#003.3 - Hannah - Ich bin anders
(Die Welt eines
hochsensiblen Kindes)
Dies ist das Zuhause der
Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)
meiner Geschichten. :-)
Heute kommt wieder Hannah
zu Wort. Sie ist 11 Jahre alt
und wohnt im Erdgeschoss.
und wohnt im Erdgeschoss.
Ich bin anders und das
ist gut so
„Anna, hast du nachher
Zeit?“, frage ich meine Freundin am Telefon, „dann komme ich in
einer halben Stunde bei dir vorbei.“ „Ist alles in Ordnung?“
antwortet sie mir. Es rauscht in der Leitung. „Es ist alles okay,
ich möchte dir nur etwas erzählen“, sage ich, „bis gleich!“
Ich sage meiner Mutter
Bescheid, dass ich kurz weg bin, schnappe mir mein Fahrrad und fahre
los. „Hallo Spike“, begrüße ich den Kater, der neben der
Haustür liegt und entspannt beobachtet, was um ihn herum passiert.
Anna wohnt nicht weit
entfernt. Sie wohnt mit ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester in
einem Einzelhaus mit Garten. Ich bin immer sehr gern dort. „Hallo
Hannah“, begrüßt mich Annas Mutter an der Haustür. „Hallo, ist
Anna oben?“, frage ich. „Ja“, sagt sie und lässt mich vorbei.
„Jetzt bin ich aber
gespannt“, sagt Anna zur Begrüßung.
„Frau Müller möchte
mit meinen Eltern über meine besondere Begabung sprechen“, falle
ich mit der Tür ins Haus.
„Welche Begabung meint
sie?“ fragt Anna, „Manchmal bist du zwar ein bisschen verträumt
und abwesend, aber ansonsten ganz normal finde ich.“
„Frau Müller meint,
dass ich hochsensibel bin. Sie hat mir auch ein Buch zu diesem Thema
gegeben.“ Anna sieht mich mit großen Augen an.
„Ich nehme wohl mehr
wahr als andere und bin deshalb oft so müde, weil es soviel ist“,
erkläre ich ihr, „das Gute daran ist, dass ich mehr mitbekomme,
auch manchmal Dinge, die eigentlich nicht sichtbar sind. Ich spüre,
wie andere sich fühlen, ob sie Streit haben oder ob gerade etwas
sehr Schönes passiert.“
Nachdenklich sieht mich
Anna an. „Du hast Recht“, sagt sie, „mir ist das bei dir auch
schon aufgefallen. Meistens weißt du, wie es mir geht. Das fand ich
manchmal unheimlich. Man kann dir echt nichts vormachen.“ Da kann
ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.“Wolltest du deshalb mitten in
der Kinovorstellung bei meiner letzten Geburtstagsfeier unbedingt
nach Hause, weil bei dem Film soviel los war?“ Anna sieht mich an.
Diese Anekdote ist mir ein bisschen peinlich, ehrlich gesagt. Ich bin
wirklich nach Hause gefahren, weil ich die Lautstärke, die schrillen
Bilder und die ganzen Menschen mit Popcorn und Eis einfach nicht mehr
ausgehalten habe. Anna hatte mich später gefragt, ob sie etwas
falsch gemacht hat. Das habe ich natürlich verneint und gemurmelt,
dass ich Bauchweh hatte. „Ich hatte kein Bauchweh an dem
Nachmittag, es war mir einfach alles zu viel“, muss ich heute
zugeben. „Ach so“, sagt Anna.
„Meinst du, ich sollte
meinen Eltern die Telefonnummer von Frau Müller geben? Sie will mit
meinen Eltern darüber sprechen.“ „Na klar“, sagt Anna, „ es
doch keine Krankheit, oder?“ „Nein, nach dem Buch überhaupt
nicht. Es ist eine Eigenschaft, die man nicht ändern kann, so
ähnlich wie die Augenfarbe“, erkläre ich ihr.
Wir sprechen noch eine
Weile über dieses Thema und dann verabschiede ich mich.
Zu Hause gehe direkt zu
meiner Mutter in die Küche und überreiche ihr den Zettel mit der
Telefonnummer. „Was hast du angestellt?“, fragt sie mich. „Gar
nichts, Frau Müller will dir einfach etwas erzählen“, antworte
ich. „Aha.“ Das ist die einzige Reaktion.
Was die Erwachsenen
miteinander besprochen haben, weiß ich nicht. Meine Mutter sieht
mich manchmal fragend an, gibt sich aber Mühe, meine Eigenheiten
nicht mehr allzu sehr zu kritisieren. Wenn ich zum Beispiel nicht mit
ins Kino möchte, ist das neuerdings kein Problem mehr. Meistens
werde ich jetzt in Ruhe gelassen, das tut mir gut.
In der Schule habe ich
mich bei der Schreib-AG angemeldet. Die anderen sind zwar alle älter
als ich, aber es ist toll, dort unter gleichgesinnten
Geschichten-Liebhabern zu sein. Ich werde auch nicht komisch
angesehen oder ausgelacht. Beim Schulfest habe ich sogar eine meiner
Geschichten vorgelesen und dafür viel Applaus erhalten. Dabei hatte
ich sogar das Gefühl, dass meine Eltern ein bisschen stolz auf mich
sind. Leon lästert viel über mich, aber das ist mir egal.
Demnächst planen wir in
der Schreib-AG, einen Poetry Slam zu veranstalten. Einerseits freue
ich darauf, weil ich schon viele Ideen habe, was ich schreiben
könnte, andererseits möchte ich auch nicht soviel von mir zeigen.
Auf jeden Fall möchte ich aber etwas vortragen. Im Internet habe ich
mir ein paar Poeten angesehen und war richtig begeistert davon. Wer
weiß, wohin das alles führen wird.
Frau Müller unterstützt
mich und fragt mich oft, was ich so mache und wie es mir geht.
Neulich sagte sie mit einem Augenzwinkern, dass wir Hochsensiblen
zusammenhalten müssten. Sie hat Recht, finde ich.
Ende