Montag, 1. Juni 2020

#005.3 Sarah - Das Tal der Tränen

#005.3 Sarah - Das Tal der Tränen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute schreibe ich Euch die weitere Entwicklung des zuckerfrei-Experimentes von Sarah.
Sie wohnt im zweiten Stock rechts. 

Das Tal der Tränen



Hallo, da bin ich wieder und berichte Euch, wie es mit meinem Ernährungsexperiment „drei Wochen ohne Zucker“ weiterging.
Zumindest was mich betrifft, halte ich Zucker wirklich für eine Art Droge, weil es echte Entzugserscheinungen gab. Die ersten zwei Tage war ich noch sehr bewusst und motiviert, danach begann das Tal der Tränen. Im Rückblick bin ich sehr froh, dass ich es durchgehalten habe, trotz enormer Stimmungsschwankungen und Kopfschmerzen. Ein kleiner Tipp für Euch, wenn ihr eine schlechte Gewohnheit loswerden wollt: Ablenkung hilft, ansonsten kreist diese eine Sache ständig im Kopf, die ihr aus Eurem Leben verbannen wollt.
Während ich diese Zeilen schreibe, scheint draußen die Sonne. Ich genieße ein langes Wochenende mit Feiertag. Gestern hatte ich Besuch zu einem späten gemütlichen Frühstück. Im Vergleich zu der Zeit vor meiner Ernährungsumstellung stehen heutzutage andere Dinge auf meinem Frühstückstisch. Meine Freunde akzeptieren es, dass ich keine Marmelade mehr kaufe, statt dessen gibt es z. B. frischen Obstsalat und leckeren Käse von der Käsetheke. Manchmal bereite ich Pfannkuchen oder Waffeln aus einem Teig mit pürierten Bananen zu, dazu gibt es selbst hergestelltes Apfelkompott ohne Zuckerzusatz. Niemand, der mich besucht, scheint etwas zu vermissen. Im Gegenteil, es gab – auch auf Rückfragen – stets ein positives Feedback. 

