Sonntag, 7. August 2022

#007.11 – Jessica – schöne Sachen

 

#007.11 – Jessica – schöne Sachen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute trifft sich Jessica mit ihrer Freundin nach Feierabend in der Stadt.
Schöne Sachen landen in der Einkaufstasche.
Sie wohnt im 2. Stock links.

Schöne Sachen



Kaffeeduft und Stimmengewirr lag in dem Café in der Luft. Es war Mittwoch, 18.00 Uhr. Jessica saß mit ihrer Freundin Tina an einem kleinen Tisch in der Ecke. Neben dem Tisch stand eine Papiertüte mit dem Schriftzug eines Modegeschäftes. Jessica und Tina hatten jeweils einen Teller mit einem frisch getoasteten Bagel und ein Getränk vor sich stehen. Den Laden, dessen Logo die Papiertüte zierte, hatten sie vorher durchstöbert, denn Jessica wollte etwas Schönes für ihr allererstes Date am kommenden Freitag einkaufen. Am vorherigen Wochenende hatte sie stundenlang ihren Kleiderschrank entrümpelt und jetzt war nichts Passendes mehr darin zu finden. Drei große Wäschekörbe mit aussortierter Kleidung und eine Mülltüte im Abfallbehälter ihrer Wohnanlage waren das Ergebnis von dem Sortier-Marathon.

Danke, dass du mit gekommen bist, Tina.“

Hat doch Spaß gemacht. Die neue Bluse steht dir richtig gut. Ich kann auch gut verstehen, dass du dir einige neue Teile in der Wäsche-Abteilung ausgesucht hast. Das rote Set finde ich besonders schön. Irgendwie ist dein Leben doch gerade ein Neustart, oder?“

Das ist wahr. Dieses Aussortieren letztes Wochenende war wirklich krass. Mir sind so viele Dinge wieder eingefallen, an die ich gar nicht mehr bewusst gedacht habe. Erinnerst du dich noch an meinen Geburtstag vor drei Jahren? Da hatte Michael ziemlich schlechte Laune und hat die ganze Zeit an dem Essen herum gemäkelt. Ich hatte das Buffet zwei Tage lang, inklusive Einkauf, vorbereitet.“

Ja, ich erinnere mich. Du hattest jede Menge Fingerfood hingestellt, weil du viele Leute eingeladen hast. Und irgendwann im Laufe des Abends ist Michael einfach sang und klanglos in seinem Büro verschwunden. Darüber habe ich mich damals gewundert und dachte, dass er wahrscheinlich gerade eine stressige Phase in seinem Job hat. Trotzdem fand ich es unpassend, dass er sich ausgerechnet bei deiner Feier so verhält.“

Stimmt, er hatte zu der Zeit wirklich viel um die Ohren. Das Kleid, das ich für diesen Anlass neu gekauft hatte, habe ich aussortiert. Auch nach der Party wollte ich es nie wieder anziehen. Daran klebte viel unterschwelliger Stress. Ich habe mir sein Gemecker über das Essen richtig zu Herzen genommen, obwohl es allen anderen außer ihm gut geschmeckt hat“, Jessica rührte bei diesen Worten nachdenklich in ihrer Teetasse, „da waren viele kleine freudlose Begebenheiten, die mit irgendwelcher Kleidung verknüpft waren. Das habe ich erst gemerkt, als der Stapel Klamotten auf meinem Bett lag. Die ganzen Sachen sind jetzt in Wäschekörben und nächste Woche bringe ich alles ins Sozial-Kaufhaus.“

Und für dein Treffen mit Florian hast du jetzt etwas Neues gefunden“, Tina grinste Jessica an, „inklusive schöner Wäsche ohne Altlasten.“

Na ja, als „Altlast“ würde ich Michael nun auch nicht bezeichnen. Das hat er nicht verdient. Trotzdem fühle ich mich wohler, wenn ich mit Kleidung ohne Vergangenheit einen neuen Mann näher kennenlerne.“

Wie ist er denn so?“, fragte Tina neugierig, „groß, schlank, gut aussehend, charmant, schlau?“

Er ist groß, ungefähr 1,85 m würde ich schätzen. Schon schlank, aber nicht schlaksig, von der Kleidung her wirkte er lässig und gepflegt“, Jessica überlegte einen kleinen Moment, „er kam schnell auf den Punkt, das ist mir aufgefallen, hat nicht viel um den heißen Brei herum geredet. Ich glaube, bei ihm weißt du, woran du bist. Er gibt wahrscheinlich immer ein ehrliches Statement zu allem ab.“

