Sonntag, 28. Juni 2020

#005.5 - Sarah - Sonntagmorgen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute schreibe ich Euch Sarahs Gedanken zu Veränderungen hinsichtlich ihrer Ernährungsumstellung bis zur einer folgenreichen Entscheidung,
die ihr Leben auf den Kopf gestellt hat.
Sie wohnt im 2. Stock rechts.



Sonntagmorgen


Hallo, hier bin ich wieder, um Euch von den weiteren Entwicklungen bezüglich meiner Ernährungsumstellung zu berichten. Außerdem möchte ich heute noch weiter in die Tiefe gehen, ermutigt durch das Lesen einer Biografie, die sehr berührend ist. Ehrlich gesagt, haben mich manche Passagen zum Weinen gebracht und es hat etwas Wichtiges an die Oberfläche gespült, was ich heute mit Euch teilen möchte.
Vielleicht geht es vielen Menschen so, dass im Vorfeld zu einer großen Lebensentscheidung erst einmal ein anderer Vorsatz umgesetzt wird. Bei mir war es der Wille, meine Zuckersucht zu besiegen. Wenn sich das Vorhaben als erfolgreich erweist, wächst der Mut, weitere Schritte zu gehen und sich anderen Lebensbereichen zu widmen.
Nachdem ich das beschriebene Tal der Tränen mit schlechter Laune, Stimmungsschwankungen und Kopfschmerzen hinter mir gelassen und sogar nach kurzer Zeit meine Jeans, die sonst recht eng an meinem Körper klebte, wieder richtig gut passte, wurde ich regelrecht euphorisch. Ich hatte auf einmal unglaublich viel Energie und staunte über meine gedankliche und seelische Klarheit, die sich einstellte. Es war auf einmal so, als hätte sich ein grauer undurchsichtiger Nebel rund um mich herum aufgelöst.
Wie schon einmal angedeutet, habe ich vor knapp zwei Jahren noch ein ganz anderes Leben als heute geführt. Im Gegensatz zu meinem jetzigen eher studentisch minimalistischen Lebensstil könnte man es als „gut situiert“ beschreiben. Es passte sehr gut in das Weltbild meiner Eltern: Die Tochter, die mit einem attraktiven, klugen, erfolgreichen und netten Mann in einem hübschen Häuschen zusammen lebte, nach außen wirkte alles sehr gepflegt und harmonisch. Es gab in der Tat keine hässlichen lauten Streitgespräche oder fliegendes Geschirr hinter der Fassade des Hauses, eher einen konservierten Zustand eines höflichen Umgangs miteinander, der sich mit den Jahren eingeschlichen hatte. Leider hatten wir beide es versäumt, die Verbindung zueinander lebendig zu halten. Wir befanden uns in einer Art routiniert-freundlichen emotionalen Tiefschlafphase.
Aber es gab diesen einen Moment, der an sich absolut unspektakulär war.
In unserem Haus hatte ich ein eigenes kleines Reich, unser Gästezimmer. Wenn keine Übernachtungsgäste da waren, nutzte ich es zum träumen, Musik hören und lesen. Hier hatte ich meine Lieblingsmöbel, meinen Kleiderschrank und meine Musikanlage, nebst Lieblingsmusik, und meine Bücher. Fast alles Dinge, die ich vor dem Entschluss, mit diesem Partner zusammenzuziehen, bereits besessen hatte. Unsere Gäste lebten immer in meinem kleinen Universum, wenn sie bei uns zu Besuch waren.
Eines Sonntags morgens, mitten in der Phase meiner Ernährungsumstellung, öffnete besagter Mann die Tür zu unserem Gästezimmer und wünschte mir vom Türrahmen aus einen guten Morgen. Ich hatte meine Kaffeetasse bei mir und las gerade in einem Buch. Wie ein Blitz traf mich der Gedanke, dass ich hier so schnell wie möglich weg musste, um mich endlich wieder lebendig zu fühlen. In diesem Moment spürte ich sogar so etwas wie Atemnot.
Zwei Sekunden später kam das Fragezeichen, wie ich so etwas fühlen konnte? Alles war doch gut! Da ich über eine ausgeprägte Intuition verfüge und es schon öfter Momente in meinem Leben gab, in denen ich vermeintlich irrationale Entscheidungen gefällt habe, die sich im Nachhinein immer als der richtige Weg herausgestellt haben, schob ich das Fragezeichen dieses Mal weg. Meine innere Klarheit war beängstigend scharf gestellt.
