Mittwoch, 7. Dezember 2022

000.13 - Coming soon: Das Buch "Spike und Anna"

Liebe Leserinnen und Leser, 
liebe Freundinnen und Freunde, 

hier kommt ein Auszug aus meinem Buchprojekt "Spike und Anna". In dem Kapitel stelle ich den Kater Spike vor. Regelmäßige Leser*innen des Blogs kennen ihn natürlich. Er ist das verbindende Element in meinen Beiträgen zu den unterschiedlichen Themen. Nun ist er zusätzlich eine wichtige Figur in meinem Buch, das demnächst fertig sein wird, wenn alles wie geplant läuft. 

Anna ist die Hauptfigur, die trotz Corona Pandemie eine zauberhafte und intensive Zeit erlebt. Aber ich will nicht zu viel verraten. 

Darf ich vorstellen? Das ist der weise alte Kater Spike: 


Guten Tag, mein Name ist Spike. Ich bin 16 Jahre alt und ein Kater, der seit vielen Jahren - gefühlt schon immer - in diesem Mehrfamilienhaus lebt. 

Ursprünglich zog ich mit Katrin hier ein. Katrin war immer beschäftigt und so verbrachte ich meine Tage als junger Kater, um die Gegend draußen kennenzulernen. Sämtliche Mauselöcher, menschliche Nachbarn und andere Haustiere wurden von mir genauestens unter die Lupe genommen. Katrin verließ früh morgens die Wohnung, schickte mich nach der Fütterung nach draußen und kam stets spät mit hängenden Mundwinkeln von ihrem Bürojob zurück. Meistens erwartete ich sie abends auf unserer Fußmatte, um sie zu begrüßen. 

Im Nachhinein bin ich der Meinung, dass ich Streunerblut in mir habe, weil ich es nie lange in geschlossenen Wohnungen aushalte. Ich brauche die frische Luft, stets neue Bilder und Eindrücke und gerne habe ich unterschiedliche Menschen um mich, die mich mit verschiedenen Sprachen und Klängen ansprechen und mit Leckerlis versorgen.  

Katrin verliebte sich nach unserem zweiten Sommer und zog Hals über Kopf aus der kleinen Wohnung aus, um ein neues Leben am anderen Ende der Stadt mit ihrer großen Liebe zu beginnen. Ich fühlte mich dort unwohl und wanderte durch viele Straßen zurück in mein vertrautes Revier. 

„Da bist ja wieder, mein Süßer“, begrüßte mich der Hippie-Mann aus dem ersten Stock, „ich habe dich vermisst.“ Der Hippie-Mann trägt die langen, ergrauten Haare oft zu einem Zopf zusammen gebunden, außerdem weite bequeme Hosen und pfeift meistens vor sich hin. Er kümmert sich im Haus um alles Mögliche: Verlorengegangene Kinder und Haustiere, Weihnachtsdeko in schrillen Farben im Treppenhaus Ende des Jahres und um seine Freunde in allen Lebenslagen. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe es mehrmals hautnah miterlebt, wie in seiner Wohnung laut und ausgelassen gefeiert wurde oder ein Freund oder Freundin verheult vor seiner Wohnungstür stand. Bei ihm bin ich öfter zu Gast, besonders an kalten Wintertagen wie jetzt. Seine Räume bergen eine reichhaltige Auswahl an unterschiedlichem Krimskrams, zum Beispiel Schneekugeln mit Häusern oder Kirchen darin, staubige Zimmerpflanzen, bunte Bilder, Fußball-Fanartikel und dergleichen. Ich liebe seine Kugeln aus Glas, manchmal hat er sie geschüttelt und ich sah stets fasziniert dem wilden Treiben im Glas zu. Mit seinem Haustier, einem mittelgroßen Hund, komme ich aus. Wir sind zwar nicht beste Freunde, lassen uns aber in Ruhe. 

Katrin wollte mich nicht zurück haben und so blieb ich. Ich wohne oft im Treppenhaus, an sehr kalten Wintertagen bei dem Hippie-Mann. Er stellt mir eine Katzenbox und Futter ins Treppenhaus und alle Nachbarn lassen mich hinein und hinaus. 

Eine blonde Frau kam gestern mit einem großen Umzugswagen und einigen Männern, die ihre Möbel ins Dachgeschoss schleppten, hier an. Den halben Tag war es unmöglich, mein Schläfchen in der Box im Treppenhaus zu halten, weil ständig schnaufende Menschen mit Kisten und Möbeln hin und her liefen. Es lag eine eigenartige Spannung in der Luft. Die blonde Frau erzählte dem Hippie-Mann unten an der Eingangstür, dass sie vorher in einem großen Haus gelebt habe. Jetzt freue sie sich auf einen neuen Lebensabschnitt. 

Im Sommer höre ich meinen Mitbewohnern gerne zu, wenn auf ihren Balkonen mit Freunden sitzen und über das Leben philosophieren oder von Alltäglichem berichten. Manchmal habe ich mich unter einem Busch zusammengerollt und ihrem Lachen gelauscht. Momentan sind die Menschen aber in ihren Wohnungen, weil es draußen kalt ist. 

Hier lebt auch eine Art Geheimpolizei. Eine ältere Dame, mit Locken, die aussehen wie Draht, grau und hart. Sie gibt immer vor, schlecht zu hören. Das stimmt aber nicht, ich habe sie beobachtet. Sie hört und weiß alles. Sie hat den Überblick, wer nie den Keller gefegt hat, den Müll nicht ordentlich trennt und bei der Reinigung des Treppenhauses sämtliche Ecken auslässt und nie das Geländer abwischt. Besucher werden genau von ihrer Wohnung im Erdgeschoss beobachtet und falls es ein Einbrecher wagen würde, einen Gegenstand aus einer Wohnung zu entwenden, wäre der Bösewicht schneller hinter Schloss und Riegel als er bis drei zählen kann. Aber auch die Geheimpolizei versorgt mich mit Leckerlis, deshalb ist mir egal, was sie sonst tut. Irgendwo schlummert in dem Körper mit dem Drahtgestell auf dem Kopf ein gutes Herz, zumindest für alte flauschige Kater. 

Wollt ihr mehr von meinen Mitbewohnern erfahren? Von dem Mann mit dem traurigen Blick aus dem zweiten Stock, der nie mit den Nachbarn redet und keinen  Besuch bekommt? Oder dem düsteren Mann mit dem struppigen Bart aus dem Erdgeschoss, der seine Küche nur zum Kaffee kochen benutzt. Jeden Abend steht das Auto eines anderen Pizzadienstes vor der Eingangstür. Die Türme von Pizzakartons trägt er mit einer besonderen Technik zum Papiermülleimer. Ich habe es erst einmal erlebt, dass er seinen Turm auf dem Weg neu gestapelt hat. Dann gibt es noch den Rothaarigen aus dem Dachgeschoss, der gerne laute Hip Hop-Musik hört, parallel dazu läuft oft sein Staubsauger. Wahrscheinlich übertönt er damit innere Stimmen, die ihm Unangenehmes ins Ohr flüstern. Außerdem wohnt eine Familie mit zwei Kindern im ersten Stock. Das kleine Mädchen ist meine beste Freundin. Wir sind oft draußen gemeinsam unterwegs oder sitzen einfach nebeneinander. 

Dann möchte ich noch meine Lieblingsfußmatte von der alten Dame mit der Drahtfrisur erwähnen. Die Fußmatte ist weich und ein Bild von einer Maus ist darauf zu sehen. Dort liege ich gerne. Echte Mäuse fange ich schon seit Jahren nicht mehr. Ich bin zu langsam, zu alt und die Mäuse sind zu flink für mich, aber auf der Matte träume ich von meiner großen Zeit als Mäuseschreck rund um mein Zuhause. Manchmal, wenn es kalt ist, schmerzen meine Beine. Dann schließe ich die Augen  träume ich in der Box im Treppenhaus, um mich abzulenken. Ich möchte noch  hierbleiben und meine Mitbewohner beobachten und erfreuen. Dem Hippie-Mann und den anderen Menschen im Haus, würde ich fehlen, das weiß ich. Irgendwann werde ich einfach friedlich einschlafen und woanders hinkommen. Wohin ist das große Geheimnis, was selbst alte Kater nicht kennen.


