Sonntag, 28. Juni 2020

#005.5 - Sarah - Sonntagmorgen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute schreibe ich Euch Sarahs Gedanken zu Veränderungen hinsichtlich ihrer Ernährungsumstellung bis zur einer folgenreichen Entscheidung,
die ihr Leben auf den Kopf gestellt hat.
Sie wohnt im 2. Stock rechts.



Sonntagmorgen


Hallo, hier bin ich wieder, um Euch von den weiteren Entwicklungen bezüglich meiner Ernährungsumstellung zu berichten. Außerdem möchte ich heute noch weiter in die Tiefe gehen, ermutigt durch das Lesen einer Biografie, die sehr berührend ist. Ehrlich gesagt, haben mich manche Passagen zum Weinen gebracht und es hat etwas Wichtiges an die Oberfläche gespült, was ich heute mit Euch teilen möchte.
Vielleicht geht es vielen Menschen so, dass im Vorfeld zu einer großen Lebensentscheidung erst einmal ein anderer Vorsatz umgesetzt wird. Bei mir war es der Wille, meine Zuckersucht zu besiegen. Wenn sich das Vorhaben als erfolgreich erweist, wächst der Mut, weitere Schritte zu gehen und sich anderen Lebensbereichen zu widmen.
Nachdem ich das beschriebene Tal der Tränen mit schlechter Laune, Stimmungsschwankungen und Kopfschmerzen hinter mir gelassen und sogar nach kurzer Zeit meine Jeans, die sonst recht eng an meinem Körper klebte, wieder richtig gut passte, wurde ich regelrecht euphorisch. Ich hatte auf einmal unglaublich viel Energie und staunte über meine gedankliche und seelische Klarheit, die sich einstellte. Es war auf einmal so, als hätte sich ein grauer undurchsichtiger Nebel rund um mich herum aufgelöst.
Wie schon einmal angedeutet, habe ich vor knapp zwei Jahren noch ein ganz anderes Leben als heute geführt. Im Gegensatz zu meinem jetzigen eher studentisch minimalistischen Lebensstil könnte man es als „gut situiert“ beschreiben. Es passte sehr gut in das Weltbild meiner Eltern: Die Tochter, die mit einem attraktiven, klugen, erfolgreichen und netten Mann in einem hübschen Häuschen zusammen lebte, nach außen wirkte alles sehr gepflegt und harmonisch. Es gab in der Tat keine hässlichen lauten Streitgespräche oder fliegendes Geschirr hinter der Fassade des Hauses, eher einen konservierten Zustand eines höflichen Umgangs miteinander, der sich mit den Jahren eingeschlichen hatte. Leider hatten wir beide es versäumt, die Verbindung zueinander lebendig zu halten. Wir befanden uns in einer Art routiniert-freundlichen emotionalen Tiefschlafphase.
Aber es gab diesen einen Moment, der an sich absolut unspektakulär war.
In unserem Haus hatte ich ein eigenes kleines Reich, unser Gästezimmer. Wenn keine Übernachtungsgäste da waren, nutzte ich es zum träumen, Musik hören und lesen. Hier hatte ich meine Lieblingsmöbel, meinen Kleiderschrank und meine Musikanlage, nebst Lieblingsmusik, und meine Bücher. Fast alles Dinge, die ich vor dem Entschluss, mit diesem Partner zusammenzuziehen, bereits besessen hatte. Unsere Gäste lebten immer in meinem kleinen Universum, wenn sie bei uns zu Besuch waren.
Eines Sonntags morgens, mitten in der Phase meiner Ernährungsumstellung, öffnete besagter Mann die Tür zu unserem Gästezimmer und wünschte mir vom Türrahmen aus einen guten Morgen. Ich hatte meine Kaffeetasse bei mir und las gerade in einem Buch. Wie ein Blitz traf mich der Gedanke, dass ich hier so schnell wie möglich weg musste, um mich endlich wieder lebendig zu fühlen. In diesem Moment spürte ich sogar so etwas wie Atemnot.
Zwei Sekunden später kam das Fragezeichen, wie ich so etwas fühlen konnte? Alles war doch gut! Da ich über eine ausgeprägte Intuition verfüge und es schon öfter Momente in meinem Leben gab, in denen ich vermeintlich irrationale Entscheidungen gefällt habe, die sich im Nachhinein immer als der richtige Weg herausgestellt haben, schob ich das Fragezeichen dieses Mal weg. Meine innere Klarheit war beängstigend scharf gestellt.