Ich selbst hatte es oft zugelassen, dass andere – angefangen mit meinen Eltern mit den besten Absichten – darüber bestimmten, wie ich fühlen, atmen und leben sollte. Ich lief ständig den Vorstellungen anderer Menschen aus meinem Umfeld hinterher, die es nur gut mit mir meinten oder wahlweise das, was mich auszeichnet, ablehnten, oder vielleicht beides gleichzeitig? Über die Motive anderer Menschen kann ich natürlich nur spekulieren.
Oft war ich sehr angepasst und behielt mein reiches Innenleben für mich, da mir von rationalen Mitmenschen oft Ablehnung gespiegelt wurde, wenn ich meiner Phantasie, meinen Ideen und meiner ureigensten Lebenslust freien Lauf ließ. „Sarah hat mal wieder ihre komischen fünf Minuten, nehmt sie nicht so ernst, sie beruhigt schon wieder“, war eine der Aussagen über mich.
Andererseits gibt es Freundinnen und Freunde, die genau das an mir schätzen und mit denen ich sehr intensive Momente erlebt hatte. Das waren die Erlebnisse, an die ich mich wahrscheinlich als uralte Oma erinnern werde, wenn alles Alltägliche verblasst ist. Also, Leute, was ist wirklich wichtig im Leben? Die Tatsache, meistens geputzte Fenster vorweisen zu können oder die verrückte Party mit der Vernissage-Deko in einer leerstehenden Wohnung, die eine Freundin von mir seinerzeit nutzen durfte? Die Freundin und ich hatten uns glitzernde Kleider aus einem Second-Hand-Laden besorgt und die Wohnung mit allerlei bunten "Kunstwerken" auf mit Papiertischdecken beklebten Wänden dekoriert. Die Party und Stimmung waren großartig. Wahrscheinlich berichte ich später meinen Mitbewohnern im Altenheim von der tanzenden Plastikblume mit Sonnenbrille, die wir ebenfalls als Deko verwendet haben, und dem Bekannten meiner Freundin, der sich damals in mich oder mein Glitzerkleid (?) verliebt hat. Kleine Randnotiz: Wir wurden im Endeffekt  kein Paar, er konnte sich schlecht zwischen vielen möglichen Kandidatinnen entscheiden.   
Mittlerweile glaube ich, dass authentisch lebende Menschen oft abgelehnt werden, weil sie andere daran erinnern, dass ausschließliche Anpassung an das, was die meisten Menschen tun, nicht glücklich macht. Die Verantwortung für alles in die eigenen Hände zu nehmen, ist sehr schwierig und anstrengend. Wobei ich nicht behaupte, perfekt auf diesem Gebiet zu sein, aber viel bewusster als noch vor ein paar Jahren. Mein Anspruch ist, anderen mit meiner Art zu leben nicht auf die Nerven zu gehen oder einzuengen, ansonsten gilt für mich das Motto: Leben und leben lassen, nicht bewerten sondern beobachten.
Interessanterweise fügt sich bei mir nach „Herzensentscheidungen“ immer alles richtig zusammen. Es wurde mir eine Wohnung angeboten, genau die, in der ich aktuell in der Nachbarschaft mit unserem Kater Spike lebe. Die Wohnung ist perfekt für mich und fühle mich so unglaublich befreit und glücklich hier. Natürlich gab und gibt es Momente des Zweifelns und der Angst, aber Herzensentscheidungen stehen darüber. Zeitweise dachte ich sogar, dass mein damaliger Partner und ich vielleicht wieder zueinander finden, wenn wir räumlich getrennt wohnen. Das hat sich aber nicht ergeben.
Wie ich den Umzug erlebt habe, schreibe ich Euch ein anderes Mal. Beim nächsten Beitrag füge ich auch wieder ein zuckerfreies Rezept ein. Heute war mir wichtig, diese Episode zu erzählen, die ein wichtiger Meilenstein für mich ist.
Gleich werde ich die Biografie zu Ende lesen, die mich inspiriert hat, diese Zeilen zu schreiben. Vielen Dank an alle Autorinnen und Autoren, die ihre tiefsten Gedanken aufschreiben und die Leserschaft draußen in ihre innere Welt einladen.