Sonntag, 30. Oktober 2022

#007.14 – Jessica – Neu sortieren

 

#007.14 – Jessica – Neu sortieren

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute schreibe ich Euch, wie es mit Jessica weitergeht.
Sie wohnt im zweiten Stock links.

Neu sortieren


In der vorherigen Nacht hatte Jessica tief und traumlos geschlafen. Sie hatte noch lange an das Treffen mit Flo gedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass es auf einer Skala zwischen „romantischem Rendezvous“ und einem Date irgendwo in der Mitte lag. Er gefiel ihr, trotzdem war die Vorstellung, dass er ein enger Vertrauter und wichtiger Teil ihres Lebens werden könnte, nicht stimmig. Das hatte mit Florian als Person gar nichts zu tun. Jessica merkte, dass sie einfach noch nicht so weit war, ihre inneren Türen zu öffnen. Mit diesem Gedanken war sie schließlich eingeschlafen.

Es war Samstag und der Wecker legte eine Pause ein. Um 9.00 Uhr blinzelte sie das erste Mal ein wenig. Die Sonne schien und jemand klapperte draußen mit etwas, das Jessica im halbwachen Zustand nicht identifizieren konnte.

Sie stand auf, schob den Vorhang ein wenig zur Seite und schaute hinaus. Ein Auto stand auf dem Hof und ein unbekannter Mann hantierte mit Getränkekisten. Dem Kater Spike war das am frühen Morgen zu hektisch, er lief in Richtung Rasen auf der anderen Seite des Hauses, um sich ein ruhigeres Plätzchen zu suchen.

Jessica war jetzt wach und ging in die Küche. Im Schrank über der Spüle stapelten sich die unterschiedlichen bunten Kaffeebecher. Der Anblick erinnerte sie daran, dass sie ihre Wohnung weiter entrümpeln wollte. Der Kleiderschrank war erledigt, aber viel mehr war nicht passiert. 'Okay, heute ist die Küche dran', dachte sie und nahm einen Becher mit Elefantenmotiv aus dem Schrank, 'das wird bestimmt eine große Aktion, aber vorher gibt es Frühstück.'

Nach der zweiten Tasse Kaffee und einer Schale Müsli, war Jessica auf Betriebstemperatur, um den Tag zu gestalten.

Florian hatte eine SMS geschrieben:

Guten Morgen, schön, dass du gestern gut nach Hause gekommen bist. Mir hat unser Treffen auch gut gefallen. Sehen wir uns nächsten Freitag beim Open Air Kino? Ein schönes Wochenende und auch viele Grüße an den Kater, der bei dir im Haus wohnt, von Flo

Jessica schob die Gedanken an Florian zur Seite und kümmerte sich noch im Schlafanzug um einiges, was letzte Woche in ihrem kleinen Haushalt liegen geblieben war. Sie hatte ein seltsames Phänomen beobachtet. Irgendwie stellte sich zu keinem Zeitpunkt eine wirkliche Ordnung ein, obwohl sie vermeintlich alles aufgeräumt hatte. Woran lag das? Was war das zum Beispiel für eine wilde Ansammlung von Dingen auf dem neuen Flurschrank? Wie ein Detektiv betrachtete Jessica den Schrank: Zwei Halstücher, der Haustürschlüssel mit Anhänger, eine Schere, Schuhlöffel, eine Brotdose ohne Inhalt, ein geblümter Schal, Desinfektionstücher für unterwegs, eine Handcreme... und das alles auf engstem Raum.

Das Telefon klingelte, das Display zeigte „Tina“ an. .

Guten Morgen Tina, was gibt es?“

Hallo, wollen wir heute Abend zusammen zum Italiener? Meine Woche war ziemlich voll und Lust zu kochen habe ich nicht. Hast du Zeit? Außerdem bin ich neugierig, wie dein Date gestern war.“

Das ist eine gute Idee. Um 19.00 Uhr beim Italiener am Bahnhof? Da ist es relativ ruhig.“

Das baut mich auf“, seufzte Tina, „ich stecke gerade zwischen Spülmaschine ausräumen und Wäsche sortieren fest.“

So ähnlich geht es mir auch. Bei dir ist es immer super aufgeräumt. Ich frage mich gerade, warum ich das nicht schaffe.“

Jedes Ding braucht seinen festen Platz“, antwortete Tina, „das ist die Nr. 1-Regel für Ordnung.“

Jedes Ding braucht seinen festen Platz“, wiederholte Jessica, „du hast Recht, Tina. Genau, das ist mein Problem.“

Wenn du zu viele Dinge hast, die nicht in deine Schränke und Regale passen, entsteht Unordnung. Du wolltest doch sowieso deine Wohnung entrümpeln. Am besten ist es, zuerst auszusortieren und dann allen Dingen einen festen Platz zu geben. Ähnliche Sachen zusammen aufzubewahren, ist auch gut, dann brauchst du zukünftig weniger Zeit zum Suchen.“

Tina, ich lade dich heute Abend ein. Du hast mir den Tag gerettet. Jetzt habe ich eine Ahnung, wie ich das Ganze anpacken kann. Heute kümmere ich mich um meine Küche.“

Dann bin ich gespannt auf Neuigkeiten von Florian und deiner Küche. Bis nachher.“

Bis nachher“, nachdenklich drückte Jessica auf den roten Hörer. Sie riss ein Blatt aus einem Collegeblock und schrieb mit einem dicken Filzstift darauf:

Jedes Ding hat seinen festen Platz.
Ähnliche Dinge wohnen gerne gemeinsam an einem Ort.

Bei dem letzten Satz stellte sich Jessica vor, dass alle Haarspangen in einer Kiste eine Art Familienleben führten. Sie lachte bei dieser Vorstellung. Die Kiste könnte „Haarspangenhausen“ heißen. Und was war mit der Ansammlung auf dem Flurschank? „Gewuseldorf“ oder „ich weiß nicht, wo ich es hinräumen soll-Stadt“.

Sie putzte sich die Zähne, zog Jeans und T-Shirt an, strich gegen ihre sonstige Gewohnheit das Bettzeug und das Kissen auf ihrem Bett glatt und ging in die Küche. Erst alles ausräumen, dann putzen, entscheiden, was bleiben durfte, aussortiertes Zeug in einen extra-Karton und die Lieblingsteile wieder einräumen.

Jessica räumte nach und nach alles aus den Schränken und erschrak angesichts der Menge an Geschirr, Besteck und Küchenhelferlein. Letztere waren teilweise sinnvoll und wurden oft benutzt, andere lagen einfach herum. Wozu brauchte eine einzelne Person vier Siebe, sieben kleine Obstmesser, eine Flut an Plastikdosen, von denen vier regelmäßig benutzt wurden, diese ganzen Kaffeebecher und Schüsseln? Jessica seufzte und schaute auf die Uhr. Inzwischen war es fast 14.00 Uhr. Der Stapel mit den aussortierten Sachen wuchs. Genau wie bei der Entrümpelung des Kleiderschrankes war es anstrengend und auch wenn es sich um praktische Küchenteile handelte, kamen bei vielen Dingen Erinnerungen hoch.

Die Nudelmaschine hatte Michael ihr geschenkt, sie wurde nur wenig benutzt und stand vergessen ganz hinten im Schrank. Michael hatte seinerzeit bei ihren Pasta-Versuchen Kommentare abgegeben wie:

Ach, ganz schön dick der Nudelteig. Du kannst die Maschine auch so einstellen, dass der Teig dünner wird.“

oder

Interessante Pasta-Kreation, da fehlt aber Salz.“

Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihm jemals eines ihrer Gerichte geschmeckt hatte. Die Lust an selbst hergestellter Pasta war daraufhin einen lautlosen Tod gestorben und die Maschine fristete ein trostloses und einsames Dasein im Küchenschrank. Eine andere Person konnte damit zukünftig Bandnudeln oder Ravioli herstellen, hoffentlich mit mehr Freude. Jessica holte einen Karton und eine Klappbox aus dem Keller und stellte alles, was nicht mehr in der Küche verbleiben sollte – inklusive Nudelmaschine, hinein.

