#004.4 - Marie und ein stiller Ostermorgen
Dies ist das Zuhause der
Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)
meiner Geschichten. :-)
Heute schreibe ich Euch
ein paar Gedanken von Marie zum Osterfest auf.
Sie wohnt im Dachgeschoss oben links.
Sie wohnt im Dachgeschoss oben links.
Stille Ostern in
besonderen Zeiten
Dieses Jahr an Ostern
stand gefühlt die Welt still. Am Abend zuvor gab es keine
Osterfeuer, keine Staus auf den Autobahnen, weil die Leute einfach zu
Hause waren, keine Hektik und alles Unwesentliche war auf ein Minimum
zusammengeschrumpft. Das Besondere daran war, dass es fast die ganze
Welt betraf, zumindest der Umstand, dass alles anders war. Es gab
nach wie vor Länder, die von diktatorischen Führungen regiert
wurden, die das bis jetzt wenig erforschte Virus leugneten, die
daraus resultierende Erkrankung mit einer Art Grippe gleichsetzten
und laut „weiter so wie immer“ schrien. Das alte, eingefahrene
Denken war durchaus noch stark präsent und kämpfte mit aller Macht
um das Überleben, aber neue Ideen, das Leben zu gestalten, nahmen
konkretere Formen an und traten verstärkt in das Bewusstsein der
Menschen. Das Wesentliche war sichtbar geworden.
Man könnte sagen, die
meisten Menschen lebten momentan wie der alte Kater Spike: Sie waren
in ihrem vertrauten Lebensraum unterwegs, aßen, schliefen, genossen
die kleinen netten Gesten zwischendurch und ein entspanntes Verweilen
auf einer sonnigen Bank und hörten dabei den zwitschernden Vögeln
zu.
Marie wachte sehr früh
auf und Christian schlief noch. Sie stand leise auf, um ihn nicht zu
wecken. Leise ging sie in die Küche und nahm das Espresso-Kännchen,
das sie einmal auf einem Flohmarkt gekauft hatte, von der
Fensterbank. Immer, wenn sie es benutzte, kochte sie sich einen
„entschleunigten“ Kaffee für die italienischen Momente im Leben,
wie sie es selbst nannte. Es brauchte mehr Aufmerksamkeit und Zeit,
bis das dampfende Getränk in der Tasse war. Sie stellte den kleinen
Milchtopf mit Milch neben das Espresso-Kännchen auf die Herdplatte
und schaute dann aus dem Fenster. Draußen sangen die Vögel und es
war so unglaublich friedlich.
Marie hatte ein
Geheimnis, was sie bis jetzt mit sehr wenigen Menschen geteilt hatte.
Sie rechnete: Vor 18 Jahren, als sie noch woanders gelebt hatte, gab
es ein Osterfest mit Ereignissen, die so einschneidend waren, dass
sie danach beschlossen hatte, jedes Jahr Ostern wie einen zweiten
Geburtstag zu begehen, zumindest für sich selbst. Vielleicht einer
höheren Macht, Zufall oder anderen nicht greifbaren Umständen
verdankte sie es, noch auf dieser Welt zu sein. „Das heißt, heute
werde ich 18 Jahre alt und ich bin jetzt volljährig“, dachte
Marie. Ihr nächster Gedanke war, ein süßes, prickelndes
Mädchengetränk, Erdbeer Prosecco oder Hugo, mit Freundinnen zu
trinken und dann Pläne für das Erwachsenenleben zu schmieden,
inklusive großer Liebe, Traumberufen, Reisen und tollen Orten, wo
man leben konnte, wenn man endlich seinen Schulabschluss in der
Tasche hatte. Marie lächelte ein wenig bei diesen Gedanken.
Auf dem Herd war jetzt
Bewegung in die italienische Art der Kaffeezubereitung gekommen, erst
ein leichtes Rauschen, anschließendes Blubbern und dann köstlicher
Kaffeegeruch in der Küche verriet, dass dieses Wunderwerk aus Metall
sein Ergebnis vollbracht hatte. Die Milch war ebenfalls erwärmt.
Marie holte ihre riesige Tasse mit dem Tupfenmuster aus dem Schrank.
„Mein Geschirr passt auf jeden Fall zu einer 18-Jährigen“,
dachte sie. Mit dem kleinen Mixer schäumte sie die Milch auf und
fertig war der perfekte Ostermorgen-Kaffee.
„Was wünsche ich mir
denn für mein neues Lebensjahr?“ fragte sich Marie, während sie
die aufgeschäumte Milch mit dem Kaffee vorsichtig verrührte, „ein
anderes Miteinander wäre schön, weniger Einsatz von Ellenbogen und
mehr Zusammenarbeit. Mehr Respekt vor der Natur, weniger Konsum und
viel Liebe natürlich. Das liegt ja alles gerade in der Luft.“
Im Zusammenhang mit dem
Thema Liebe dachte sie, dass Christian erst in ihr Leben getreten
war, als sie mit ihrem Beruf, ihren Hobbys und ihrem Freundeskreis
komplett zufrieden und erfüllt war. Christian war im übertragenen
Sinne das Tüpfelchen auf dem „I“ oder die Kirsche auf ihrer
eigenen „Lebens“-Sahnetorte, was eine völlig neue Dimension von
Glück eröffnete. Jeder durfte so sein, wie er oder sie war, ohne
Ansprüche oder gegenseitige Erwartungshaltungen.
„Diese Erkenntnis hat
man mit 18 Jahren wahrscheinlich noch nicht“, dachte Marie, „von
daher ist es ganz gut, dass ich real schon etwas älter bin. Ich weiß
natürlich auch, dass eine Reise nach Australien oder ein Leben in
der Toskana nicht eine Garantie für Glück sind. Glück ist
ortsunabhängig. Noch eine wichtige Erkenntnis, die feiernde
18-Jährige mit Erdbeer Prosecco in den Händen wahrscheinlich nicht
haben.“ Marie überlegte, ob es an dem Osterfest oder an der
besonderen Weltstimmung lag, dass ihr diese Gedanken durch den Kopf
gingen, wahrscheinlich an beidem. Es fühlte sich gut an, dass sie
die Leichtigkeit der 18-Jährigen, kombiniert mit den Erkenntnissen
ihres echten Alters, tief und lebendig in sich selbst spüren konnte.
„Guten Morgen und frohe
Ostern“, Christian stand im Türrahmen ihrer Küche und sah sie
etwas verschlafen und sehr liebevoll an. „Frohe Ostern! Habe ich
Dir schon gesagt, dass ich glücklich bin, dass es dich gibt?“
antwortete Marie und freute sich auf alles, was noch kommen würde.
Fortsetzung folgt
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