Fortsetzung folgt
Anmerkung der Autorin:
Was haltet ihr von intuitivem Handeln? Habt Ihr auch diesen inneren Kompass, der sich nie irrt? Heute sagte mir meine innere Stimme, dass dieser Text wichtiger sei als alles andere, was ich eigentlich heute geplant hatte. :-)
PS Draußen gibt es gerade einen kleinen „Wetterweltuntergang“. Es war eine gute Entscheidung, statt draußen herum zu laufen, den Sonntagnachmittag mit Schreiben zu verbringen.





Sonntag, 7. Juni 2020

#005.4 – Sarah – Humor als Waffe

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Hier geht es jetzt weiter mit der Schilderung von Sarahs Weg in die Zuckerfreiheit.
Sie wohnt im 2. Stock rechts.

Humor als Waffe



Hallo Ihr Lieben, hier melde ich mich wieder mit meiner Rückblende zu meiner Ernährungsumstellung in Richtung Zuckerfreiheit.
Draußen regnet und stürmt es. Als „echte“ Norddeutsche mag ich dieses Wetter. Es ist gemütlich, dann zu Hause zu sein, Tee zu trinken und dem trommelnden Regen, der gegen die Fensterscheiben prasselt, zu lauschen. Im Gegensatz zu früher, esse ich keine Kekse zu meinem Tee, stattdessen bereite ich mir einen Obstteller vor oder esse ein bis zwei Stückchen meiner dunklen Lieblingsschokolade. Nachdem ich gestern den ganzen Tag unterwegs war und erst meine Familie zum Mittagessen im Nachbarort besucht habe und nachmittags noch mit einer guten Freundin zu einem Spaziergang verabredet war, genieße ich heute die Stille in meiner Wohnung, die Windgeräusche und den prasselnden Regen. Dabei kann ich meine Gedanken treiben lassen und nehme Euch mit auf meine „zuckerfrei“-Reise.
Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, ist der Anfang der schwierigste Teil. Das ist wohl immer so, wenn man eine „ungesunde“ Gewohnheit oder Lebensweise gehen lassen möchte. Das eingefahrene Denken spielt uns manchmal Streiche und will unbedingt zurück zu alten gewohnten Pfaden. Dazu habe ich einmal einen interessanten Vortrag eines Hirnforschers im Internet gehört, der sinngemäß lautete, dass die Gewohnheitsautobahnen im Kopf am wenigsten Energie verbrauchten, deshalb strebe der denkende Verstand immer diesen Zustand des Gewohnten an, auch wenn einem anderen Teil von uns bewusst sei, dass diese Gewohnheit oder was es auch immer sei, uns nicht gut tue. 
Dieses Wissen hilft mir mittlerweile, auch in anderen Bereichen meines Lebens Neuland zu betreten. Ich gehe für mich selbst sogar so weit, dass ich immer, wenn meine Gedanken bei neuen Vorhaben rebellieren, fest davon überzeugt bin, dass ich in diesem Moment am richtigen Ort bin oder das Richtige tue. Ich habe mich einfach nur von meiner Komfortzone entfernt und befinde mich in der Lernzone, die mein Gehirn ein wenig ausrasten lässt. Was nicht heißt, dass ich zu jeder Zeit perfekt darin bin. In müden oder abgespannten Phasen klappt das Durchhalten oder Weitergehen natürlich nicht immer. Aber wie bei dem Zuckerfrei-Experiment bleibe ich mir selbst gegenüber freundlich und nachsichtig und nehme den Faden später wieder auf, wenn ich mich wieder dazu in der Lage fühle.
Im Tal der Tränen habe ich für mich kleine Hilfen entwickelt um durchzuhalten. Beispielweise hilft Humor gegen destruktive Gedanken. Es ist prima, wenn es humorvolle Menschen und Situationen im Umfeld gibt, die diese negativen Gedankennebelwolken vertreiben können. Es gibt eine Geschichte, die ich erlebt habe, während ich das Tal der Tränen durchwanderte, die mich immer noch sehr zum Schmunzeln bringt. Hier ist wieder ein Eintrag aus meinem Tagebuch:
Tag 5 – der kleine Vogel auf dem Gehweg