Um 16.30 Uhr blitzten die Schränke, alle Teile waren ordentlich und in sinnvollen Gruppen einsortiert. Jessica saß erschöpft am Küchentisch und hatte einen Becher Kaffee vor sich stehen. Jetzt fiel ihr Flo wieder ein. Sie nahm das Telefon in die Hand und antwortete auf seine nette Nachricht von heute morgen.

Hallo Florian, das Open-Air-Kino finde ich interessant, da gehe ich gerne am nächsten Freitag mit dir hin. Ich wünsche dir auch ein schönes Wochenende und viele Grüße von Jessica PS Die Grüße an Spike (Kater) richte ich aus

Die Lebensgeister kehrten zurück und das Radio wurde angestellt. Der Moderator erzählte, dass das Wetter sonnig bleiben würde. Sie schaute sich in der Küche um, öffnete die Besteckschublade, dann den Schrank mit den Kaffeebechern. 'Geschafft, es hat Überwindung gekostet, aber das Ergebnis ist toll', bei diesen Gedanken lächelte sie. 'jetzt duschen und den ganzen Aufräumstaub loswerden, ein schönes Kleid aus dem Schrank holen und später beim Italiener entspannt mit Tina quatschen.'

Um 18.30 Uhr ging sie zu Fuß zum Restaurant, weil sie noch gar nicht draußen gewesen war. Ein sanfter Abendwind strich über ihr Gesicht. Das Sommerkleid aus weichem Stoff umspielte die Beine und die Absätze der Schuhe klapperten ein wenig auf dem Gehweg. Ein Auto kam ihr auf der Straße entgegen. Der Fahrer mit Sonnenbrille winkte ihr fröhlich zu, Jessica kannte den Mann nicht, hob aber auch ihre Hand und grüßte. Das Auto brauste davon und Jessica lächelte, freute sich auf den Abend mit Tina, eine leckere Pizza und ein Glas trockenen Rotwein. Das hatte sie sich nach der stundenlangen Räumerei redlich verdient.

Irgendwie war ihr Florian heute Abend innerlich näher gekommen. Ob es etwas mit dem ganzen Küchenkram zu tun hatte, der jetzt im Keller stand? Oder war sie mehr in ihrer eigenen Mitte angekommen, nachdem Ballast aus der Wohnung verschwunden war? So richtig verorten konnte Jessica dieses Gefühl nicht. Auf einmal hatte sie Lust, ihn zu umarmen und ihn vielleicht zu küssen... Eine Leichtigkeit breitete sich in ihr aus und die Freude darauf, ihn nächsten Freitag wiederzusehen.

Andrea & Ennio Morricone - Love Theme From Cinema Paradiso arr. A. Del Sal (Uros Baric - MIDNIGHT)

Fortsetzung folgt

 

Sonntag, 4. September 2022

#007.13 – Jessica - Rendezvous

 

#007.13 – Jessica - Rendezvous

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)



Heute hat Jessica ein Rendezvous – oder vielleicht doch nur ein Date?
Sie wohnt im 2. Stock links

Rendezvous



Heute war es soweit. In Jessicas Kalender an der Küchenwand, einem Werbegeschenk einer Apotheke mit Heilpflanzen-Abbildungen, stand: „16.00 Uhr Treffen mit Flo“.

Morgens beim Frühstück überlegte Jessica, dass das Wort „Treffen“ banal klang. Es war das erste Mal nach ihrer Trennung, dass sie eine romantische Verabredung mit einem Mann hatte. Sofern es wirklich romantisch verliefe, könnte dort „Rendezvous“ stehen … Aber der Ausgang war offen, denn die Uhr zeigte 7.05 Uhr an.

Etwas nervös packte Jessica ihren Joghurt und das Telefon in die Handtasche und verließ die Wohnung. Heute war Freitag und um 14.00 Uhr Feierabend.

Mara, Jessicas Arbeitskollegin, hatte eine kleine Schokolade in Form eines Kleeblatts auf ihren Schreibtisch gelegt.

Vielen Dank, Mara.“

Gerne, damit du heute eine große Portion Glück hast.“

Die Arbeit lenkte ab und ging gut von der Hand. Jessica drückte pünktlich um 14.00 Uhr auf den Button „Computer herunterfahren“. Mara winkte ihr zum Abschied zu: „Schönes Wochenende und viel Spaß nachher.“

Danke, ich wünsche dir auch ein schönes Wochenende mit Tom. Bis Montag“, und schon hatte Jessica das Büro verlassen.

Später in ihrer Wohnung betrachtete Jessica ihr Gesicht im Bad-Spiegel. War da eine winzige Falte am Auge? Und was war mit ihren Haaren los? Jessica streckte sich selbst die Zunge heraus und fing an zu lachen. Die ganze Szene war unwirklich.

"Ich gehe gleich mit einem Mann spazieren. Wir werden uns unterhalten und wahrscheinlich einen Kaffee zusammen trinken. Also, den Ball flach halten, die neue Bluse anziehen, Nase pudern und die Haare zu einem Zopf zusammenbinden, fertig“, erzählte sie laut ihrem eigenen Spiegelbild. Trotzdem ging ihr Puls schneller als sonst. 'Gut, dass ich allein in der Wohnung bin. Mitbewohner würden mich spätestens jetzt einliefern lassen', dachte sie.

Als sie die Wohnungstür hinter sich zu zog, nahm ihr Puls wieder an Fahrt auf.

Florian hatte ihr vormittags eine SMS mit dem Text:

Hallo Jessica, ich freue mich nachher auf dich. Liebe Grüße Flo

geschickt. In dem ganzen Gefühlswirrwarr hatte sie vergessen, darauf zu antworten. Sie holte das Telefon aus der Tasche und schrieb:

Lieber Flo, bis gleich. Ich freue mich auch und ...

sie überlegte kurz, ob die Formulierung klug war und tippte weiter

...bin aufgeregt. Viele Grüße von Jessica

Die Worte waren authentisch und genau das war ihr Ziel. 'Alles andere hat keinen Sinn', dachte sie und drückte auf den Pfeil, der ihre Nachricht über verschiedene Funkmasten auf Florians Telefon schickte, Augen zu und durch.

Jessica traf als erste bei dem verabredeten Treffpunkt vor dem Park-Café ein und spielte mit dem Riemen ihrer Handtasche. Sie schaute auf die Uhr: 15.49 Uhr. Warum war sie immer so überpünktlich? Jetzt tauchte Florian am Horizont auf. Er war wirklich groß, stellte sie insgeheim fest. Sie fühlte ihren schnellen Pulsschlag.

Hallo Jessica, wartest du schon lange?“ Sein Lächeln war umwerfend.

Äh, nein“, mehr fiel ihr in dem Moment nicht ein.

Ich bin übrigens auch aufgeregt. Vorhin dachte ich, endlich mal eine Frau, die nicht so cool tut.“

Waren die anderen Frauen, mit denen du dich getroffen hast, immer cool?“

Das klingt, als hätte ich jeden Tag ein Date mit einer anderen Frau. Das ist nicht so. Ab und zu habe ich mich mit jemanden getroffen. Bis jetzt war die Richtige nicht dabei. Ich mag es, wenn eine Frau echt rüberkommt “, er lächelte Jessica an. Sie entspannte sich ein wenig und lächelte zurück.

Gehen wir ein Stück?“

Schweigend liefen sie die ersten Meter durch den Park, bis Florian wieder das Wort ergriff. Jessica war ihm dankbar dafür, er hatte mehr Erfahrungen mit dieser Situation.

Wir könnten jetzt das Abfragespiel spielen.“

Welches Abfragespiel?“, Jessica überlegte fieberhaft, was er damit meinte.

Na, Studienabschluss, Auslandsaufenthalte, Job, Kinderwunsch, Hobbys, Auto und weitere Statussymbole, bei Frauen oft die angesagte Handtasche und so weiter“, er schaute auf ihre Handtasche, ein älteres Modell aus Leder, mit Gebrauchsspuren und ohne Markenlabel. Jessica hatte die Handtasche vor ein paar Jahren in einem Vintageladen gekauft.

