Sonntag, 21. August 2022

#007.12 Jessica – Italienische Momente

 

#007.12 Jessica – Italienische Momente

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute hat Jessica italienische Momente in ihrer Mittagspause.
Sie wohnt im 2. Stock links.

Italienische Momente



Am Donnerstag um 12.15 Uhr verließen Jessica und ihre Arbeitskollegin Mara das Büro. Sie hatten vormittags viele Vorgänge erledigt und wollten beim Italiener um die Ecke einmal Luft holen, ohne auf einen Bildschirm zu schauen. Es war Zeit für eine Pause mit himmlischer Pasta, kitschiger italienischer Musik aus unsichtbaren Lautsprechern und Cappuccino. Bei „Mario“ angekommen, studierten die beiden Frauen die Mittagskarte. Von Pasta über Pizza bis zu Fisch-Gerichten gab es eine leckere Auswahl. 

Das ist genau das Richtige“, stellte Mara fest, „jetzt möchte ich einen Teller Nudeln nach dem Marathon im Büro.“

Stimmt, es war anstrengend vorhin. Das Telefon hörte überhaupt nicht auf zu klingeln.“

Der Restaurantleiter begrüßte die beiden und führte sie zu einem ruhigen Platz mit Blick auf einen grünen Innenhof.

Nachdem sie die Bestellung aufgegeben hatten, wandte sich Jessica an Mara: „Sag mal, Mara, bevor du vor einem halben Jahr mit Tom zusammen gekommen bist, warst du doch längere Zeit Single. Du hast damals ab und zu erzählt, dass du einige Dates hattest. Ich habe morgen eines und brauche noch ein paar Tipps von dir.“

Spannend, dass du dich nach so kurzer Zeit mit einem Mann triffst. Hast du ein Profil auf einem Online-Dating-Portal veröffentlicht?“

Nein, wir haben uns auf einem Möbelhaus Parkplatz kennengelernt. Er hat mir geholfen, meinen sperrigen Einkauf zu verladen. Dann haben wir einen Kaffee zusammen getrunken. Ich habe leider keine Ahnung, wie es heutzutage so läuft.“

Mara grinste. Der Kellner mit der langen Schürze servierte mit einem charmanten Lächeln die Getränke. Die Musik im Hintergrund erinnerte an einen Italien-Urlaub.

Es ist selten, jemanden im analogen Leben kennenzulernen. Heute sind die meisten Singles online unterwegs. Dabei hat man bzw. Frau vermeintlich eine große Auswahl, aber oft steckt nichts Ernsthaftes dahinter. Es ist ziemlich beliebig geworden.“

Wie meinst du das?“, fragte Jessica.

Ich war insgesamt drei Jahre Single und manchmal kam es zum Beispiel vor, dass sich ein Mann, mit dem ich einen netten Kontakt hatte, gar nicht mehr gemeldet hat. Von einem Tag auf den anderen gab es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Er hat in dem Fall ein besseres Match als mich gefunden und ist auf Tauchstation gegangen. Das nennt man „Ghosting“, ein Geist verschwindet einfach und wird nie wieder gesehen.“

Unhöflich, so ein Geist“, meinte Jessica, „wenn es nicht passt, ist es doch kein großer Aufwand, eine entsprechende Nachricht zu schreiben oder anzurufen?“

Viele geben sich keine Mühe mehr. Auf dem Dating Markt ist jeder oder jede schnell austauschbar. Ich habe mich meistens wertschätzend gegenüber Männern verhalten, die für mich nicht in Frage kamen. Du hast recht, eine Nachricht oder ein Anruf sollte ein gesellschaftlicher Standard sein.“

Und in welchen Fällen warst du nicht wertschätzend?“, wollte Jessica wissen.

Sie wurden von dem freundlichen Kellner unterbrochen, der ihnen zwei Teller mit dampfender Pasta hinstellte.

Das erfreut mein Herz, vielen Dank“, Mara strahlte den Kellner an.

Lassen Sie es sich gut schmecken.“

Mara verteilte großzügig Parmesan-Käse über die Spaghetti.

Zurück zu deiner Frage. Manchmal kamen so schräge Nachrichten, dass ich entweder gar nicht reagiert habe oder mit ein oder zwei Worten.“

Was meinst du mit schrägen Nachrichten. Wollten die Herren in der ersten Nachricht deine Körbchen-Größe wissen?“

So ähnlich und schlimmer. An eine Nachricht erinnere ich mich besonders gerne. Jemand schrieb: „Lust aufn Date? LG“. Als ich das las, habe ich schallend gelacht und geantwortet: „Nö. LG“. Der Typ hatte ein Auto-Profilbild. Viele Männer fotografieren sich in ihrem Auto oder davor. Das ist nicht meine Welt, um es vorsichtig zu formulieren“, Mara grinste und widmete sich ausgiebig den Spaghetti.

