#007.17
– Jessica – Frühlingsblumen
Dies
ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)
Heute
schreibe ich Euch, wie es mit Jessica weitergeht.
Der Frühling streckt langsam seine Fühler aus.
Sie wohnt im zweiten Stock links.
Frühlingsblumen
Die
Sonne spiegelte sich in den großen Pfützen auf dem Hof, die der Kater Spike
elegant umrundete. Er war auf der Suche nach einem warmen trockenen Plätzchen.
Endlich hatte der tagelange Regen aufgehört. An den Büschen zeigten sich die
ersten Knospen und ein paar bunte Frühblüher erfreuten die Augen wintermüder
Betrachter.
Jessica
hatte ihr verstaubtes Fahrrad aus dem Keller geholt und Luft in die schlappen
Reifen gepumpt. Im Keller in den Tiefen einer Kiste fand sich Öl, um die Kette
wieder geschmeidig zu machen. Es war Wochenende und eine anstrengende
Arbeitswoche lag hinter ihr. Während der letzten Wochen, die kalt und trostlos
gewesen waren, hatte sie sich in mehreren beruflichen Projekten ausgetobt und dabei
viele Überstunden angesammelt, um nicht allzu viel über Flo nachdenken zu
müssen. Das Ablenkungsmanöver hatte zwar funktioniert, aber trotzdem hatte sich
eine tiefe Erschöpfung in ihr ausgebreitet.
Sie räumte
die Fahrradpumpe und das Fläschchen Nähmaschinenöl wieder in den Keller und
betrachtete anschließend das Rad, das einladend in der Sonne stand.
In
Jessicas Handtasche befanden sich zwei Briefe. Endlich hatte sie die Anmeldung
für die lang geplante berufliche Fortbildung ausgefüllt. Ihr Chef hatte den
Bildungsurlaub schon genehmigt. Außerdem wurde in zwei Wochen ein Kochkurs in
ihrer Stadt angeboten. Die Anmeldung dafür ging heute ebenfalls auf die Reise.
Mit
Schwung radelte sie los, warf auf dem Weg die Briefe ein und fuhr weiter in
Richtung Fußgängerzone. Die Einkaufsliste war lang.
Die
Stadt war voller Menschen, einige hartgesottene saßen in Winterjacken draußen an
den Tischen der Cafés und genossen ein Getränk im lang entbehrten Sonnenschein.
Jessica
hatte das Gefühl, dass sie nach einer Fahrt durch einen langen dunklen Tunnel
endlich wieder Tageslicht in der Ferne erkennen konnte. Zu den geplanten
Einkäufen gesellte sich deshalb spontan ein Korb mit bunten Frühlingsblumen zur
Balkonverschönerung.
„Hey
Jessica“, rief eine Stimme hinter ihr. Sie gehörte zu ihrer Arbeitskollegin
Mara. Jessica drehte sich um: „Hallo Mara.“ Mara trug einige Einkaufstaschen
und eine Sonnenbrille.
„Hast
du Zeit für einen Kaffee, Jessica? Diesen Monat hat gefühlt die ganze Familie
Geburtstag und ich beschäftige mich eigentlich nur mit dem Geschenke-Einkauf
und anschließend mit den dazugehörigen Geburtstagsfeiern“, sie deutete auf die
Tüten. Jessica überlegte kurz: „Ja, Kaffee ist eine gute Idee.“
Sie
fanden einen freien Tisch in einem Café in einer Seitenstraße der Fußgängerzone.
Kaffeeduft und Stimmengewirr lagen in der Luft. Zehn Minuten später standen
zwei Kaffeetassen auf dem Tisch, darunter verteilten sich kreuz und quer die
vielfältigen Einkäufe der beiden Frauen, inklusive der Korb mit den
Frühlingsblumen.
„Wie
geht es eigentlich Flo?“, Mara rührte in ihrem Kaffee.
„Keine
Ahnung, wir haben seit kurzem keinen Kontakt mehr. Ich war zu unschlüssig und
Flo hatte die Nase voll davon.“
„Oh,
das tut mir leid. Mir ist aufgefallen, dass du irgendwie traurig bist, aber ich
wollte nicht nachbohren.“
„Das
ist okay, Mara. Ich musste erstmal selbst damit klarkommen. Florians Reaktion
auf mein ewiges Hin und Her ist absolut verständlich gewesen, trotzdem war ich
traurig. Gerade heute habe ich das Gefühl, dass es wieder aufwärts geht.“
Mara nickte:
„Ich verstehe, manchmal kann man einfach nicht aus seiner Haut. Vielleicht war
es bei dir zu früh für eine neue Beziehung?“
„Wahrscheinlich.
Für die Fortbildung, die unser Chef genehmigt hatte, habe ich mich angemeldet
und in zwei Wochen mache ich einen Kochkurs. Außerdem entrümple ich seit einiger
Zeit meine Wohnung. Das hat vieles ans Tageslicht befördert, was ich verdrängt
hatte. Es ist gleichzeitig befreiend und anstrengend. Und ich bin stolz auf
mich, dass viele Bereiche erledigt sind und ich in letzter Zeit drangeblieben
bin. Das feiere ich richtig.“
Mara
grinste: „Vielleicht solltest du demnächst einen kleinen Wochenend-Urlaub buchen,
richtig ausschlafen, dir eine Massage gönnen und es dir richtig gut gehen
lassen.“
„Das
ist eine gute Idee. Der Mensch lebt ja nicht nur, um zu arbeiten. Und wenn ich
richtig überlege, fehlt zu Hause bei der Entrümpelungsaktion nur noch ein
großes Bücherregal im Wohnzimmer und der Keller… oh je. Der ist leider richtig
vollgestellt.“
„Wie
wäre es, wenn du dich dieses Wochenende um dein Bücherregal kümmerst und
anschließend den kleinen Urlaub buchst? Den Keller nimmst du dir vor, wenn du
wieder da bist. Das Gerümpel läuft nicht weg.“
„Genauso
werde ich es machen, danke Mara.“
Mara
winkte der Kellnerin zu: „Ich lade dich ein und du berichtest am Montag, ob du
mit dem Regal fertig geworden bist und wohin du demnächst fahren wirst, um deine
Batterien wieder aufzuladen.“
Jessica
lächelte: „Danke, nichts geht über die beste Arbeitskollegin auf diesem
Planeten.“
Sie
fühlte sich auf einmal beschwingt. Ein Mann, der zwei Tische entfernt von ihnen
saß, lächelte sie an. Sie lächelte zurück, während Mara die Rechnung bezahlte. Draußen
verabschiedeten sie sich. „Bis Montag und danke für den Kaffee und den guten Rat,
Mara.“ „Gern geschehen, drücke die Daumen, dass der Familienkaffeeklatsch heute
Nachmittag nicht so langweilig wird.“
Jessica winkte und fuhr nach Hause. Die Luft roch nach Frühling, die Vögel zwitscherten und das Gefühl bleierner Schwere löste sich in ihrem Inneren auf. Das Leben war wunderschön und voller Möglichkeiten.
Brian Culbertson: Back in the day & so good
Fortsetzung folgt