Jessica dachte kurz nach: „Im Keller meines Wohnhauses steht abends mein Fahrrad mit Dreigang-Schaltung, kein Auto. Das Auto, mit dem ich den neuen Flurschrank neulich nach Hause transportiert habe, gehört einem guten Freund und nicht mir. Gibt es eine Alternative zu dem Abfragespiel?“

Klar, ich frage dich zum Beispiel: Wovon träumst du, wenn du gerade nicht an mich denkst?“

Jessica lachte, das Eis war gebrochen. Florian stimmte in ihr Lachen ein.

Tatsächlich traute sie sich, ihm ein paar ihrer Träume anzuvertrauen: In die Toskana reisen, eine berufliche Fortbildung zu beginnen, die ihr neue Möglichkeiten eröffnen könnte, sich für einen Malkurs anzumelden, obwohl sie sich für untalentiert hielt, einfach aus Spaß an der Freude.

Er erzählte ihr, dass er manchmal überlegte, sich selbstständig zu machen, statt bis zur Rente als Angestellter zu arbeiten. Außerdem wollte er seit frühester Jugend einen italienischen Oldtimer Roller restaurieren und damit im Sommer durch die Gegend fahren. Momentan hatte er keinen Platz dafür. „Ich wollte nie ein Motorrad sondern immer einen alten Roller“, er grinste, „findest du das unmännlich?“

Jessica lachte: „Nein, überhaupt nicht. Ich werde dein Geheimnis vor anderen Männern für mich behalten. Nimmst du mich mit, wenn du dieses Projekt beendet hast?“

Später saßen sie zusammen im Café und lachten zusammen über alles Mögliche.

Wollen wir uns wieder treffen?“, fragte Florian, als der Kaffee fast ausgetrunken war.

Ja, gerne. Ich habe diesen Nachmittag mit dir genossen.“

Florian nahm ihre Hand und sah Jessica in die Augen. Jetzt fing ihr Herz wieder schneller an zu schlagen: „Ich fand es auch schön mit dir. Du bist erfrischend echt.“

Wie meinst du das?“

Du hast keine drei Schichten Make up im Gesicht und nicht diese aufgeklebten Wimpern, die wie Spinnenbeine aussehen. Das ist der Stoff, aus dem meine Albträume sind. Außerdem hast du Humor und Deine Gedanken gefallen mir. Und ich kann mir vorstellen, dass es wunderschön ist, dich zu küssen.“

Jessica wurde ein bisschen rot und ärgerte sich gleichzeitig darüber. Aber war es nicht genau das, was er an ihr schätzte?

Zum Glück kam die Kellnerin und räumte die Tassen ab. Florian bezahlte.

Danke für den Cappuccino.“

Gern geschehen. Wann sehen wir uns wieder? Wollen wir nächste Woche mal abends etwas unternehmen? Nächsten Freitag gibt es hier im Park Open-Air-Kino.“

Gute Idee. Wir können ja schreiben oder telefonieren“, Jessica erhob sich, Florian ebenfalls.

Draußen nahm Florian sie an der Hand und sie gingen zu den Fahrradständern. Er umarmte sie und flüsterte ihr ins Ohr: „Komm gut nach Hause.“ Dann hauchte er ihr einen Kuss ans Ohr.

Ich schreibe dir, wenn ich gut zu Hause angekommen bin. Das klappt bestimmt. Es ist nicht weit. Tschüss Florian“, sie löste sich langsam aus der Umarmung. Ihre Gedanken und Gefühle waren in Aufruhr. Sie öffnete das Fahrradschloss und befreite den Drahtesel vom Fahrradständer.

Tschüss Jessica. Wir hören und lesen voneinander.“

Sie winkten sich zu und Jessica freute sich über den erfrischenden Fahrtwind. Sie fuhr die vertrauten Straßen entlang und kam innerlich zur Ruhe.

In ihrer Wohnung schrieb sie an Florian:

Lieber Florian, zu Hause hat mich unser alter Kater, der in meiner Wohnanlage zu allen Nachbarn gehört, empfangen. Er lag total entspannt auf den warmen Treppenstufen zum Fahrradkeller und wollte ausgiebig gekrault werden. Du siehst, ich bin gut angekommen. :-) Es war ein schöner Nachmittag und ich freue mich darauf, dich bald wieder zu sehen. Liebe Grüße und noch ein schönes Wochenende von Jessica

Norman Brown: That's the way love goes

Fortsetzung folgt


Sonntag, 21. August 2022

#007.12 Jessica – Italienische Momente

 

#007.12 Jessica – Italienische Momente

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute hat Jessica italienische Momente in ihrer Mittagspause.
Sie wohnt im 2. Stock links.

Italienische Momente



Am Donnerstag um 12.15 Uhr verließen Jessica und ihre Arbeitskollegin Mara das Büro. Sie hatten vormittags viele Vorgänge erledigt und wollten beim Italiener um die Ecke einmal Luft holen, ohne auf einen Bildschirm zu schauen. Es war Zeit für eine Pause mit himmlischer Pasta, kitschiger italienischer Musik aus unsichtbaren Lautsprechern und Cappuccino. Bei „Mario“ angekommen, studierten die beiden Frauen die Mittagskarte. Von Pasta über Pizza bis zu Fisch-Gerichten gab es eine leckere Auswahl. 

Das ist genau das Richtige“, stellte Mara fest, „jetzt möchte ich einen Teller Nudeln nach dem Marathon im Büro.“

Stimmt, es war anstrengend vorhin. Das Telefon hörte überhaupt nicht auf zu klingeln.“

Der Restaurantleiter begrüßte die beiden und führte sie zu einem ruhigen Platz mit Blick auf einen grünen Innenhof.

Nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatten, wandte sich Jessica an Mara: „Sag mal, Mara, bevor du vor einem halben Jahr mit Tom zusammen gekommen bist, warst du doch längere Zeit Single. Du hast damals ab und zu erzählt, dass du einige Dates hattest. Ich habe morgen eines und brauche noch ein paar Tipps von dir.“

Spannend, dass du dich nach so kurzer Zeit mit einem Mann triffst. Hast du ein Profil auf einem Online-Dating-Portal veröffentlicht?“

Nein, wir haben uns auf einem Möbelhaus Parkplatz kennengelernt. Er hat mir geholfen, meinen sperrigen Einkauf zu verladen. Dann haben wir einen Kaffee zusammen getrunken. Ich habe leider keine Ahnung, wie es heutzutage so läuft.“

Mara grinste. Der Kellner mit der langen Schürze servierte mit einem charmanten Lächeln die Getränke. Die Musik im Hintergrund erinnerte an einen Italien-Urlaub.

Es ist selten, jemanden im analogen Leben kennenzulernen. Heute sind die meisten Singles online unterwegs. Dabei hat man bzw. Frau vermeintlich eine große Auswahl, aber oft steckt nichts Ernsthaftes dahinter. Es ist ziemlich beliebig geworden.“

Wie meinst du das?“, fragte Jessica.

Ich war insgesamt drei Jahre Single und manchmal kam es zum Beispiel vor, dass sich ein Mann, mit dem ich einen netten Kontakt hatte, gar nicht mehr gemeldet hat. Von einem Tag auf den anderen gab es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Er hat in dem Fall ein besseres Match als mich gefunden und ist auf Tauchstation gegangen. Das nennt man „Ghosting“, ein Geist verschwindet einfach und wird nie wieder gesehen.“

Unhöflich, so ein Geist“, meinte Jessica, „wenn es nicht passt, ist es doch kein großer Aufwand, eine entsprechende Nachricht zu schreiben oder anzurufen?“

Viele geben sich keine Mühe mehr. Auf dem Dating Markt ist jeder oder jede schnell austauschbar. Ich habe mich meistens wertschätzend gegenüber Männern verhalten, die für mich nicht in Frage kamen. Du hast recht, eine Nachricht oder ein Anruf sollte ein gesellschaftlicher Standard sein.“

Und in welchen Fällen warst du nicht wertschätzend?“, wollte Jessica wissen.

Sie wurden von dem freundlichen Kellner unterbrochen, der ihnen zwei Teller mit dampfender Pasta hinstellte.

Das erfreut mein Herz, vielen Dank“, Mara strahlte den Kellner an.

Lassen Sie es sich gut schmecken.“

Mara verteilte großzügig Parmesan-Käse über die Spaghetti.