Heute ist schon Tag 5. Ich bin sehr wackelig und unsicher, ob ich meinen Vorsatz durchziehen kann. Es kommt mir unglaublich lang vor, dass ich dieses Experiment noch über zwei Wochen durchhalten (muss?). Das Wort in Klammern hat mir mein Sturkopf diktiert, der meistens die Oberhand hat. Auch heute morgen bin ich mit schlechter Laune aufgewacht, das kenne ich schon aus den letzten Tagen. Selbstmitleid will immer wieder nach draußen und sich so richtig im Jammertal suhlen: Nie wieder Süßes, das Leben ist farb- und freudlos, hat keinen Glanz ohne Schokokugeln mit zartschmelzender Füllung oder süßen Käsekuchen mit Mandarinen.
In genau dieser Stimmung fuhr ich dann ins Büro. Ich hatte außerdem wieder leichte Kopfschmerzen und auf meinem Schreibtisch lagen diverse Vorgänge, die mich einfach nur nervten. Während ich schlechtgelaunt vor mich hin arbeitete (zum Glück war heute niemand in der Nähe, den ich damit mental herunterziehen konnte) öffnete sich meine Bürotür und unser wunderbarer Hausmeister stand im Türrahmen. 
„Auf dem Gehweg draußen liegt ein Vogelbaby, es ist wohl aus dem Nest geweht. Hast Du eine Idee, wie wir es retten können?“ Wohlgemerkt, es handelte sich nicht um ein vierjähriges Kindergartenkind sondern um einen erwachsenen Mann. Meine schlechte Laune war auf einen Schlag verschwunden. Zusammen mit ihm und einer anderen Kollegin gingen wir zu dem Vogelbaby nach draußen. Der Hausmeister telefonierte mit dem Tierheim. Laut Aussage der Tierexperten mussten wir es schaffen, den kleinen Vogel in einem Karton über die Straße zu tragen und dort unter dem Baum mit dem Vogelnest auf dem Rasen abzulegen. Es bestünde eine Chance, dass die Vogeleltern es auf dem Boden füttern würden. 
Die Absurdität dieser Situation hatte eine unglaubliche Komik. Es gelang uns wirklich den Vogel über die Straße zu bringen, weg fliegen konnte er ja noch nicht. Ich dachte an Katzen, die es bestimmt toll fänden, so eine leichte Beute zu erwischen und daran, dass drei erwachsene Menschen während ihrer Arbeitszeit ein Vogelbaby retteten. Andererseits im Nachhinein betrachtet, falls der Vogel überlebt haben sollte, was ich leider nicht weiß, war die Rettung sinnvoller als die Erstellung meiner langweiligen Tabelle, deren Daten sich sowieso ständig änderten. Das war eine herrliche Ablenkung von meinen ständig kreisenden dunklen Gedanken an Süßigkeiten. Unser Hausmeister, meine Kollegin und ich konnten herzlich über unsere Aktion und uns selbst lachen. Wer weiß, vielleicht hat der kleine Vogel wirklich überlebt, dank unseres heldenhaften Einsatzes.“
Hätte auf unserem Grundstück ein piepsendes Vogelbaby gehockt, der alte Kater Spike hätte sich diese Beute nicht entgehen lassen, da bin ich mir sicher. Vielleicht hätte er es ins Treppenhaus getragen und dem nächsten Nachbarn, der ihm ein Leckerli anbieten würde, als „Geschenk“ überreicht.
Jetzt wartet noch mein Mittagessen auf mich. Es ist sehr empfehlenswert, wenn man auf seine Ernährung achten möchte und so wie ich gerne Pasta isst, die Vollkornvariante zu wählen. Hier ist ein Rezept für ein schnelles, leckeres Mittagessen für einen verregneten Tag zu Hause. Diese Zutaten habe ich meistens im Kühl- bzw. Vorratsschrank:
Pasta mit Gemüse
Vollkornnudeln
Gemüse, z. B. Zuchini, Brokkoli, Möhren
Sahne (oder eine pflanzliche Alternative)
Tomatenmark, je nach Geschmack
Rapsöl zum Anbraten
Kräuter und Gewürze
Vollkornnudeln kochen, das Gemüse waschen und schneiden und in einer Pfanne anbraten, Sahne oder die pflanzliche Alternative zu dem Gemüse geben, etwas Tomatenmark dazugeben, die Soße mit Kräutern und Gewürzen abschmecken und ein wenig köcheln lassen.
Die Kochzeit beträgt ungefähr 10 – 15 Minuten.
Vom Zeitaufwand her entspricht es der Zubereitungszeit einer Tiefkühlpizza und ich kann es mir schnell wieder auf dem Sofa bequem machen und weiter den Wind in den Bäumen beobachten.
Ab Tag 6 begann mein damaliger Aufstieg in Richtung Gipfel, nach dem steinigen Weg aus schlechter Laune, Kopfschmerzen und den inneren Jammertiraden.