Das kann ich verstehen, lieber ein Bild in der Natur oder ein gutes Portrait-Foto.“

Ich möchte online Dating nicht generell verteufeln. Ich hatte auch Begegnungen mit richtig tollen Männern. Man darf das Ganze aber nicht so ernst nehmen. Zur Kontaktaufnahme ist es nützlich, nur hatte ich neben den interessanten Männern auch Kontakte zu seltsamen Gestalten, mit denen ich mich auseinander setzen musste.“

Jessicas Neugier war jetzt vollends geweckt: „Welches war denn dein merkwürdigstes Date? Natürlich nur, wenn du es erzählen möchtest.“

Mara lachte: „Meistens hatte ich ein gutes Gespür dafür, mit wem sich ein Treffen wirklich lohnt. Einmal allerdings lag ich voll daneben. Es war ein ziemlich deprimierender Nachmittag.“

Erzähl.“

Ich war zu einem Spaziergang verabredet und fand den Mann, so wie wir schrieben, richtig sympathisch. Aber im Laufe des Nachmittags hat er mir eine persönliche Katastrophe nach der anderen offenbart. Es fing immer mit den Worten „ich muss dir noch etwas gestehen...“ an..Dann folgte die Schilderung eines Dramas. Überspitzt gesagt war dieser Mann krank, nicht mehr arbeitsfähig, finanziell ruiniert und hatte in der Vergangenheit einige toxische Beziehungen in filmreifen Ausmaß erlebt. Mir wurde beim Zuhören bei so viel Unglück und Dramatik schwindelig und am liebsten hätte ich mich an Ende des Tages selber in einen Fluss gestürzt.“

Gut, dass du das nicht getan hast. Ich nehme an, du wolltest ihn nicht wiedersehen.“

Stimmt genau. Das war einfach zu viel. Aber es gab auch schöne Dates. Trotzdem freue ich mich, dass ich mit Tom aktuell so eine gute Zeit habe. In der Single-Phase habe ich mich selbst gut kennengelernt. Auch jemand wie dieser Mann, der das Unglück in seinem Leben magisch angezogen hat, hat mir geholfen, mir darüber klar zu werden, was ich will und was nicht.“

Ich denke, dieser Typ hätte vielleicht erst einmal sein Leben aufräumen sollen, bevor er sich mit dir trifft“, Jessica blickte nachdenklich vor sich hin.

Einige, auch Frauen, wollen von einer anderen Person gerettet werden, aber jeder und jede ist für sich selbst und persönliche Baustellen verantwortlich. Das kann einem niemand abnehmen“, Mara zog bei diesen Wort die Augenbrauen hoch, Die Teller waren leer und der Kellner kam, um sie abzuräumen.

Haben wir noch Zeit für einen Cappuccino?“, fragte Mara.

Ich glaube, unser Büro ruft. Aber wir können uns ja nächste Woche wieder hier treffen. Dann erzähle ich dir ausführlich von meinem Treffen und du berichtest mir von den tollen Single-Männern, die da draußen online und offine herumlaufen“, schlug Jessica vor.

Also, die Rechnung, bitte.“

Draußen sagte Mara: „Ein Mittagsschläfchen wäre super.“

Der alte Kater, der bei mir im Haus wohnt. braucht viele Mittagsschläfchen am Tag. Manchmal liegt auf meiner Fußmatte, wenn ich nach Hause komme.“

Das ist doch niedlich. Wir müssen, statt Mittagsschlaf zu halten, einen Bürokaffee trinken, um den Rest vom Tagespensum zu schaffen.“

Der Nachmittag gestaltete sich trotz des anfänglichen Mittagstiefs als produktiv. Die Dichte der Telefonanrufe hatte auch abgenommen. Jessica fuhr nach Hause. Auf ihrer Fußmatte lag Spike und hatte die Augen geschlossen.

Andrea Bocelli: Cuando Me Enamoro

Fortsetzung folgt


Sonntag, 7. August 2022

#007.11 – Jessica – schöne Sachen

 

#007.11 – Jessica – schöne Sachen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute trifft sich Jessica mit ihrer Freundin nach Feierabend in der Stadt.
Schöne Sachen landen in der Einkaufstasche.
Sie wohnt im 2. Stock links.

