Samstag, 30. Januar 2021

#004.11 – Marie – Schneeschmelze

 #004.11 – Marie – Schneeschmelze

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute schreibe ich Euch aus der Perspektive von Marie, wie
sich der zweite sehr zähe Lockdown anfühlt.
Sie wohnt im Dachgeschoss links.

Schneeschmelze


Tropfende Geräusche weckten Marie an diesem Samstagmorgen Ende Januar. Durch die Jalousie sickerten Sonnenstrahlen und ließen einen blauen Himmel erahnen.

Marie rieb sich die Augen und blinzelte. Das geblümte Kissen auf der anderen Bettseite war der einzige Gast in ihrem Bett. Sie stand auf, lief zum Fenster und öffnete die Jalousie. Gestern hatte es geschneit und der Schnee hatte alles mit einer weißen Puderzuckerschicht überzogen. Der Schnee war tatsächlich über Nacht liegen geblieben und strahlte mit der Sonne um die Wette. Vom Balkongeländer fielen rhythmisch Wassertropfen auf den Rand eines Blumentopfes mit der Minze, die Marie noch bis in den Dezember letzten Jahres hinein geerntet hatte.

Wie schön“, dachte sie.

Der Natur war der Lockdown einerlei, Im Gegensatz dazu waren in den letzten Wochen zwischenmenschliche Stimmungen zunehmend gereizter geworden. Ob am Arbeitsplatz, beim Einkaufen oder im privaten Umfeld neigten die Menschen zu Überreaktionen. Das hatte Marie, besonders nach den Weihnachtsfeiertagen, verstärkt beobachtet. Sie selbst hatte sich auch öfter dabei ertappt, gereizt und genervt auf Kleinigkeiten zu reagieren. Der Lieblingsjoghurt im Supermarkt war ausverkauft? Welches Drama.... Oder der Kollege, mit dem Marie sonst gut auskam, hatte neulich vergessen, ihr ein Dokument zur Verfügung zu stellen, was sie für ihr aktuelles Projekt brauchte. Sie hatte daraufhin mit einem unfreundlichen Spruch reagiert und ein Wort hatte das nächste nach sich gezogen. Es war ein absolut sinnloser destruktiver Dialog dabei entstanden. Am Ende entschuldigte sich Marie bei ihrem Kollegen für ihre unfreundliche Kommunikation und hatte abends zu Hause darüber nachgedacht, dass sie in den Zeiten ohne Lockdown viel entspannter gewesen war.

Heute strahlte der Himmel als gäbe es keine Probleme auf dieser Welt, alles war in goldenes Licht getaucht und der Himmel zeigte sein schönstes sauberstes Blau.

Es ist Wochenende“, dachte sie, „ich möchte jetzt einen Kaffee im Bett trinken und dann einen Plan für diesen Tag entwerfen.“

Für Aktivitäten gab es allerdings  wenige Möglichkeiten. Die Geschäfte – außer Drogeriemärkte und Lebensmittelgeschäfte – waren geschlossen. Kinos, Restaurants und Theater waren ebenfalls im Winter- bzw. Lockdown-Dörnröschenschlaf verwaist und leer. Diese Leere spürte Marie in letzter Zeit immer schmerzlicher. Sie sehnte sich danach, sich im Kino in eine andere Welt entführen zu lassen und dabei Popcorn zu knabbern. Auch mit Christian in der letzten Reihe zu sitzen und wie ein Teenager mit ihm während des Films zu knutschen, war gerade nicht möglich.

Überhaupt Christian … gestern hatte er noch lange gearbeitet und war nicht mehr bei ihr vorbei gekommen. Während Marie in der Küche das Espresso-Kännchen und den kleinen Milchtopf auf ihren Herd stellte, überlegte sie, ob er wohl schon wach war. Wahrscheinlich nicht, er schlief bestimmt noch, um sich von seiner langen und anstrengenden Arbeitswoche zu erholen. Sie vermisste seine Nähe in diesem Moment. „Hör auf zu grübeln“, befahl sie sich selbst, „es ist doch eigentlich alles gut.“

Das Wort „eigentlich“ war das Problem und färbte den Alltag ab und zu grau. Die Tage und Wochen waren – vor diesem strahlenden Tag mit dem Schnee – in unterschiedlichen Abstufungen angegraut gewesen. Es war dunkel, oft nass und kalt. Außerdem verdeckten in Bussen, Bahnen und in Geschäften Mund-/Nasenmasken die Hälfte der Gesichter der Menschen, ein Lächeln in den Augen war selten zu erkennen. Jeder lebte mit seinen ganz eigenen Herausforderungen in seinem Tunnel und schaute weder nach links noch nach rechts.

Marie vertrieb die trüben Gedanken und widmete sich wieder der Kaffeezubereitung. „Ich werde Christian nachher anrufen. Vielleicht sehen uns heute Abend.“ Kaffeeduft durchzog die Küche und sie freute auf ihr gemütliches Frühstück im warmen Bett. Außerdem lag noch ein ungelesener spannender Krimi auf ihrem Nachtschrank.

Durch das Küchenfenster beobachtete sie ihre Nachbarin Frau Schulze, die draußen gerade überprüfte, ob der Hausmeister bei der Schneeräumung auf den Wegen ordentlich gearbeitet hatte. Anscheinend nicht, denn Frau Schulze schüttelte unzufrieden ihren Kopf. Spike, der Kater, bog um die Ecke und hinterließ seine Pfotenabdrücke im Schnee. Tatsächlich hatte Frau Schulze ein Leckerli in ihrer Jackentasche für ihn und sie lächelte sogar für einen kurzen Moment.

Wie man es dreht und wendet, es sind immer die kleinen Dinge, die den Tag erhellen, während des Lockdowns ganz besonders“, war Maries Gedanke dazu.

Maries Telefon brummte.

Guten Morgen, mein Schatz. Bist Du schon wach? Letzte Nacht habe ich von Dir geträumt und stellte gerade fest, dass Du gar nicht bei mir bist... sehr schade. Sehen wir uns heute Abend?“

Zwei Liebende, ein Gedanke“, sinnierte Marie, „irgendwann wird diese düstere Schwere der Pandemie verschwunden sein. Der sonnige Tag heute ist kleiner Vorgeschmack darauf. Das Grau und die innere verzweifelte Kälte werden so der Schnee auf meinem Balkongeländer schmelzen und der Takt der herabfallenden Wassertropfen eine neue Melodie erschaffen.“ Marie lächelte und schaltete das Küchenradio ein. Der Sender spielte passenderweise gerade

Kygo - Sunrise ft. Jason Walker

Zufall? Nein, ganz sicher nicht. :-)

Fortsetzung folgt

Anmerkung der Autorin:

Liebe Leserinnen und Leser,

nach einer kurzen kreativen Pause gibt es hier wieder regelmäßig Blogbeiträge.

Ich hoffe, Ihr seid alle gut in das neue Jahr gestartet und gesund und munter.

Genießt die kleinen, schönen Momente und schenkt Euren Mitmenschen ab und zu ein Lächeln.

In diesem Sinne alles Liebe von der Autorin


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