Fortsetzung folgt
Anmerkung der Autorin: Vielen Dank für das motivierende Feedback per Mail :-)



Montag, 1. Juni 2020

#005.3 Sarah - Das Tal der Tränen

#005.3 Sarah - Das Tal der Tränen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute schreibe ich Euch die weitere Entwicklung des zuckerfrei-Experimentes von Sarah.
Sie wohnt im zweiten Stock rechts. 

Das Tal der Tränen



Hallo, da bin ich wieder und berichte Euch, wie es mit meinem Ernährungsexperiment „drei Wochen ohne Zucker“ weiterging.
Zumindest was mich betrifft, halte ich Zucker wirklich für eine Art Droge, weil es echte Entzugserscheinungen gab. Die ersten zwei Tage war ich noch sehr bewusst und motiviert, danach begann das Tal der Tränen. Im Rückblick bin ich sehr froh, dass ich es durchgehalten habe, trotz enormer Stimmungsschwankungen und Kopfschmerzen. Ein kleiner Tipp für Euch, wenn ihr eine schlechte Gewohnheit loswerden wollt: Ablenkung hilft, ansonsten kreist diese eine Sache ständig im Kopf, die ihr aus Eurem Leben verbannen wollt.
Während ich diese Zeilen schreibe, scheint draußen die Sonne. Ich genieße ein langes Wochenende mit Feiertag. Gestern hatte ich Besuch zu einem späten gemütlichen Frühstück. Im Vergleich zu der Zeit vor meiner Ernährungsumstellung stehen heutzutage andere Dinge auf meinem Frühstückstisch. Meine Freunde akzeptieren es, dass ich keine Marmelade mehr kaufe, statt dessen gibt es z. B. frischen Obstsalat und leckeren Käse von der Käsetheke. Manchmal bereite ich Pfannkuchen oder Waffeln aus einem Teig mit pürierten Bananen zu, dazu gibt es selbst hergestelltes Apfelkompott ohne Zuckerzusatz. Niemand, der mich besucht, scheint etwas zu vermissen. Im Gegenteil, es gab – auch auf Rückfragen – stets ein positives Feedback. 