Schöne Sachen



Kaffeeduft und Stimmengewirr lag in dem Café in der Luft. Es war Mittwoch, 18.00 Uhr. Jessica saß mit ihrer Freundin Tina an einem kleinen Tisch in der Ecke. Neben dem Tisch stand eine Papiertüte mit dem Schriftzug eines Modegeschäftes. Jessica und Tina hatten jeweils einen Teller mit einem frisch getoasteten Bagel und ein Getränk vor sich stehen. Den Laden, dessen Logo die Papiertüte zierte, hatten sie vorher durchstöbert, denn Jessica wollte etwas Schönes für ihr allererstes Date am kommenden Freitag einkaufen. Am vorherigen Wochenende hatte sie stundenlang ihren Kleiderschrank entrümpelt und jetzt war nichts Passendes mehr darin zu finden. Drei große Wäschekörbe mit aussortierter Kleidung und eine Mülltüte im Abfallbehälter ihrer Wohnanlage waren das Ergebnis von dem Sortier-Marathon.

Danke, dass du mit gekommen bist, Tina.“

Hat doch Spaß gemacht. Die neue Bluse steht dir richtig gut. Ich kann auch gut verstehen, dass du dir einige neue Teile in der Wäsche-Abteilung ausgesucht hast. Das rote Set finde ich besonders schön. Irgendwie ist dein Leben doch gerade ein Neustart, oder?“

Das ist wahr. Dieses Aussortieren letztes Wochenende war wirklich krass. Mir sind so viele Dinge wieder eingefallen, an die ich gar nicht mehr bewusst gedacht habe. Erinnerst du dich noch an meinen Geburtstag vor drei Jahren? Da hatte Michael ziemlich schlechte Laune und hat die ganze Zeit an dem Essen herum gemäkelt. Ich hatte das Buffet zwei Tage lang, inklusive Einkauf, vorbereitet.“

Ja, ich erinnere mich. Du hattest jede Menge Fingerfood hingestellt, weil du viele Leute eingeladen hast. Und irgendwann im Laufe des Abends ist Michael einfach sang und klanglos in seinem Büro verschwunden. Darüber habe ich mich damals gewundert und dachte, dass er wahrscheinlich gerade eine stressige Phase in seinem Job hat. Trotzdem fand ich es unpassend, dass er sich ausgerechnet bei deiner Feier so verhält.“

Stimmt, er hatte zu der Zeit wirklich viel um die Ohren. Das Kleid, das ich für diesen Anlass neu gekauft hatte, habe ich aussortiert. Auch nach der Party wollte ich es nie wieder anziehen. Daran klebte viel unterschwelliger Stress. Ich habe mir sein Gemecker über das Essen richtig zu Herzen genommen, obwohl es allen anderen außer ihm gut geschmeckt hat“, Jessica rührte bei diesen Worten nachdenklich in ihrer Teetasse, „da waren viele kleine freudlose Begebenheiten, die mit irgendwelcher Kleidung verknüpft waren. Das habe ich erst gemerkt, als der Stapel Klamotten auf meinem Bett lag. Die ganzen Sachen sind jetzt in Wäschekörben und nächste Woche bringe ich alles ins Sozial-Kaufhaus.“

Und für dein Treffen mit Florian hast du jetzt etwas Neues gefunden“, Tina grinste Jessica an, „inklusive schöner Wäsche ohne Altlasten.“

Na ja, als „Altlast“ würde ich Michael nun auch nicht bezeichnen. Das hat er nicht verdient. Trotzdem fühle ich mich wohler, wenn ich mit Kleidung ohne Vergangenheit einen neuen Mann näher kennenlerne.“

Wie ist er denn so?“, fragte Tina neugierig, „groß, schlank, gut aussehend, charmant, schlau?“

Er ist groß, ungefähr 1,85 m würde ich schätzen. Schon schlank, aber nicht schlaksig, von der Kleidung her wirkte er lässig und gepflegt“, Jessica überlegte einen kleinen Moment, „er kam schnell auf den Punkt, das ist mir aufgefallen, hat nicht viel um den heißen Brei herum geredet. Ich glaube, bei ihm weißt du, woran du bist. Er gibt wahrscheinlich immer ein ehrliches Statement zu allem ab.“

Tina tupfte sich mit der Serviette den Mund ab, nachdem sie ihren Bagel verspeist hatte. Sie zog die Stirn ein wenig in Falten, als den folgenden Gedanken aussprach: „Du meinst, übertragen auf eine Situation wie deine Geburtstagsfeier vor drei Jahren, dass ein Mann vom Typ Florian dir vor Beginn der Feier gesagt hätte, dass ihn seine Job-Projekte gerade sehr beschäftigen und dass er momentan etwas nervös sei. Dann hättest du den Grund gekannt und dir nichts bei einem flapsigen Spruch über die Käse-Häppchen gedacht?“