Zurück zu deiner Frage. Manchmal kamen so schräge Nachrichten, dass ich entweder gar nicht reagiert habe oder mit ein oder zwei Worten.“

Was meinst du mit schrägen Nachrichten. Wollten die Herren in der ersten Nachricht deine Körbchen-Größe wissen?“

So ähnlich und schlimmer. An eine Nachricht erinnere ich mich besonders gerne. Jemand schrieb: „Lust aufn Date? LG“. Als ich das las, habe ich schallend gelacht und geantwortet: „Nö. LG“. Der Typ hatte ein Auto-Profilbild. Viele Männer fotografieren sich in ihrem Auto oder davor. Das ist nicht meine Welt, um es vorsichtig zu formulieren“, Mara grinste und widmete sich ausgiebig den Spaghetti.

Das kann ich verstehen, lieber ein Bild in der Natur oder ein gutes Portrait-Foto.“

Ich möchte online Dating nicht generell verteufeln. Ich hatte auch Begegnungen mit richtig tollen Männern. Man darf das Ganze aber nicht so ernst nehmen. Zur Kontaktaufnahme ist es nützlich, nur hatte ich neben den interessanten Männern auch Kontakte zu seltsamen Gestalten, mit denen ich mich auseinander setzen musste.“

Jessicas Neugier war jetzt vollends geweckt: „Welches war denn dein merkwürdigstes Date? Natürlich nur, wenn du es erzählen möchtest.“

Mara lachte: „Meistens hatte ich ein gutes Gespür dafür, mit wem sich ein Treffen wirklich lohnt. Einmal allerdings lag ich voll daneben. Es war ein ziemlich deprimierender Nachmittag.“

Erzähl.“

Ich war zu einem Spaziergang verabredet und fand den Mann, so wie wir schrieben, richtig sympathisch. Aber im Laufe des Nachmittags hat er mir eine persönliche Katastrophe nach der anderen offenbart. Es fing immer mit den Worten „ich muss dir noch etwas gestehen...“ an..Dann folgte die Schilderung eines Dramas. Überspitzt gesagt war dieser Mann krank, nicht mehr arbeitsfähig, finanziell ruiniert und hatte in der Vergangenheit einige toxische Beziehungen in filmreifen Ausmaß erlebt. Mir wurde beim Zuhören bei so viel Unglück und Dramatik schwindelig und am liebsten hätte ich mich an Ende des Tages selber in einen Fluss gestürzt.“

Gut, dass du das nicht getan hast. Ich nehme an, du wolltest ihn nicht wiedersehen.“

Stimmt genau. Das war einfach zu viel. Aber es gab auch schöne Dates. Trotzdem freue ich mich, dass ich mit Tom aktuell so eine gute Zeit habe. In der Single-Phase habe ich mich selbst gut kennengelernt. Auch jemand wie dieser Mann, der das Unglück in seinem Leben magisch angezogen hat, hat mir geholfen, mir darüber klar zu werden, was ich will und was nicht.“

Ich denke, dieser Typ hätte vielleicht erst einmal sein Leben aufräumen sollen, bevor er sich mit dir trifft“, Jessica blickte nachdenklich vor sich hin.

Einige, auch Frauen, wollen von einer anderen Person gerettet werden, aber jeder und jede ist für sich selbst und persönliche Baustellen verantwortlich. Das kann einem niemand abnehmen“, Mara zog bei diesen Wort die Augenbrauen hoch, Die Teller waren leer und der Kellner kam, um sie abzuräumen.

Haben wir noch Zeit für einen Cappuccino?“, fragte Mara.

Ich glaube, unser Büro ruft. Aber wir können uns ja nächste Woche wieder hier treffen. Dann erzähle ich dir ausführlich von meinem Treffen und du berichtest mir von den tollen Single-Männern, die da draußen online und offine herumlaufen“, schlug Jessica vor.

Also, die Rechnung, bitte.“

Draußen sagte Mara: „Ein Mittagsschläfchen wäre super.“

Der alte Kater, der bei mir im Haus wohnt. braucht viele Mittagsschläfchen am Tag. Manchmal liegt auf meiner Fußmatte, wenn ich nach Hause komme.“

Das ist doch niedlich. Wir müssen, statt Mittagsschlaf zu halten, einen Bürokaffee trinken, um den Rest vom Tagespensum zu schaffen.“

Der Nachmittag gestaltete sich trotz des anfänglichen Mittagstiefs als produktiv. Die Dichte der Telefonanrufe hatte auch abgenommen. Jessica fuhr nach Hause. Auf ihrer Fußmatte lag Spike und hatte die Augen geschlossen.

Andrea Bocelli: Cuando Me Enamoro

Fortsetzung folgt


Sonntag, 7. August 2022

#007.11 – Jessica – schöne Sachen

 

#007.11 – Jessica – schöne Sachen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute trifft sich Jessica mit ihrer Freundin nach Feierabend in der Stadt.
Schöne Sachen landen in der Einkaufstasche.
Sie wohnt im 2. Stock links.

Schöne Sachen



Kaffeeduft und Stimmengewirr lag in dem Café in der Luft. Es war Mittwoch, 18.00 Uhr. Jessica saß mit ihrer Freundin Tina an einem kleinen Tisch in der Ecke. Neben dem Tisch stand eine Papiertüte mit dem Schriftzug eines Modegeschäftes. Jessica und Tina hatten jeweils einen Teller mit einem frisch getoasteten Bagel und ein Getränk vor sich stehen. Den Laden, dessen Logo die Papiertüte zierte, hatten sie vorher durchstöbert, denn Jessica wollte etwas Schönes für ihr allererstes Date am kommenden Freitag einkaufen. Am vorherigen Wochenende hatte sie stundenlang ihren Kleiderschrank entrümpelt und jetzt war nichts Passendes mehr darin zu finden. Drei große Wäschekörbe mit aussortierter Kleidung und eine Mülltüte im Abfallbehälter ihrer Wohnanlage waren das Ergebnis von dem Sortier-Marathon.

Danke, dass du mit gekommen bist, Tina.“

Hat doch Spaß gemacht. Die neue Bluse steht dir richtig gut. Ich kann auch gut verstehen, dass du dir einige neue Teile in der Wäsche-Abteilung ausgesucht hast. Das rote Set finde ich besonders schön. Irgendwie ist dein Leben doch gerade ein Neustart, oder?“

Das ist wahr. Dieses Aussortieren letztes Wochenende war wirklich krass. Mir sind so viele Dinge wieder eingefallen, an die ich gar nicht mehr bewusst gedacht habe. Erinnerst du dich noch an meinen Geburtstag vor drei Jahren? Da hatte Michael ziemlich schlechte Laune und hat die ganze Zeit an dem Essen herum gemäkelt. Ich hatte das Buffet zwei Tage lang, inklusive Einkauf, vorbereitet.“

Ja, ich erinnere mich. Du hattest jede Menge Fingerfood hingestellt, weil du viele Leute eingeladen hast. Und irgendwann im Laufe des Abends ist Michael einfach sang und klanglos in seinem Büro verschwunden. Darüber habe ich mich damals gewundert und dachte, dass er wahrscheinlich gerade eine stressige Phase in seinem Job hat. Trotzdem fand ich es unpassend, dass er sich ausgerechnet bei deiner Feier so verhält.“

Stimmt, er hatte zu der Zeit wirklich viel um die Ohren. Das Kleid, das ich für diesen Anlass neu gekauft hatte, habe ich aussortiert. Auch nach der Party wollte ich es nie wieder anziehen. Daran klebte viel unterschwelliger Stress. Ich habe mir sein Gemecker über das Essen richtig zu Herzen genommen, obwohl es allen anderen außer ihm gut geschmeckt hat“, Jessica rührte bei diesen Worten nachdenklich in ihrer Teetasse, „da waren viele kleine freudlose Begebenheiten, die mit irgendwelcher Kleidung verknüpft waren. Das habe ich erst gemerkt, als der Stapel Klamotten auf meinem Bett lag. Die ganzen Sachen sind jetzt in Wäschekörben und nächste Woche bringe ich alles ins Sozial-Kaufhaus.“

