ein glückliches Paar in den 60er-Jahren. Ich habe stets darauf geachtet, dass man mich Elvira und nicht Auguste nennt. Mein erster Name sollte an meinen Großvater August erinnern. Diesen Mann habe ich nie kennengelernt. Hinter vorgehaltener Hand wurde geflüstert, er sei ein Nazi gewesen und der Krieg habe ihn irgendwo in den Weiten Russlands verschlungen. Mehr wurde mir dazu nicht berichtet. Die Familie war damals sehr schweigsam.

Im Treppenhaus rumpelt und klirrt es.

„Verdammter Mist“, schallt eine männliche Stimme dumpf durch meine Wohnungstür.

Ich gehe leise in den Flur und schaue durch den Spion. Anscheinend zieht eine neue Nachbarin oder ein neuer Nachbar in die obere leerstehende Wohnung ein. Ein Mann steht am Treppenabsatz. Ihm ist offensichtlich etwas heruntergefallen. Ein Schweißfilm glänzt auf seinem verzerrten Gesicht.

Mein Telefon klingelt und ich muss den Beobachtungsposten räumen, denn das dunkelgrüne Telefon mit dem Samtüberzug ist mit einer Schnur fest mit der Wohnzimmerwand verbunden. Wer ruft so früh morgens an? Das passiert äußerst selten.

„Schulze.“

„Mama“, dann eine Pause am anderen Ende.

Mein Herz fängt an zu rasen. Meine Tochter Vivi ist aus dem Leben von Egon und mir verschwunden, als sie 17 Jahre alt war. Damals herrschte Teenagerterror und mehr als einmal hatte sie uns an den Kopf geworfen, dass sie unsere Spießigkeit nicht aushalten würde. Sie hatte regelmäßig die Schule geschwänzt, die Nächte mit zwielichtigen Gestalten durchgefeiert und wahrscheinlich auch Drogen konsumiert. Ab und zu hatte die Polizei Vivi am Wochenende irgendwo aufgegriffen und sie nach Hause gebracht. Als sie ein kleines Mädchen war, hatte ich andere Pläne für sie geschmiedet. Das Abitur sollte sie bestehen, dann an der Universität einen guten Mann finden und mit ihm eine Familie gründen. Enkel waren in diesem Szenario fest eingeplant.

Aber es war ganz anders gekommen. Sie war irgendwann einfach abgehauen. Die Polizei spürte sie Wochen später in Berlin auf. Sie lebte mit anderen Versagern in einem Abbruchhaus und wollte nicht mehr zu uns zurück. Damals war ich sehr verzweifelt. Egon fuhr nach Berlin und organisierte einen Platz in einer Wohngruppe für Jugendliche. Als sie 18 wurde, endete der Kontakt und wir hörten gar nichts mehr von ihr. Egon brach es das Herz. Ich vermute, dass er deshalb so früh verstorben ist.

Diese Bilder aus der Vergangenheit liefen vor meinem geistigen Auge ab, als dieses kleine Wort Mama ausgesprochen worden war.

„Vivi, wo bist du?“

„Gar nicht so weit von dir entfernt. Ich würde mich gerne mit dir treffen, aber nicht bei dir zu Hause.“

Ich schlucke und frage mich, wie meine Tochter wohl aussieht.

„Gut, das können wir machen. Wo wollen wir uns treffen?“ Immer noch rast mein Herz.

„In dem Kaufhaus-Café in der Stadt, passt 10.00 Uhr bei dir? Abends fahre ich wieder weg.“

„Gut, das schaffe ich mit dem Bus. Wie geht es Dir, Kind?“

„Das besprechen wir später, bis dann.“

Es tutet im Hörer, sie hat aufgelegt.

Wieder sind Geräusche im Treppenhaus zu hören, aber es interessiert mich gar nicht mehr. Mein Kopf füllt sich mit vernebelten Bildern aus der Vergangenheit. Aus dem Radio plärrt Schlagergesang, den ich gerade nicht ertragen kann. Das Radio wird abgeschaltet und ich sitze am Küchentisch und betrachte durch eine innere Nebelwand das Blumenmuster auf der Tischdecke.

