Sonntag, 10. Juli 2022

#007.8 – Jessica – Cappuccio oder Kaffee Crema

 

#007.8 – Jessica – Cappuccio oder Kaffee Crema

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)

Jessica hat eine interessante Begegnung.
Sie wohnt im 2. Stock rechts.

Cappuccino oder Kaffee Crema

Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der große Mann mit einem freundlichen Lächeln auf dem Parkplatz eines Möbelhauses. Jessica hantierte mit einem großen Paket, das alle Teile für einen kleinen Schrank enthalten sollte. Sie versuchte, das Paket ins Auto zu verladen. Ihr guter Freund Thorsten hatte ihr sein Auto für diesen unhandlichen Einkauf geliehen.

Oh ja, danke, irgendwie ist dieses Teil ziemlich sperrig“, antwortete sie. Mühelos schafften es die beiden, das Paket zu verladen. „Vielen Dank.“

Kaufen Sie öfter hier ein?“, fragte der Mann.

Ich bin vor kurzem umgezogen und dieser Schrank passt perfekt in meinen Flur.“

Etwas verlegen trat ihr Helfer von einem Bein auf das andere. „Darf ich Sie zu einem Kaffee in dem Möbelhaus-Bistro einladen? Ich habe meinen Einkauf auch schon im Auto verstaut und würde mich über nette Gesellschaft bei einem Kaffee freuen.“

Jessica überlegte. Sie hatte es an diesem Samstag nicht eilig. Allerdings war sie in allem, was in Richtung Kontaktaufnahme zum anderen Geschlecht nach den vielen Jahren Beziehung mit Michael ungeübt und unsicher. Aber, was hatte sie schon zu verlieren? Das war ein netter, gut aussehender und hilfsbereiter Mann, der sie zu einem Kaffee einlud. Vielleicht war das eine gute Gelegenheit, ein wenig zu flirten? 'Mal sehen, was passiert', dachte sie.

Ja, gerne. Ein Kaffee ist eine gute Idee. Schließlich habe ich später das Projekt „Schrankaufbau“ vor mir“, antwortete sie dem Fremden, „ich heiße übrigens Jessica.“

Mein Name ist Florian. Ich freue mich. Wollen wir uns duzen?“

Ja, gerne. Wirst du auch manchmal Flo genannt?“

Das kommt vor. Lass mich raten: Du bist wahrscheinlich der Cappuccino-Typ, oder?“

Stimmt. Und du trinkst nach einem guten Essen Espresso und zwischendurch Kaffee Crema, schwarz ohne alles?“

Florian lächelte: „Genau. Bei Kaffee habe ich eine schwarze Seele.“

Jessica ließ diese Aussage so stehen, während sie in Richtung Bistro gingen. Etwas Schlagfertiges oder Witziges fiel ihr in diesem Moment nicht ein.

Florian ging an den Kaffee Tresen und bestellte zweimal Kaffee in den besprochenen Zubereitungsarten. Jessica suchte einen ruhigen Tisch. Viele Menschen waren heute unterwegs, um nach Möbeln und Wohnaccessoires zu schauen. Florian näherte sich dem Tisch in einer Ecke mit einem Tablett.

Einmal Cappuccino für die Dame mit dem Flurschrank, bitte schön.“

Danke, der Kaffee wird mir den nötigen Antrieb für den Schrankaufbau geben. Was hast du hier heute eingekauft?“

Ein paar Regale für den Keller.“

Einen Augenblick lang rührten beide schweigend in ihren Tassen. Jessica wurde bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, was heutzutage in Sachen Dating oder Flirten angesagt war. Michael hatte sie damals über Freunde kennengelernt. Es hatte sich ganz natürlich ergeben. Mit einem unbekannten Mann hier zu sitzen und Kaffee zu trinken, war richtig weit von ihrer Komfortzone entfernt. Sie bemerkte, dass Florian unauffällig ihre Hände musterte. Nein, da war kein Ehering oder ähnliches.