Und für dein Treffen mit Florian hast du jetzt etwas Neues gefunden“, Tina grinste Jessica an, „inklusive schöner Wäsche ohne Altlasten.“

Na ja, als „Altlast“ würde ich Michael nun auch nicht bezeichnen. Das hat er nicht verdient. Trotzdem fühle ich mich wohler, wenn ich mit Kleidung ohne Vergangenheit einen neuen Mann näher kennenlerne.“

Wie ist er denn so?“, fragte Tina neugierig, „groß, schlank, gut aussehend, charmant, schlau?“

Er ist groß, ungefähr 1,85 m würde ich schätzen. Schon schlank, aber nicht schlaksig, von der Kleidung her wirkte er lässig und gepflegt“, Jessica überlegte einen kleinen Moment, „er kam schnell auf den Punkt, das ist mir aufgefallen, hat nicht viel um den heißen Brei herum geredet. Ich glaube, bei ihm weißt du, woran du bist. Er gibt wahrscheinlich immer ein ehrliches Statement zu allem ab.“

Tina tupfte sich mit der Serviette den Mund ab, nachdem sie ihren Bagel verspeist hatte. Sie zog die Stirn ein wenig in Falten, als den folgenden Gedanken aussprach: „Du meinst, übertragen auf eine Situation wie deine Geburtstagsfeier vor drei Jahren, dass ein Mann vom Typ Florian dir vor Beginn der Feier gesagt hätte, dass ihn seine Job-Projekte gerade sehr beschäftigen und dass er momentan etwas nervös sei. Dann hättest du den Grund gekannt und dir nichts bei einem flapsigen Spruch über die Käse-Häppchen gedacht?“

Jessica dachte kurz nach: „Ja, vielleicht. Ich denke, dass ich es mittlerweile im Nachgang an so ein Ereignis einem Partner gegenüber ehrlich ansprechen könnte, dass mich dieses Verhalten verletzt. Früher habe ich oft geschwiegen und es als gegeben hingenommen, wenn sich jemand schlecht benommen hat. Es gehören halt immer zwei dazu: Eine Person, die sich - wie auch immer - verhält und die andere Person, die es schweigend toleriert. Wenn jemand nicht weiß, wie sein Verhalten auf andere wirkt, wird sich auch nichts ändern.“

Da ist etwas dran“, sagte Tina, „wenn ich recht überlege, habe ich auch einige Jahre gebraucht, bis ich wirklich kommunizieren konnte, was ich will, was ich gut oder schlecht finde. Ich finde, wir bestellen uns jetzt einen Prosecco und stoßen auf dein erstes Date an. Was denkst du?“

Jetzt grinste Jessica: „Ja, das ist eine sehr gute Idee.“ Sie winkte der Kellnerin zu und kurze Zeit später standen zwei Gläser mit einem sprudelnden Getränk vor ihnen.

Also, auf dich und Florian, was auch immer daraus wird“, Tina hob das Glas und prostete Jessica zu.

Auf die Liebe und das Leben“, die Gläser klangen, „ich bin ehrlicherweise total aufgeregt. Hoffentlich bin ich Freitag Nachmittag nicht die ganze Zeit stumm wie ein Fisch, weil mir nichts einfällt, was ich sagen könnte.“

Die Aufregung legt sich bestimmt schnell. Redet einfach über schöne Dinge wie Urlaub, Träume und was euch wirklich bewegt. Meine Freundin Sylvia erzählte mir mal von einem ihrer Dates, da wurden wie im Job-Interview nur Daten und Fakten ausgetauscht und über Ex-Partnerinnen gelästert. Nach dem Motto: Job, Studium, Hobbys, Kinder und meine Ex ist doof. Das hat nichts mit Romantik oder guter Stimmung zu tun.“

Ich lasse es einfach auf mich zukommen. Wir werden sehen.“

Mittlerweile waren die Getränke ausgetrunken und die Bagels aufgegessen.

Ich lade dich heute ein“, sagte Tina, „als Gegenleistung erzählst du mir, wie es war. Natürlich keine Dinge, die er dir im Vertrauen erzählt hat.“

Wer weiß, wie vertraulich es werden wird. Ich bin schon neugierig auf diesen Mann. Er ist auf jeden Fall hilfsbereit, sieht nett aus und scheint ehrlich und geradeaus zu sein.“

Tina bezahlte die Rechnung und die beiden Frauen verabschiedeten sich vor dem Café. Jessica fuhr mit dem Rad nach Hause, im Fahrradkorb die Papiertüte mit den neuen Sachen.

Spike, der Kater, kreuzte ihren Weg vor dem Fahrradkeller. Er erinnerte sie wieder daran, dass sich ein Tier niemals Gedanken über Kleidung oder Gesprächsthemen für Dates machen musste. Ob Spike jemals eine Katzenfreundin gehabt hatte? Vielleicht gab es irgendwo pelzige Nachkommen? Sie würde es wahrscheinlich nie erfahren, aber seine Gelassenheit in allen Lebenslagen war ein guter Ansatz für ihr Treffen mit Florian am Freitag. Er streifte an ihren Beinen entlang und maunzte, als sie in Richtung Eingangstür ging. Natürlich bekam er ein Leckerli aus Jessicas Handtasche.

In der Wohnung räumte Jessica die Papiertüte aus, schnitt die Preisschilder ab und befühlte die weichen Stoffe. Besonders über die neue Wäsche freute sie sich und überlegte, dass sie sich demnächst noch ein paar Teile kaufen würde. Dafür durften andere Wäschestücke mit Macken und Vergangenheit den Kleiderschrank verlassen. Ihr wurde in dem Augenblick klar, dass Florian einen Stein ins Rollen gebracht hatte. Egal, wie sich ihre Bekanntschaft entwickeln und ob sie ihn nach dem Treffen am Freitag wiedersehen würde, ein Neustart in weicher Spitzenunterwäsche fühlte sich gut und stimmig an. Die Party des Lebens ging weiter …

Candy Dulfer: on & on

Fortsetzung folgt


Sonntag, 31. Juli 2022

#007.10 – Jessica - Klamottenberg

 

#007.10 – Jessica - Klamottenberg

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute sortiert Jessica ihren Kleiderschrank, schließlich hat sie
wahrscheinlich bald ein erstes Date mit ihrem Helden vom Möbelhaus-Parkplatz.
Sie wohnt im 2. Stock rechts.

Klamottenberg


 
In Jessicas Wohnung war es himmlisch ruhig an diesem Sonntagmorgen. Alle Nachbarn schliefen anscheinend noch. Jessica hatte sich einen Becher Kaffee mit ins Bett genommen und war im Flur an ihrem neuen Schrank vorbei gelaufen. Beim Einkauf des Schranks gestern hatte sie Florian kennengelernt, der ihr beim Einladen des großen Kartons geholfen hatte. Er hatte sie zu einem Kaffee eingeladen und dabei wurden Telefonnummern ausgetauscht. Heute abend wollte sich Florian bei Jessica melden, um ein Wiedersehen zu planen.

Jessica stellte bei sich selbst fest, dass sie aufgeregt war. Die Gedanken liefen in ihrem Kopf hin und her. Gerade hatte sie sich ein wenig in ihrem neuen Singledasein eingerichtet und schon kam ein, zugegebenermaßen, netter Mann um die Ecke. Aber war das alles nicht viel zu früh? 'Wahrscheinlich sollte ich nicht so viel darüber grübeln, sondern lieber schauen, was passiert. Spike, unser Kater, würde genauso handeln. Spikes Lebensphilosophie ist für alle Lebenslagen passend ', dachte sie, während sie einen großen Schluck Kaffee trank, 'auf jeden Fall schaue ich nachher in meinem Kleiderschrank, was er für ein erstes Date hergibt.'

Gesagt, getan, nach dem Frühstück stand sie vor ihrem übervollen Schrank, der außerdem sehr unordentlich war. Die Kleidungsstapel waren teilweise halb umgekippt, weil sie ein Teil in Eile von unten herausgezogen hatte. Er war außerdem wenig sortiert und strukturiert. 'Ein großer Schrank voll gestopft mit gar nichts anzuziehen', war ihr Gedanke dazu.