Ich selbst hatte es oft zugelassen, dass andere – angefangen mit meinen Eltern mit den besten Absichten – darüber bestimmten, wie ich fühlen, atmen und leben sollte. Ich lief ständig den Vorstellungen anderer Menschen aus meinem Umfeld hinterher, die es nur gut mit mir meinten oder wahlweise das, was mich auszeichnet, ablehnten, oder vielleicht beides gleichzeitig? Über die Motive anderer Menschen kann ich natürlich nur spekulieren.
Oft war ich sehr angepasst und behielt mein reiches Innenleben für mich, da mir von rationalen Mitmenschen oft Ablehnung gespiegelt wurde, wenn ich meiner Phantasie, meinen Ideen und meiner ureigensten Lebenslust freien Lauf ließ. „Sarah hat mal wieder ihre komischen fünf Minuten, nehmt sie nicht so ernst, sie beruhigt schon wieder“, war eine der Aussagen über mich.
Andererseits gibt es Freundinnen und Freunde, die genau das an mir schätzen und mit denen ich sehr intensive Momente erlebt hatte. Das waren die Erlebnisse, an die ich mich wahrscheinlich als uralte Oma erinnern werde, wenn alles Alltägliche verblasst ist. Also, Leute, was ist wirklich wichtig im Leben? Die Tatsache, meistens geputzte Fenster vorweisen zu können oder die verrückte Party mit der Vernissage-Deko in einer leerstehenden Wohnung, die eine Freundin von mir seinerzeit nutzen durfte? Die Freundin und ich hatten uns glitzernde Kleider aus einem Second-Hand-Laden besorgt und die Wohnung mit allerlei bunten "Kunstwerken" auf mit Papiertischdecken beklebten Wänden dekoriert. Die Party und Stimmung waren großartig. Wahrscheinlich berichte ich später meinen Mitbewohnern im Altenheim von der tanzenden Plastikblume mit Sonnenbrille, die wir ebenfalls als Deko verwendet haben, und dem Bekannten meiner Freundin, der sich damals in mich oder mein Glitzerkleid (?) verliebt hat. Kleine Randnotiz: Wir wurden im Endeffekt  kein Paar, er konnte sich schlecht zwischen vielen möglichen Kandidatinnen entscheiden.   
Mittlerweile glaube ich, dass authentisch lebende Menschen oft abgelehnt werden, weil sie andere daran erinnern, dass ausschließliche Anpassung an das, was die meisten Menschen tun, nicht glücklich macht. Die Verantwortung für alles in die eigenen Hände zu nehmen, ist sehr schwierig und anstrengend. Wobei ich nicht behaupte, perfekt auf diesem Gebiet zu sein, aber viel bewusster als noch vor ein paar Jahren. Mein Anspruch ist, anderen mit meiner Art zu leben nicht auf die Nerven zu gehen oder einzuengen, ansonsten gilt für mich das Motto: Leben und leben lassen, nicht bewerten sondern beobachten.
Interessanterweise fügt sich bei mir nach „Herzensentscheidungen“ immer alles richtig zusammen. Es wurde mir eine Wohnung angeboten, genau die, in der ich aktuell in der Nachbarschaft mit unserem Kater Spike lebe. Die Wohnung ist perfekt für mich und fühle mich so unglaublich befreit und glücklich hier. Natürlich gab und gibt es Momente des Zweifelns und der Angst, aber Herzensentscheidungen stehen darüber. Zeitweise dachte ich sogar, dass mein damaliger Partner und ich vielleicht wieder zueinander finden, wenn wir räumlich getrennt wohnen. Das hat sich aber nicht ergeben.
Wie ich den Umzug erlebt habe, schreibe ich Euch ein anderes Mal. Beim nächsten Beitrag füge ich auch wieder ein zuckerfreies Rezept ein. Heute war mir wichtig, diese Episode zu erzählen, die ein wichtiger Meilenstein für mich ist.
Gleich werde ich die Biografie zu Ende lesen, die mich inspiriert hat, diese Zeilen zu schreiben. Vielen Dank an alle Autorinnen und Autoren, die ihre tiefsten Gedanken aufschreiben und die Leserschaft draußen in ihre innere Welt einladen.

Fortsetzung folgt
Anmerkung der Autorin:
Was haltet ihr von intuitivem Handeln? Habt Ihr auch diesen inneren Kompass, der sich nie irrt? Heute sagte mir meine innere Stimme, dass dieser Text wichtiger sei als alles andere, was ich eigentlich heute geplant hatte. :-)
PS Draußen gibt es gerade einen kleinen „Wetterweltuntergang“. Es war eine gute Entscheidung, statt draußen herum zu laufen, den Sonntagnachmittag mit Schreiben zu verbringen.





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