Wenn allerdings jemand zur Kaffeezeit vorbeikommt, habe ich natürlich in meiner Naschkiste normale Süßigkeiten, neben der Schokolade mit 85 bis 90 Prozent Kakao-Anteil, die ich gerne esse. Nach fast zwei Jahren habe ich kein Bedürfnis danach, die üblichen Süßigkeiten selbst zu essen, sie können wochenlang in der geblümten Dose liegen, ohne dass ich einen Gedanken daran verschwende. Hätte mir jemand das erzählt, als ich mit der Umstellung angefangen habe, hätte ich dieser Person kein Wort geglaubt. Wie ich mein soziales Leben zuckerfrei organisiere und welche Entwicklung sich in dieser Hinsicht vollzogen hat, berichte ich zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher.
Hier ist wieder ein Auszug aus meinem Tagebuch von damals. In diesem Auszug geht es um die zum Glück kurze Phase des fast Durchdrehens:
Tag 3 – ich bin am Ende ….
Nachdem ich den Tag gestern gut gemeistert habe und schon zeitweise dachte, so schwer sei diese Ernährungsumstellung doch gar nicht, ist heute das innere Chaos ausgebrochen.
Es fing damit an, dass ich mit Kopfschmerzen aufwachte. Das kommt bei mir sehr selten vor. Es pochte und dröhnte in meinem Kopf, ich konnte nicht wirklich klar denken. Dazu kam ein enormes Selbstmitleid: Kein Marmeladen-Toast zum Frühstück sondern Porridge-Pampe und vor mir ein herausfordernder Arbeitstag. Auf der Agenda stand unter anderem ein wahrscheinlich anstrengendes Meeting, natürlich mit den üblichen Besprechungskeksen auf dem Tisch, die ich nicht anrühren wollte. Ich würde sie gefühlt stundenlang wie ein hypnotisiertes Kaninchen ansehen müssen und musste stark bleiben. Der innere Berg wuchs und das Tal fühlte sich sehr tief und dunkel an.
Ich packte mir eine Tablette gegen die Kopfschmerzen, Obst, den selbst zusammengerührten Joghurt und Vollkornbrot ein, dabei tat ich mir selber unheimlich leid. Düstere Gedanken begleiteten mich auf dem Weg ins Büro, die Mitfahrer in der Bahn nervten mich durch ihre bloße Anwesenheit und das bevorstehende Meeting wurde in meinem Kopf zu einem echten Horror-Szenario, besonders die Besprechungssüßigkeiten fingen an, ein Eigenleben als kleine kichernde Monster in meinem Innern zu entwickeln. Absurderweise mögen die meisten Bürokollegen diese Sorte Kekse noch nicht einmal. Es ist ein interessantes Phänomen, dass die Teller nach der Besprechung oft leer sind, aber das nur als Beobachtung nebenbei.
Im Büro angekommen kochte ich mir einen Kräutertee, stellte ein imaginäres Stop-Schild für negative Gedanken in meinem Kopf auf und nahm mir vor, heute besonders viel Wasser wegen der Kopfschmerzen zu trinken. Einen Schritt nach dem anderen, sagte ich mir selbst, jetzt erst einmal die anderen Dinge erledigen, bevor das Meeting nachher startet. Auf dem Weg in die Küche zum Wasserkocher traf ich meine Lieblingskollegin, das baute mich auf. Sie erzählte mir eine nette Geschichte von ihrem letzten Wochenende, die mich von meinem Selbstmitleid und den Kopfschmerzen ablenkte. Ablenkung war das Stichwort, ich würde versuchen, mich bei der Besprechung von den Süßigkeiten abzulenken. Die voraussehbar teilweise sinnlosen Beiträge von einigen Personen zu bestimmten Themen würde ich mit Abstand und Humor betrachten. Ich könnte einen Platz am weitesten entfernt von dem Süßigkeiten-Teller einnehmen. Das war ein guter Plan!
Jetzt – heute Abend zu Hause – betrachtet, hat es einigermaßen funktioniert. Nachdem ich meine Kollegin morgens getroffen hatte, habe ich wirklich eine Sache nach der anderen erledigt, was das ständige innere Kreisen um Süßigkeiten unterbrochen hat. Das Meeting lief wie erwartet mit viel - aus meiner Sicht – sinnlosem Gerede, weil die beteiligten Personen im Grunde kein Interesse daran hatten, irgendwelche Dinge nachhaltig zu verändern. Also würde sich alles weiter drehen und weitere Besprechungen mit Süßigkeiten-Tellern folgen, ein wahrscheinlich endloser Kreislauf an Zeitverschwendung, zumindest was dieses Thema betraf. Die Kunst besteht meiner Meinung nach darin, die Dinge, die man nicht ändern kann, zu akzeptieren. Manchmal passieren mit dieser inneren Haltung interessante, unerwartete Wendungen. Wichtig für mich ist, dass mich solche Umstände nicht von meinen ureigensten Vorsätzen abhalten, damit würde ich ihnen zu viel Macht einräumen.
Über Stimmungsschwankungen bei Zuckerentzug habe ich gelesen, Kopfschmerzen treten ebenfalls bei vielen, die den Zuckerkonsum reduzieren, auf. Also war es in diesem Sinne ein normaler Tag.
Ohne Kopfschmerzen, die sich im Laufe des Tages verabschiedet hatten, ist so eine differenzierte Betrachtung möglich. Innerlich angespannt, weil ich meinem gewohnten Nasch-Ablenkungsmanöver nicht nachgeben wollte, ist es sehr kräftezehrend, alles mit Abstand und Gelassenheit zu betrachten, aber ich habe es geschafft, die Kekse den anderen zu überlassen. Darauf bin ich verdammt stolz! Hier sind noch ein paar Ideen für Ablenkungen, die ich mir während meiner Mittagspause aufgeschrieben habe, falls mich der gewohnte Naschimpuls überrennen möchte:
  • ein Spaziergang in der Mittagspause
  • mit unserem Hausmeister eine Runde über irgendwelchen Blödsinn lachen (hilft gegen jeden Quatsch im Büro)
  • zum Hörer greifen und kurz meine Lieblingskollegin anrufen, die mich immer aufbaut. Das praktizieren wir sowieso schon seit einiger Zeit gegenseitig. Wir haben nicht nur gemeinsame Projekte sondern motivieren uns in kniffeligen Situationen – privat und beruflich
  • tief durchatmen und mich auf meine Vorsätze konzentrieren (als Anker werde ich ab morgen in Sichtweite auf meinem Schreibtisch einen Apfel platzieren)
  • eine Verabredung abends oder am kommenden Wochenende treffen, um mir neuen Zuspruch von meinen Freunden zu holen. Der Familienangehörige zu Hause ist momentan leider keine große Unterstützung und ist eher in seinem eigenen (beruflichen) Universum unterwegs.
  • leckere, zuckerfreie Alternativen recherchieren und ausprobieren
Mal sehen, wie es weitergeht. Es ist saumäßig schwer durchzuhalten, aber ich will es unbedingt schaffen. Vielleicht ist es doch gar nicht so schlecht, dass ich so ein Sturkopf bin!“
Solche Einträge finden sich in meinem Tagebuch noch bis ca. Tag 6. Es war richtig schwierig und ich war oft kurz davor, das Experiment abzubrechen, aber der erwähnte Sturkopf hielt mich davon ab.
Hier kommt das Porridge-Rezept, was ich an Tag 3 als „Pampe“ gezeichnet habe. Ohne Kopfschmerzen und Selbstmitleid schmeckt es wirklich gut, besonders, wenn man es gewohnt ist, ein süßes Frühstück morgens zu essen.
Porridge mit Banane, Rosinen und Mandeln
Zutaten:
4 Esslöffel zarte Haferflocken
Milch oder Pflanzenmilch, z. B. Hafermilch
1 Esslöffel gehackte Mandeln
1 Banane
Rosinen, je nach Geschmack
Die Haferflocken und Mandeln in eine beschichtete Pfanne geben und ein wenig auf dem Herd anrösten, Milch oder Hafermilch dazugeben, Bananenstücke und Rosinen hinzufügen, umrühren und genießen.
Es schmeckt sehr süß und erleichtert, gerade, wenn man mit dieser Umstellung beginnt, den Start in den Tag. Seitdem sich meine Geschmacksnerven verändert haben, lasse ich z. B. die Rosinen weg, weil mir die Banane als süße Komponente vollkommen ausreicht. Das regelmäßige Essen von Haferflocken hat bei mir außerdem einen Effekt wie ein Haarwuchsmittel.
Fühlt Ihr Euch inspiriert? Ich werde gleich noch Leckerlis an unseren Kater Spike verteilen. Anschließend lese ich an diesem wunderschönen, sonnigen Tag mein Buch zu Ende, dabei werde ich meine dunkle Schokolade genießen. Angeblich ist diese Schokolade ein Baustein, um uralt zu werden. Mal sehen, ob es klappt.
Fortsetzung folgt




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