Vivi, Vivi, Vivi ... Immer wieder kreist dieser Name durch meinen Kopf.

Die Sonne brennt und am frühen Nachmittag kehre ich in meine Wohnung zurück. Auf dem Hof steht ein kleiner Lastwagen, anscheinend ist der Einzug noch in vollem Gange. Der Kater Spike liegt neben der Eingangstür und lässt von einer unbekannten Frau mittleren Alters kraulen. Diese Szene gibt mir einen Stich. Vivi und sie könnten ehemalige Klassenkameradinnen sein. Aber meine Tochter hat andere Pläne, als in der Nähe ihrer Mutter zu sein. Seitdem sie ein Teenager war, wollte sie nur weg von ihren Eltern.

„Guten Tag, ich bin ihre neue Nachbarin.“

„Elvira Schulze, ich wohne im Erdgeschoss“, Schweiß rinnt bei diesen Worten mein Gesicht herunter. Mir ist schwindelig.

„Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, man sieht sich.“ Sie steht auf und geht zu dem Fahrzeug auf dem Hof.

Erleichtert schließe ich meine Wohnungstür und hole mir in der Küche ein Glas Wasser. Wieder nehme am Küchentisch Platz. Das war schon früher der Ort, wo ich mich meistens aufgehalten habe.

Vivi will nach Amerika auswandern, das hat sie mir vorhin eröffnet. Sie erzählte mir, dass sie mit Anfang 20 ihren Schulabschluss nachgeholt und danach sogar ein Studium abgeschlossen hat. Sie wollte damals keinen Kontakt zu uns aufnehmen, zu viel war in ihrer Wahrnehmung in ihrer Kindheit schiefgelaufen. Sie wollte ihre Mutter und ihren Vater einfach hinter sich lassen, so als ob wir nie existiert hätten. Das tut mir besonders weh. Aber zumindest haben wir uns heute ausgesprochen und wir werden wahrscheinlich ab und zu telefonieren, wenn sie in Amerika lebt. Das hat sie mir fest  versprochen. Sie erzählte, dass sie die Vergangenheit mit einer Psychologin aufgearbeitet hätte. Ich musste mir auf die Zunge beißen, weil das Wort Seelenklempner sonst gefallen wäre. Ich habe noch nie verstanden, wozu solche Leute gebraucht werden. In meiner Generation gibt es das nicht, dass Menschen sich auf die Couch legen und einer fremden Person wirres Zeug erzählen. Vivi hat eine eigene Meinung dazu. Sie sagte vorhin, dass Menschen in meinem Alter, die die Nachkriegsjahre in ihrer frühen Kindheit erlebt haben, sehr viel verdrängt und aufgrund dessen ihren Kindern seelische Wunden zugefügt hätten. Welche Wunden frage ich mich? Vivi hatte doch eine sorglose Kindheit ohne Trümmerwüsten und immer mit einem gut gefüllten Kühlschrank.

Langsam komme ich an der Stelle an, als heute Morgen das Telefon klingelte. Heute ist Waschtag und ich bin durch den Ausflug in die Stadt richtig in zeitlichem Verzug.

Ich erhebe mich von meinem Stuhl, räume das gebrauchte Glas in die Spüle und hole die Wäsche aus dem Korb im Bad. Vivi und Amerika hin oder her, das Haushalt muss erledigt werden. 




Liebe Leserinnen und Leser,

diese privaten Einblicke in das Leben von Frau Schulze sind ein Teil meines aktuellen Buchprojektes. In der Geschichten-Sammlung werden einige Figuren dieses Blogs auftauchen. Ich werde Euch mit zwölf Geschichten in die Welt von Kater Spike entführen. So ist der Plan, der stetig voranschreitet. Es braucht noch etwas Zeit.

Genießt den Sommer und spannende Bücher in der Sonne oder im Schatten.

Bis bald

G. Heiser 

Fortsetzung folgt