Wenn allerdings jemand zur Kaffeezeit vorbeikommt, habe ich natürlich in meiner Naschkiste normale Süßigkeiten, neben der Schokolade mit 85 bis 90 Prozent Kakao-Anteil, die ich gerne esse. Nach fast zwei Jahren habe ich kein Bedürfnis danach, die üblichen Süßigkeiten selbst zu essen, sie können wochenlang in der geblümten Dose liegen, ohne dass ich einen Gedanken daran verschwende. Hätte mir jemand das erzählt, als ich mit der Umstellung angefangen habe, hätte ich dieser Person kein Wort geglaubt. Wie ich mein soziales Leben zuckerfrei organisiere und welche Entwicklung sich in dieser Hinsicht vollzogen hat, berichte ich zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher.
Hier ist wieder ein Auszug aus meinem Tagebuch von damals. In diesem Auszug geht es um die zum Glück kurze Phase des fast Durchdrehens:
Tag 3 – ich bin am Ende ….
Nachdem ich den Tag gestern gut gemeistert habe und schon zeitweise dachte, so schwer sei diese Ernährungsumstellung doch gar nicht, ist heute das innere Chaos ausgebrochen.
Es fing damit an, dass ich mit Kopfschmerzen aufwachte. Das kommt bei mir sehr selten vor. Es pochte und dröhnte in meinem Kopf, ich konnte nicht wirklich klar denken. Dazu kam ein enormes Selbstmitleid: Kein Marmeladen-Toast zum Frühstück sondern Porridge-Pampe und vor mir ein herausfordernder Arbeitstag. Auf der Agenda stand unter anderem ein wahrscheinlich anstrengendes Meeting, natürlich mit den üblichen Besprechungskeksen auf dem Tisch, die ich nicht anrühren wollte. Ich würde sie gefühlt stundenlang wie ein hypnotisiertes Kaninchen ansehen müssen und musste stark bleiben. Der innere Berg wuchs und das Tal fühlte sich sehr tief und dunkel an.
Ich packte mir eine Tablette gegen die Kopfschmerzen, Obst, den selbst zusammengerührten Joghurt und Vollkornbrot ein, dabei tat ich mir selber unheimlich leid. Düstere Gedanken begleiteten mich auf dem Weg ins Büro, die Mitfahrer in der Bahn nervten mich durch ihre bloße Anwesenheit und das bevorstehende Meeting wurde in meinem Kopf zu einem echten Horror-Szenario, besonders die Besprechungssüßigkeiten fingen an, ein Eigenleben als kleine kichernde Monster in meinem Innern zu entwickeln. Absurderweise mögen die meisten Bürokollegen diese Sorte Kekse noch nicht einmal. Es ist ein interessantes Phänomen, dass die Teller nach der Besprechung oft leer sind, aber das nur als Beobachtung nebenbei.
Im Büro angekommen kochte ich mir einen Kräutertee, stellte ein imaginäres Stop-Schild für negative Gedanken in meinem Kopf auf und nahm mir vor, heute besonders viel Wasser wegen der Kopfschmerzen zu trinken. Einen Schritt nach dem anderen, sagte ich mir selbst, jetzt erst einmal die anderen Dinge erledigen, bevor das Meeting nachher startet. Auf dem Weg in die Küche zum Wasserkocher traf ich meine Lieblingskollegin, das baute mich auf. Sie erzählte mir eine nette Geschichte von ihrem letzten Wochenende, die mich von meinem Selbstmitleid und den Kopfschmerzen ablenkte. Ablenkung war das Stichwort, ich würde versuchen, mich bei der Besprechung von den Süßigkeiten abzulenken. Die voraussehbar teilweise sinnlosen Beiträge von einigen Personen zu bestimmten Themen würde ich mit Abstand und Humor betrachten. Ich könnte einen Platz am weitesten entfernt von dem Süßigkeiten-Teller einnehmen. Das war ein guter Plan!
