#004.13 – Marie – Melancholie
Dies ist das Zuhause der
Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)
Heute schreibe ich Euch
aus der Perspektive von Marie, wie
sich der zweite zähe Lockdown
im Winter anfühlt.
Sie wohnt im Dachgeschoss links.
Melancholie
Der Mond schien durch den Spalt der Jalousie. Es war still draußen. Nur Spike, der Kater, war noch unterwegs und lief auf leisen Pfoten über den Rasen.
Es war Feierabend und Marie hatte sogar vorhin ihr Fahrrad aus dem Keller geholt, um damit zum naheliegenden Supermarkt zu fahren. In den letzten Wochen hatte das Rad unbenutzt im Fahrradkeller gestanden, Reifendruck verloren und vom Frühling geträumt.
Nach der kalten ausklingenden Winterphase hatte plötzlich ein Hauch von Frühling Einzug gehalten. Nachbarn unterhielten auf dem Grundstück wieder ausgiebiger miteinander – natürlich in dem gebotenen Corona-Abstand – und tauschten sich über Banalitäten oder wahlweise die Weltlage aus.
Marie hatte die Sonnenstrahlen auf dem Weg zum Supermarkt genossen und beim abendlichen Abwasch schnulzige Soulmusik gehört. Eine Welle der Melancholie schwappte in ihr Gemüt. Das Album des Künstlers hatte sie schon lange nicht mehr gehört und es berührte sie jedes Mal, egal wie oft die Songs schon an ihr Ohr gedrungen waren.
Sie dachte an ein Buch, was sie einmal gelesen hatte. Darin wurde unter anderem eine Frau beschrieben, die nicht gut sehen konnte, aber durch eine OP wieder mehr Sehkraft erlangt hatte. Diese Frau genoss jeden Abwasch, weil sie sich an dem bunten Seifenschaum erfreute, den sie nun endlich richtig erkennen konnte. Marie ging diese kleine Schilderung unter die Haut, zeigte diese Geschichte doch, wie wenig die meisten Menschen im Gegensatz zu der Heldin der Seifenblasen die kleinen Wunder des Alltags beachteten.
Durch den andauernden Lockdown bestand das Leben aus sehr viel grauem Alltag – vermeintlich ohne Wunder, Anregungen und Erlebnisse.
Maries Telefon brummte. Es war ihre beste Freundin.
„Hey, Marie, wie geht’s? Sehen wir uns nächstes Wochenende? Wir könnten spazieren gehen.“
„Ja, gerne. Ich hänge gerade ein bisschen durch. Wenn es so warm bleibt, könnten wir eine Art Picknick mit einer Thermoskanne Kaffee und paar Sachen zum Knabbern machen. Aber eigentlich hätte ich mehr Lust, mit Dir ins Kino zu gehen und anschließend einen Wein in unserer Lieblingskneipe zu trinken. Wie gesagt, ich bin gerade ein wenig melancholisch.“
„Das kann ich verstehen. Mir geht es ähnlich, aber es ist nicht zu ändern. Kino und Wein holen wir nach.“
„Du hast ja Recht. Also, lass uns einen Spaziergang machen und einen Kaffee auf einer Bank im Wald zusammen trinken“, sagte Marie und dachte wieder an die Geschichte der Frau, die sich an den Seifenblasen im Abwaschwasser erfreute, „dann sehen wir uns am Samstag Nachmittag.“
„Mache es gut und grüble nicht so viel. 'Auch das geht vorbei' sagte meine Oma immer und sie hat Recht. Bis Samstag“, mit diesen Worten verabschiedete sich die Freundin.
„Okay, Lockdown-Abendprogramm“, dachte Marie, „gleich noch Christian anrufen, dann eine Gesichtsmaske im Bad auftragen, im Bett das Hörbuch weiter hören und dabei einschlafen. Das klingt spannend wie eingeschlafene Füße.“
Auch das geht vorbei …..
Bob James Quartet "Feel like making Love" Live at Java Jazz Festival 2010
Fortsetzung folgt
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