Sie erinnerte sich an Aufräum-Tipps aus dem Internet:

  • Alles aus dem Schrank räumen,

  • die Sachen, die sie liebte, als erstes heraussuchen und dabei dem guten Gefühl nachspüren, weil alle anderen Kleidungsstücke sich daran messen mussten.

  • Dann noch die Unterscheidung treffen, wenn ein Teil zwar kein Lieblingsstück, aber praktisch war, z. B. ein hautfarbenes Top zum Unterziehen.

  • Schrank gründlich putzen

  • Kleidung, die bleiben sollte, ordentlich wieder einräumen

  • Aussortierte Kleidung schnell aus der Wohnung bringen, damit diese nicht doch wieder den Weg zurück in den Schrank finden konnte …

Genau nach diesem Schema ging Jessica vor. Der Klamottenberg auf ihrem Bett war mindestens so hoch wie die Zugspitze. Jessicas Elan sank bei dem Anblick gegen null, aber nun hatte sie begonnen und keine andere Chance, als weiter zu räumen. Ansonsten musste sie heute Nacht auf ihrem Sofa schlafen. Ja, die Lieblingsteile, im Endeffekt waren es nicht viele. Nach der Trennung hatte sich Jessicas Sicht auf die Dinge, auch auf ihre Kleidung, verändert. Sie probierte ein Kleid an, was sie mit Michael zusammen gekauft hatte. An sich war es schön, fühlte sich gut an, trotzdem wusste Jessica in diesem Moment, dass dieses Kleid ausgedient hatte. Es gehörte in eine andere Zeit, zu einer anderen Jessica.

Die ganze Aktion war ziemlich anstrengend, es kamen so viele Erinnerungen hoch. Der Stapel der aussortierten Kleidung wuchs unaufhörlich. 'Wenn das so weiter geht, habe ich für mein Treffen mit Florian gar nichts zum Anziehen', dachte sie alarmiert.

Ab einem gewissen Punkt gegen frühen Nachmittag war ihre Entscheidungsfreudigkeit stark geschrumpft. Jessica war hungrig und fühlte sich innerlich wie leer gefegt. Gut, dass noch eine Tiefkühlpizza im Gefrierfach lag. Während der Ofen heizte, saß sie in der Küche und dachte an die Klamottenberge in ihrem Schlafzimmer. Sie hatte kaputte Strumpfhosen gefunden, einige uralte T-Shirts, die für irgendwelche Renovierungsarbeiten aufgehoben worden waren, Röcke, die keine Luft zum Atmen ließen, weil sie aktuell nicht Jessicas Kleidergröße entsprachen, aber auch zeltartige Gewänder (seltsamer oversize-Style), die garantiert für alles Schöne im Leben ungeeignet waren. Kleidung der Kategorie „kaputt“ und „uralt/ausgewaschen“ sollte gleich im Anschluss an die Pizza in dem Müllbehälter unten im Hof entsorgt werden. Damit wäre ein nicht unerheblicher Teil aus Jessicas Augen und das Bett wieder teilweise sichtbar.

Jessica seufzte. Das Entrümpeln hatte sie sich schon seit ihrem Umzug vorgenommen und einige kleine Aktionen gestartet, aber so richtig voran gekommen war sie bis jetzt nicht. Es kostete auf eine seltsame Art viel emotionale Kraft. An vielen Dingen klebten Erinnerungen und teilweise verdrängte negative Gefühle. Nach dem Umzug hatte sie selten ein Glücksgefühl beim Einräumen ihrer Sachen verspürt, so als läge über vielem ein dunkler Schatten.

Zum Beispiel dachte sie an einen Kaffeebecher in ihrem Schrank, der ein hübsches Blumenmuster hatte. Jessica hatte ihn von einer ehemaligen Nachbarin vor ein paar Jahren zum Geburtstag bekommen. Ab und zu traf sich Jessica noch mit dieser Bekannten. Nach den Treffen fühlte sie sich fast immer kraftlos und leer, weil diese Nachbarin gerne negative Szenarien ausschmückte, egal ob es um Weltpolitik oder Mitmenschen aus dem direkten Umfeld ging. Stets waren nach ihrer Ansicht böse Absichten im Spiel. Den Becher von dieser Bekannten benutzte Jessica fast nie. Es schien, als klebten an ihm sämtliche schwarze Löcher der Psyche dieser Frau und ein harmloses Getränk verwandelte sich darin in einen seelisch giftigen Cocktail. Noch bevor die Pizza fertig gebacken war, ging Jessica bei diesen Gedankengängen an den Küchenschrank, nahm den Becher heraus und warf ihn mit Schwung in den Mülleimer. Der Henkel brach dabei ab. Sofort stellte sich ein Gefühl von Leichtigkeit und Frische ein.

Motiviert von dem weggeworfenen Kaffeebecher und der leckeren Pizza setzte Jessica ihr Kleiderschrank-Projekt fort. Sie arbeitete sich durch große Mengen an Shirts, Blusen, Kleidern, Jeans, Blazern (einer durfte bleiben, alle anderen lösten in Jessica beklemmende, einengende Gefühle aus), Pullovern. Es schien kein Ende nehmen. Da war ein Pullover, dessen Existenz Jessica schlichtweg vergessen hatte, und noch ein T-Shirt, an dem sogar noch das Preisschild hing. Das Schild hatte einen roten „Sale“-Aufkleber. Jessica dachte wieder an das schockierende Haul-Video, das sie neulich im Internet gesehen hatte. Die junge Frau in dem Video hatte Unmengen an Kleidung in einem Billig-Laden eingekauft und ihre Beute vor ihre Kamera gehalten. Dabei betonte sie oft, dass sie dieses oder jenes Stück wahrscheinlich niemals anziehen würde, trotzdem musste sie es kaufen, weil es billig war. Jessica wurde klar, dass sie keinen Deut besser konsumiert hatte als die junge Frau in dem Video, allerdings hatte sie die vielen Sachen auf ihrem Bett nicht bei einem Einkauf, sondern im Laufe vieler Jahre angesammelt.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, den Schrank richtig zu putzen. Jessica holte noch kleine Stoffsäckchen, die mit getrockneten Lavendel-Blüten gefüllt waren, aus ihrem neuen Flurschrank und verteilte sie an der Kleiderstange und in den Regalfächern. Es duftete wie ein Lavendelfeld in Südfrankreich in ihrem Schlafzimmer. Eigentlich hätten nach ihrem Empfinden je zehn Teile aus jeder Kategorie gereicht, um beim Anblick der geöffneten Kleiderschranktüren ein befreites, glückliches Gefühl zu haben, aber es waren natürlich viel mehr Kleidungsstücke einzusortieren. Noch war sie nicht soweit, dass sie wirklich so viele Sachen gehen lassen konnte.

Aus dem Wohnzimmer hörte Jessica ihr Handy klingeln. An Florian hatte sie in den letzten Stunden gar nicht mehr gedacht.

Hallo Jessica, wie geht es Dir?“, fragte Florian, nachdem sie sich gemeldet hatte.

Mir geht es gut. Ich entrümple gerade meine Wohnung, das ist anstrengend aber befreiend. Und Du, wie hast du diesen Sonntag verbracht?“

Ich habe natürlich die ganze Zeit an dich gedacht“, Florian lachte, während er das sagte, „wie sieht es aus, wollen wir uns am Freitag treffen? Ich habe ab 16.00 Uhr Zeit.“

Das passt bei mir. Treffen wir uns im Park? Da gibt es auch ein kleines Café.“

Ja, gerne. Also, Freitag um 16.00 Uhr im Park Café. Ich freue mich. Dann wünsche ich dir noch viel Erfolg beim Aufräumen und einen schönen Abend.“

'Dieser Mann kommt wirklich schnell auf den Punkt', dachte Jessica dabei grinsend. Sie wünschte Florian auch einen schönen Abend und dann war ihr Telefonat beendet.

Jessica räumte noch alles ein, was bleiben sollte, und holte Wäschekörbe für die aussortierte Kleidung. Der Müll-Anteil war schon im Abfallbehälter draußen verschwunden.

'Das reicht für heute, Schluss, aus, Ende.'