Jetzt – heute Abend zu Hause – betrachtet, hat es einigermaßen funktioniert. Nachdem ich meine Kollegin morgens getroffen hatte, habe ich wirklich eine Sache nach der anderen erledigt, was das ständige innere Kreisen um Süßigkeiten unterbrochen hat. Das Meeting lief wie erwartet mit viel - aus meiner Sicht – sinnlosem Gerede, weil die beteiligten Personen im Grunde kein Interesse daran hatten, irgendwelche Dinge nachhaltig zu verändern. Also würde sich alles weiter drehen und weitere Besprechungen mit Süßigkeiten-Tellern folgen, ein wahrscheinlich endloser Kreislauf an Zeitverschwendung, zumindest was dieses Thema betraf. Die Kunst besteht meiner Meinung nach darin, die Dinge, die man nicht ändern kann, zu akzeptieren. Manchmal passieren mit dieser inneren Haltung interessante, unerwartete Wendungen. Wichtig für mich ist, dass mich solche Umstände nicht von meinen ureigensten Vorsätzen abhalten, damit würde ich ihnen zu viel Macht einräumen.
Über Stimmungsschwankungen bei Zuckerentzug habe ich gelesen, Kopfschmerzen treten ebenfalls bei vielen, die den Zuckerkonsum reduzieren, auf. Also war es in diesem Sinne ein normaler Tag.
Ohne Kopfschmerzen, die sich im Laufe des Tages verabschiedet hatten, ist so eine differenzierte Betrachtung möglich. Innerlich angespannt, weil ich meinem gewohnten Nasch-Ablenkungsmanöver nicht nachgeben wollte, ist es sehr kräftezehrend, alles mit Abstand und Gelassenheit zu betrachten, aber ich habe es geschafft, die Kekse den anderen zu überlassen. Darauf bin ich verdammt stolz! Hier sind noch ein paar Ideen für Ablenkungen, die ich mir während meiner Mittagspause aufgeschrieben habe, falls mich der gewohnte Naschimpuls überrennen möchte:
  • ein Spaziergang in der Mittagspause
  • mit unserem Hausmeister eine Runde über irgendwelchen Blödsinn lachen (hilft gegen jeden Quatsch im Büro)
  • zum Hörer greifen und kurz meine Lieblingskollegin anrufen, die mich immer aufbaut. Das praktizieren wir sowieso schon seit einiger Zeit gegenseitig. Wir haben nicht nur gemeinsame Projekte sondern motivieren uns in kniffeligen Situationen – privat und beruflich
  • tief durchatmen und mich auf meine Vorsätze konzentrieren (als Anker werde ich ab morgen in Sichtweite auf meinem Schreibtisch einen Apfel platzieren)
  • eine Verabredung abends oder am kommenden Wochenende treffen, um mir neuen Zuspruch von meinen Freunden zu holen. Der Familienangehörige zu Hause ist momentan leider keine große Unterstützung und ist eher in seinem eigenen (beruflichen) Universum unterwegs.
  • leckere, zuckerfreie Alternativen recherchieren und ausprobieren
Mal sehen, wie es weitergeht. Es ist saumäßig schwer durchzuhalten, aber ich will es unbedingt schaffen. Vielleicht ist es doch gar nicht so schlecht, dass ich so ein Sturkopf bin!“
Solche Einträge finden sich in meinem Tagebuch noch bis ca. Tag 6. Es war richtig schwierig und ich war oft kurz davor, das Experiment abzubrechen, aber der erwähnte Sturkopf hielt mich davon ab.
Hier kommt das Porridge-Rezept, was ich an Tag 3 als „Pampe“ gezeichnet habe. Ohne Kopfschmerzen und Selbstmitleid schmeckt es wirklich gut, besonders, wenn man es gewohnt ist, ein süßes Frühstück morgens zu essen.
Porridge mit Banane, Rosinen und Mandeln
Zutaten:
4 Esslöffel zarte Haferflocken
Milch oder Pflanzenmilch, z. B. Hafermilch
1 Esslöffel gehackte Mandeln
1 Banane
Rosinen, je nach Geschmack
Die Haferflocken und Mandeln in eine beschichtete Pfanne geben und ein wenig auf dem Herd anrösten, Milch oder Hafermilch dazugeben, Bananenstücke und Rosinen hinzufügen, umrühren und genießen.
Es schmeckt sehr süß und erleichtert, gerade, wenn man mit dieser Umstellung beginnt, den Start in den Tag. Seitdem sich meine Geschmacksnerven verändert haben, lasse ich z. B. die Rosinen weg, weil mir die Banane als süße Komponente vollkommen ausreicht. Das regelmäßige Essen von Haferflocken hat bei mir außerdem einen Effekt wie ein Haarwuchsmittel.
Fühlt Ihr Euch inspiriert? Ich werde gleich noch Leckerlis an unseren Kater Spike verteilen. Anschließend lese ich an diesem wunderschönen, sonnigen Tag mein Buch zu Ende, dabei werde ich meine dunkle Schokolade genießen. Angeblich ist diese Schokolade ein Baustein, um uralt zu werden. Mal sehen, ob es klappt.
Fortsetzung folgt