Neulich hatte sie kurz vor dem Aufwachen einen seltsamen Traum gehabt. Sie war in dem Haus gewesen, in dem sie zuvor gewohnt hatte. Aus dem Keller waren laute Maschinengeräusche zu hören gewesen, auf der Terrasse stand ein Wäscheständer, an dem neben Michaels Kleidung zwei ihrer Jeans trockneten. Im Traum hatte Jessica die beiden Jeans vom Wäscheständer genommen und sich über den Lärm aus dem Keller gewundert. Dann waren plötzlich Michael und eine unbekannte blonde Frau mit einer Weinflasche aufgetaucht. Jessica wünschte den beiden einen schönen Abend und verließ das Haus. Danach war sie wach geworden. Warum musste sie ausgerechnet jetzt an diesen merkwürdigen Traum denken?

Florian schaute ihr jetzt direkt in die Augen: “Warum bist du umgezogen? Hat dir deine alte Wohnung nicht mehr gefallen?“

Jessica überlegte, wie viele Informationen sie dem Fremden gegenüber preisgeben wollte. „Doch, meine vorherige Wohnung hat mir gut gefallen. Es haben sich einfach ein paar Umstände in meinem Leben geändert, deshalb bin ich umgezogen.“

Eine Trennung?“, fragte Florian direkt.

Ja, genau.“

Florian schwieg und Jessica wunderte sich darüber, dass sich dieses Schweigen angenehm anfühlte.

Ich bin immer ziemlich geradeaus, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es Zeitverschwendung ist, um den heißen Brei herumzureden. Du gefällst mir und ich würde dich gerne wiedersehen und besser kennenlernen. Ich bin auch Single“, Florians Blick wurde warm bei diesen Worten.

Warum nicht, wie wäre es demnächst mit einem Spaziergang?“, Jessica hatte den Cappuccino ausgetrunken und wollte auf einmal allein sein. Nicht, weil sie etwas gegen diesen freundlichen und attraktiven Mann hatte, sondern weil sich in ihr das Bedürfnis nach Ruhe meldete.

Einen Spaziergang finde ich prima. Wollen wir Telefonnummern austauschen?“, fragte Florian.

Blitzschnell überlegte Jessica, dass sie Florian auf ihrem Mobiltelefon blockieren könnte, falls mit ihm irgend etwas aus dem Ruder laufen würde. Er wusste nicht, wo sie wohnte und kannte nur ihren Vornamen. Also, warum nicht?

Ja, machen wir“, Jessica holte einen Stift aus ihrer Tasche und schrieb ihre Nummer auf eine Serviette. Florian tippte auf die Zahlen auf seinem Display und speicherte den Kontakt ab, als Jessicas Handy brummte.

Wann darf ich dich anrufen? Bist du abends erreichbar? Dann machen wir einfach etwas aus.“

Ja, ich bin abends zu erreichen. Vielen Dank für deine Hilfe und den Kaffee. Ich kann dir ja ein Bild schicken, wenn ich den Schrank aufgebaut habe.“

Falls du Hilfe brauchst, melde dich gerne bei mir. Ich habe auch passendes Werkzeug.“

Jessica und Florian standen auf und verließen das Bistro. Dann verabschiedeten sie sich auf dem Parkplatz.

Es war wirklich seltsam. Demnächst würde sie sich mit einem Mann verabreden, durch den Park schlendern, nach den richtigen Worten suchen. Jessica nahm sich vor, ihrem Kumpel Thorsten von ihrer Begegnung im Möbelhaus zu erzählen. Er hatte immer gute Tipps für alle Lebenslagen. Aber zuerst galt es, einen Schrank zusammen zu schrauben, nach dem Motto:

Selbst ist die Frau, die seit Jahren kein Möbelstück mehr neu gekauft und aufgebaut hat...

'Spannend dieses Single-Dasein. Ein Flirt in Kombination mit einem neuen Schrank. Was kommt noch alles auf mich zu?', überlegte sie.

Spike lief über den Parkplatz der Wohnanlage. Er brauchte keinen Schrank oder Flirt, nur sich selbst.

Norman Brown: Better days ahead

- Fortsetzung folgt -





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