Sonntag, 26. März 2023

#007.17 – Jessica – Frühlingsblumen

 

#007.17 – Jessica – Frühlingsblumen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
 meiner Geschichten. :-)

Heute schreibe ich Euch, wie es mit Jessica weitergeht.
Der Frühling streckt langsam seine Fühler aus.  
Sie wohnt im zweiten Stock links.

Frühlingsblumen


Die Sonne spiegelte sich in den großen Pfützen auf dem Hof, die der Kater Spike elegant umrundete. Er war auf der Suche nach einem warmen trockenen Plätzchen. Endlich hatte der tagelange Regen aufgehört. An den Büschen zeigten sich die ersten Knospen und ein paar bunte Frühblüher erfreuten die Augen wintermüder Betrachter.

Jessica hatte ihr verstaubtes Fahrrad aus dem Keller geholt und Luft in die schlappen Reifen gepumpt. Im Keller in den Tiefen einer Kiste fand sich Öl, um die Kette wieder geschmeidig zu machen. Es war Wochenende und eine anstrengende Arbeitswoche lag hinter ihr. Während der letzten Wochen, die kalt und trostlos gewesen waren, hatte sie sich in mehreren beruflichen Projekten ausgetobt und dabei viele Überstunden angesammelt, um nicht allzu viel über Flo nachdenken zu müssen. Das Ablenkungsmanöver hatte zwar funktioniert, aber trotzdem hatte sich eine tiefe Erschöpfung in ihr ausgebreitet.

Sie räumte die Fahrradpumpe und das Fläschchen Nähmaschinenöl wieder in den Keller und betrachtete anschließend das Rad, das einladend in der Sonne stand.

In Jessicas Handtasche befanden sich zwei Briefe. Endlich hatte sie die Anmeldung für die lang geplante berufliche Fortbildung ausgefüllt. Ihr Chef hatte den Bildungsurlaub schon genehmigt. Außerdem wurde in zwei Wochen ein Kochkurs in ihrer Stadt angeboten. Die Anmeldung dafür ging heute ebenfalls auf die Reise.

Mit Schwung radelte sie los, warf auf dem Weg die Briefe ein und fuhr weiter in Richtung Fußgängerzone. Die Einkaufsliste war lang.

Die Stadt war voller Menschen, einige hartgesottene saßen in Winterjacken draußen an den Tischen der Cafés und genossen ein Getränk im lang entbehrten Sonnenschein.

Jessica hatte das Gefühl, dass sie nach einer Fahrt durch einen langen dunklen Tunnel endlich wieder Tageslicht in der Ferne erkennen konnte. Zu den geplanten Einkäufen gesellte sich deshalb spontan ein Korb mit bunten Frühlingsblumen zur Balkonverschönerung.

„Hey Jessica“, rief eine Stimme hinter ihr. Sie gehörte zu ihrer Arbeitskollegin Mara. Jessica drehte sich um: „Hallo Mara.“ Mara trug einige Einkaufstaschen und eine Sonnenbrille.

„Hast du Zeit für einen Kaffee, Jessica? Diesen Monat hat gefühlt die ganze Familie Geburtstag und ich beschäftige mich eigentlich nur mit dem Geschenke-Einkauf und anschließend mit den dazugehörigen Geburtstagsfeiern“, sie deutete auf die Tüten. Jessica überlegte kurz: „Ja, Kaffee ist eine gute Idee.“

Sie fanden einen freien Tisch in einem Café in einer Seitenstraße der Fußgängerzone. Kaffeeduft und Stimmengewirr lagen in der Luft. Zehn Minuten später standen zwei Kaffeetassen auf dem Tisch, darunter verteilten sich kreuz und quer die vielfältigen Einkäufe der beiden Frauen, inklusive der Korb mit den Frühlingsblumen.

„Wie geht es eigentlich Flo?“, Mara rührte in ihrem Kaffee.

„Keine Ahnung, wir haben seit kurzem keinen Kontakt mehr. Ich war zu unschlüssig und Flo hatte die Nase voll davon.“

„Oh, das tut mir leid. Mir ist aufgefallen, dass du irgendwie traurig bist, aber ich wollte nicht nachbohren.“

„Das ist okay, Mara. Ich musste erstmal selbst damit klarkommen. Florians Reaktion auf mein ewiges Hin und Her ist absolut verständlich gewesen, trotzdem war ich traurig. Gerade heute habe ich das Gefühl, dass es wieder aufwärts geht.“

Mara nickte: „Ich verstehe, manchmal kann man einfach nicht aus seiner Haut. Vielleicht war es bei dir zu früh für eine neue Beziehung?“

„Wahrscheinlich. Für die Fortbildung, die unser Chef genehmigt hatte, habe ich mich angemeldet und in zwei Wochen mache ich einen Kochkurs. Außerdem entrümple ich seit einiger Zeit meine Wohnung. Das hat vieles ans Tageslicht befördert, was ich verdrängt hatte. Es ist gleichzeitig befreiend und anstrengend. Und ich bin stolz auf mich, dass viele Bereiche erledigt sind und ich in letzter Zeit drangeblieben bin. Das feiere ich richtig.“

Mara grinste: „Vielleicht solltest du demnächst einen kleinen Wochenend-Urlaub buchen, richtig ausschlafen, dir eine Massage gönnen und es dir richtig gut gehen lassen.“

„Das ist eine gute Idee. Der Mensch lebt ja nicht nur, um zu arbeiten. Und wenn ich richtig überlege, fehlt zu Hause bei der Entrümpelungsaktion nur noch ein großes Bücherregal im Wohnzimmer und der Keller… oh je. Der ist leider richtig vollgestellt.“

„Wie wäre es, wenn du dich dieses Wochenende um dein Bücherregal kümmerst und anschließend den kleinen Urlaub buchst? Den Keller nimmst du dir vor, wenn du wieder da bist. Das Gerümpel läuft nicht weg.“

„Genauso werde ich es machen, danke Mara.“

Mara winkte der Kellnerin zu: „Ich lade dich ein und du berichtest am Montag, ob du mit dem Regal fertig geworden bist und wohin du demnächst fahren wirst, um deine Batterien wieder aufzuladen.“

Jessica lächelte: „Danke, nichts geht über die beste Arbeitskollegin auf diesem Planeten.“

Sie fühlte sich auf einmal beschwingt. Ein Mann, der zwei Tische entfernt von ihnen saß, lächelte sie an. Sie lächelte zurück, während Mara die Rechnung bezahlte. Draußen verabschiedeten sie sich. „Bis Montag und danke für den Kaffee und den guten Rat, Mara.“ „Gern geschehen, drücke die Daumen, dass der Familienkaffeeklatsch heute Nachmittag nicht so langweilig wird.“

Jessica winkte und fuhr nach Hause. Die Luft roch nach Frühling, die Vögel zwitscherten und das Gefühl bleierner Schwere löste sich in ihrem Inneren auf. Das Leben war wunderschön und voller Möglichkeiten.

Brian Culbertson: Back in the day & so good

Fortsetzung folgt 


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