Eine Nachricht schrieb sie noch an ihre Freundin Tina:

Hey Tina, wollen wir uns nächste Woche nach Feierabend in der Stadt treffen? Ich brauche dringend etwas Schönes und Neues zum Anziehen für einen besonderen Anlass und deine fachfrauliche Beratung ;-). Nähere Details gerne beim Getränk/Pizza nach dem Einkauf. Liebe Grüße von Jessica

Unter der Dusche vor dem Schlafengehen hatte Jessica das Gefühl, als würden mit dem ablaufenden Wasser auch komische Erinnerungen, Stimmungen und negative Energien abfließen. Eine große Erleichterung breitete sich in ihr aus und sie freute sich darauf, Florian am Freitag zu treffen. Natürlich würde sie umwerfend in einem neuen Kleid oder vielleicht einer neuen Bluse und Jeans aussehen.

'Ich werde schrittweise alle Bereiche weiter aussortieren und Dinge mit schlechter Ausstrahlung und Erinnerung entsorgen oder spenden.'

Mit diesem Gedanken schlief Jessica erschöpft, zufrieden und traumlos ein.

Brian Culbertson: The Journey

Fortsetzung folgt

Dienstag, 19. Juli 2022

#007.9 – Jessica – ein kleines Pflänzchen

 

#007.9 – Jessica – ein kleines Pflänzchen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Jessica richtet sich weiter ein.
Sie wohnt im 2. Stock rechts. 

Ein kleines Pflänzchen



 „Du hast doch nicht etwa einem wildfremden Mann deine Handynummer gegeben?“, Thorsten ließ den Akku-Schrauber sinken und schaute Jessica vorwurfsvoll an.

Doch, er war so freundlich und hat mir geholfen, diesen riesigen Karton“, dabei zeigte sie auf den Stapel großer Pappstücke, „in dein Auto zu verladen. Außerdem weiß er nicht, wo ich wohne und kennt nur meinen Vornamen.“

Thorsten schüttelte den Kopf, während er sich wieder den Schrankeinzelteilen widmete. Wenn alles zusammen gebaut war, sollte das gute Stück in Jessicas Flur seinen Platz finden.

Eine meiner Arbeitskolleginnen hat mir neulich erzählt, dass sie vor ein paar Tagen ein Mann in der Fußgängerzone halbwegs verfolgt hat. Er wollte unbedingt ihre Handynummer haben und mit ihr Kaffee trinken, sogar noch, als sie ihm erklärt hatte, dass sie verheiratet sei. Das ist krass und meine Kollegin fand diese Situation richtig unheimlich.“

Jessica schaute nachdenklich auf Thorstens Werkzeugkasten: "Das fände ich auch gruselig. Bei mir lief es allerdings anders ab. Der Mann, er heißt übrigens Florian, war höflich und hat mich nicht bedrängt.“

Bitte passe trotzdem auf dich auf“, bat Thorsten, während er weiter mit der Schranktür hantierte.

Jessicas Handy brummte. Es war eine Nachricht, bei der kein Name angezeigt wurde.

Hallo Jessica, bist du gut mit deinem großen Paket nach Hause gekommen? Brauchst noch Hilfe beim Zusammenschrauben oder vielleicht seelischen Beistand, falls Schrauben fehlen oder die Anleitung nur auf chinesisch ist? :-) Ich rufe dich morgen Abend an und freue mich, wenn wir dann einen Termin für einen Spaziergang finden. Noch ein schönes Wochenende wünsche ich dir, liebe Grüße von Florian

Lass mich raten, diese Nachricht kam von diesem Florian. Kannst bitte einmal das Seitenteil festhalten?“

Na klar“, Jessica hockte sich neben Thorsten und hielt das Holzbrett fest, „wenn wir uns nicht so lange kennen würden, könnte man fast vermuten, dass du eifersüchtig bist.“

Thorsten setzte den Akku-Schrauber an und versenkte die Schraube im Holz.

Wie lange kennen wir uns? Zehn Jahre ungefähr, glaube ich. Nein, ich kann dich beruhigen. Natürlich fand ich dich am Anfang richtig toll, aber dann warst du ja irgendwann mit Michael zusammen.“

Oh, das war mir gar nicht bewusst. Ich fand unseren Kontakt immer richtig gut, weil du mir prima die männliche Sicht auf alles erklären konntest.“

Jetzt schaute Thorsten sie direkt an: „Sagst mir Bescheid, wann und wo du dich mit ihm treffen wirst? Nur zur Sicherheit, ich werde euch nicht verfolgen, keine Angst.“

Das mache ich. Es gibt mir auch ein besseres Gefühl. Schließlich bin ich in diesem Thema total ungeübt. Was ist mit dem zweiten Seitenteil?“

Nach einer Viertelstunde war der Schrank fertig aufgebaut und Thorsten schob ihn an seinen geplanten Platz. Dann räumte er sein Werkzeug ein und Jessica holte Getränke aus dem Kühlschrank.

Wie wäre es mit einer Erfrischung auf dem Balkon?“, fragte sie.

Thorsten erklärte ihr, während sie gemütlich unter dem Sonnenschirm saßen, was aus seiner Sicht für Jessicas erstes Date wichtig sein könnte.

Später begleitete sie Thorsten nach unten, beladen mit dem Stapel Pappe, der eben noch neben dem neuen Schrank im Flur gelegen hatte. 

Danke, dass du mir dein Auto geliehen hast und für deine Hilfe beim Schrankaufbau“, sagte sie, während Thorsten in sein Auto stieg, nachdem das Werkzeug verladen war.

Gern geschehen. Spannend, sobald du losfährst, um einen Schrank zu kaufen, steht gleich ein Mann auf der Matte und möchte ein Date mit dir, unglaublich. Passe gut auf dich auf und sag Bescheid, falls du in Männerdingen einen Rat brauchst“, Thorsten grinste und schloss die Autotür. Jessica trat ein wenig beiseite und winkte ihm zu, als er vom Hof fuhr. Sie nahm die Pappe wieder in die Hände und trug alles zum Altpapier-Container.

Spike, der Kater, hatte es sich im Schatten des Containers gemütlich gemacht. Es war sehr warm geworden. Nachdem die Pappe in dem großen Behälter verschwunden war, kraulte Jessica das Tier noch eine Weile. Spike schnurrte wie ein kleines Kätzchen, obwohl er ein Kater-Großvater war.

Oben in ihrer Wohnung schaute sie wieder auf ihr Mobiltelefon und las Florians Nachricht noch einmal, sie antwortete, nachdem sie ihn als neuen Kontakt eingespeichert hatte:

Lieber Florian, danke für dein Hilfsangebot. Zum Glück war die Anleitung einigermaßen verständlich und Unterstützung hatte ich auch. Der Schrank steht in meinem Flur und riecht ganz neu. :-) Morgen Abend bin ich zu Hause, wir können gerne telefonieren. Einen schönen Abend und liebe Grüße von Jessica PS Was ist mit deinen neuen Kellerregalen? Sind sie schon aufgestellt? ;-)

Später im Bett schrieb sie folgende Zeilen in ihr Notizbuch.

Sommerleichtigkeit

Ein Lächeln im Sonnenschein,
galt das mir?
Gerade jetzt und hier?
Kann es sein,
während die Schmetterlinge tanzen
und die Blumen alles geben,
dass in meinem Leben,
so wie gerade draußen,
ein neues Pflänzchen
schüchtern aus dem Boden schaut?
Es macht noch kein Tänzchen,
weil es sich das noch nicht traut,
staunend wird aber alles betrachtet
und darauf geachtet,
vorsichtig die Blätter auszustrecken
und dabei nicht anzuecken.
Auch unbedingt im Auge behalten:
Die Schnecken.

Noch ist es ein Pflänzchen,
aber an einem verlässlichen Ort
mit ausreichend Wasser, gutem Boden und Licht
und viel (Um)Sicht
kann es größer werden und wachsen,
Blüten ansetzen - erst als Knospen
dann sich öffnen und strahlen,
bunte Farben malen,
der Sonne entgegen,
auf ganz neuen leichten und luftigen Wegen,
nicht umgeben von Schnecken,
denn die hocken in dunklen Hecken,
sondern Schmetterlingen,
deren Tänze und Musik nach Sommer klingen,
sich weiter langsam nach oben bewegen.

Grover Washington jr.: Summer chill

Fortsetzung folgt