Tina tupfte sich mit der Serviette den Mund ab, nachdem sie ihren Bagel verspeist hatte. Sie zog die Stirn ein wenig in Falten, als den folgenden Gedanken aussprach: „Du meinst, übertragen auf eine Situation wie deine Geburtstagsfeier vor drei Jahren, dass ein Mann vom Typ Florian dir vor Beginn der Feier gesagt hätte, dass ihn seine Job-Projekte gerade sehr beschäftigen und dass er momentan etwas nervös sei. Dann hättest du den Grund gekannt und dir nichts bei einem flapsigen Spruch über die Käse-Häppchen gedacht?“

Jessica dachte kurz nach: „Ja, vielleicht. Ich denke, dass ich es mittlerweile im Nachgang an so ein Ereignis einem Partner gegenüber ehrlich ansprechen könnte, dass mich dieses Verhalten verletzt. Früher habe ich oft geschwiegen und es als gegeben hingenommen, wenn sich jemand schlecht benommen hat. Es gehören halt immer zwei dazu: Eine Person, die sich - wie auch immer - verhält und die andere Person, die es schweigend toleriert. Wenn jemand nicht weiß, wie sein Verhalten auf andere wirkt, wird sich auch nichts ändern.“

Da ist etwas dran“, sagte Tina, „wenn ich recht überlege, habe ich auch einige Jahre gebraucht, bis ich wirklich kommunizieren konnte, was ich will, was ich gut oder schlecht finde. Ich finde, wir bestellen uns jetzt einen Prosecco und stoßen auf dein erstes Date an. Was denkst du?“

Jetzt grinste Jessica: „Ja, das ist eine sehr gute Idee.“ Sie winkte der Kellnerin zu und kurze Zeit später standen zwei Gläser mit einem sprudelnden Getränk vor ihnen.

Also, auf dich und Florian, was auch immer daraus wird“, Tina hob das Glas und prostete Jessica zu.

Auf die Liebe und das Leben“, die Gläser klangen, „ich bin ehrlicherweise total aufgeregt. Hoffentlich bin ich Freitag Nachmittag nicht die ganze Zeit stumm wie ein Fisch, weil mir nichts einfällt, was ich sagen könnte.“

Die Aufregung legt sich bestimmt schnell. Redet einfach über schöne Dinge wie Urlaub, Träume und was euch wirklich bewegt. Meine Freundin Sylvia erzählte mir mal von einem ihrer Dates, da wurden wie im Job-Interview nur Daten und Fakten ausgetauscht und über Ex-Partnerinnen gelästert. Nach dem Motto: Job, Studium, Hobbys, Kinder und meine Ex ist doof. Das hat nichts mit Romantik oder guter Stimmung zu tun.“

Ich lasse es einfach auf mich zukommen. Wir werden sehen.“

Mittlerweile waren die Getränke ausgetrunken und die Bagels aufgegessen.

Ich lade dich heute ein“, sagte Tina, „als Gegenleistung erzählst du mir, wie es war. Natürlich keine Dinge, die er dir im Vertrauen erzählt hat.“

Wer weiß, wie vertraulich es werden wird. Ich bin schon neugierig auf diesen Mann. Er ist auf jeden Fall hilfsbereit, sieht nett aus und scheint ehrlich und geradeaus zu sein.“

Tina bezahlte die Rechnung und die beiden Frauen verabschiedeten sich vor dem Café. Jessica fuhr mit dem Rad nach Hause, im Fahrradkorb die Papiertüte mit den neuen Sachen.

Spike, der Kater, kreuzte ihren Weg vor dem Fahrradkeller. Er erinnerte sie wieder daran, dass sich ein Tier niemals Gedanken über Kleidung oder Gesprächsthemen für Dates machen musste. Ob Spike jemals eine Katzenfreundin gehabt hatte? Vielleicht gab es irgendwo pelzige Nachkommen? Sie würde es wahrscheinlich nie erfahren, aber seine Gelassenheit in allen Lebenslagen war ein guter Ansatz für ihr Treffen mit Florian am Freitag. Er streifte an ihren Beinen entlang und maunzte, als sie in Richtung Eingangstür ging. Natürlich bekam er ein Leckerli aus Jessicas Handtasche.

In der Wohnung räumte Jessica die Papiertüte aus, schnitt die Preisschilder ab und befühlte die weichen Stoffe. Besonders über die neue Wäsche freute sie sich und überlegte, dass sie sich demnächst noch ein paar Teile kaufen würde. Dafür durften andere Wäschestücke mit Macken und Vergangenheit den Kleiderschrank verlassen. Ihr wurde in dem Augenblick klar, dass Florian einen Stein ins Rollen gebracht hatte. Egal, wie sich ihre Bekanntschaft entwickeln und ob sie ihn nach dem Treffen am Freitag wiedersehen würde, ein Neustart in weicher Spitzenunterwäsche fühlte sich gut und stimmig an. Die Party des Lebens ging weiter …

Candy Dulfer: on & on

Fortsetzung folgt


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