Jessica dachte kurz nach: „Ja, vielleicht. Ich denke, dass ich es mittlerweile im Nachgang an so ein Ereignis einem Partner gegenüber ehrlich ansprechen könnte, dass mich dieses Verhalten verletzt. Früher habe ich oft geschwiegen und es als gegeben hingenommen, wenn sich jemand schlecht benommen hat. Es gehören halt immer zwei dazu: Eine Person, die sich - wie auch immer - verhält und die andere Person, die es schweigend toleriert. Wenn jemand nicht weiß, wie sein Verhalten auf andere wirkt, wird sich auch nichts ändern.“

Da ist etwas dran“, sagte Tina, „wenn ich recht überlege, habe ich auch einige Jahre gebraucht, bis ich wirklich kommunizieren konnte, was ich will, was ich gut oder schlecht finde. Ich finde, wir bestellen uns jetzt einen Prosecco und stoßen auf dein erstes Date an. Was denkst du?“

Jetzt grinste Jessica: „Ja, das ist eine sehr gute Idee.“ Sie winkte der Kellnerin zu und kurze Zeit später standen zwei Gläser mit einem sprudelnden Getränk vor ihnen.

Also, auf dich und Florian, was auch immer daraus wird“, Tina hob das Glas und prostete Jessica zu.

Auf die Liebe und das Leben“, die Gläser klangen, „ich bin ehrlicherweise total aufgeregt. Hoffentlich bin ich Freitag Nachmittag nicht die ganze Zeit stumm wie ein Fisch, weil mir nichts einfällt, was ich sagen könnte.“

Die Aufregung legt sich bestimmt schnell. Redet einfach über schöne Dinge wie Urlaub, Träume und was euch wirklich bewegt. Meine Freundin Sylvia erzählte mir mal von einem ihrer Dates, da wurden wie im Job-Interview nur Daten und Fakten ausgetauscht und über Ex-Partnerinnen gelästert. Nach dem Motto: Job, Studium, Hobbys, Kinder und meine Ex ist doof. Das hat nichts mit Romantik oder guter Stimmung zu tun.“

Ich lasse es einfach auf mich zukommen. Wir werden sehen.“

Mittlerweile waren die Getränke ausgetrunken und die Bagels aufgegessen.

Ich lade dich heute ein“, sagte Tina, „als Gegenleistung erzählst du mir, wie es war. Natürlich keine Dinge, die er dir im Vertrauen erzählt hat.“

Wer weiß, wie vertraulich es werden wird. Ich bin schon neugierig auf diesen Mann. Er ist auf jeden Fall hilfsbereit, sieht nett aus und scheint ehrlich und geradeaus zu sein.“

Tina bezahlte die Rechnung und die beiden Frauen verabschiedeten sich vor dem Café. Jessica fuhr mit dem Rad nach Hause, im Fahrradkorb die Papiertüte mit den neuen Sachen.

Spike, der Kater, kreuzte ihren Weg vor dem Fahrradkeller. Er erinnerte sie wieder daran, dass sich ein Tier niemals Gedanken über Kleidung oder Gesprächsthemen für Dates machen musste. Ob Spike jemals eine Katzenfreundin gehabt hatte? Vielleicht gab es irgendwo pelzige Nachkommen? Sie würde es wahrscheinlich nie erfahren, aber seine Gelassenheit in allen Lebenslagen war ein guter Ansatz für ihr Treffen mit Florian am Freitag. Er streifte an ihren Beinen entlang und maunzte, als sie in Richtung Eingangstür ging. Natürlich bekam er ein Leckerli aus Jessicas Handtasche.

In der Wohnung räumte Jessica die Papiertüte aus, schnitt die Preisschilder ab und befühlte die weichen Stoffe. Besonders über die neue Wäsche freute sie sich und überlegte, dass sie sich demnächst noch ein paar Teile kaufen würde. Dafür durften andere Wäschestücke mit Macken und Vergangenheit den Kleiderschrank verlassen. Ihr wurde in dem Augenblick klar, dass Florian einen Stein ins Rollen gebracht hatte. Egal, wie sich ihre Bekanntschaft entwickeln und ob sie ihn nach dem Treffen am Freitag wiedersehen würde, ein Neustart in weicher Spitzenunterwäsche fühlte sich gut und stimmig an. Die Party des Lebens ging weiter …

Candy Dulfer: on & on

Fortsetzung folgt