Mittwoch, 12. Mai 2021

#006.14 – Sarah – unbeirrbarer Kreislauf des Lebens

#006.14 – Sarah - unbeirrbarer Kreislauf des Lebens

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)


Heute kommt Sarah wieder zu Wort.
Sie wohnt im 2. Stock rechts.

Unbeirrbarer Kreislauf des Lebens


Der Frühling kämpfte mühsam voran. Es war immer noch sehr kalt und eine Winterjacke durchaus angebracht. Trotzdem zeigte sich überall ein zartes Grün und bunte Frühlingsblumen, die den kalten Nächten trotzten. Der Verlauf der Pandemie war ähnlich. Immer noch galten viele Beschränkungen, aber auch kleine hoffnungsvolle Silberstreifen am Horizont für Besserung und Freiheiten waren sichtbar, zum Beispiel durch den Fortschritt des Impfens.

Sarah war nach der Arbeit noch in der Stadt unterwegs. Sie hatte ein paar Kleinigkeiten im Drogeriemarkt und ein Geschenk besorgt. Theoretisch war es sogar möglich, jetzt nach dem Einkauf noch einen Kaffee draußen in einem Café zu trinken. Die Stadt war nicht mehr so ausgestorben wie noch vor wenigen Wochen, das fühlte sich gut an.

Gut gelaunt fuhr Sarah mit dem Rad nach Hause. Heute Abend wollte sie wieder an ihren Seelenverwandten in Hessen, Thomas, einen Brief schreiben.Die Brieffreundschaft war durch die Rücksendung einer verlorenen Geldbörse entstanden und hatte sich zu einem Austausch sehr tiefgründiger und persönlicher Dinge entwickelt. Für Sarah war dieser Briefwechsel ein echter Lichtblick in den Pandemiezeiten gewesen.

Spike, der Kater, lugte hinter einem Busch hervor, als Sarah um die Ecke bog. Er schaute, wer die Maus, die er eben noch unter der Erde gehört hatte, verscheucht hatte. Gemächlich legte er sich wieder hin und schloss die Augen, um seinen Katerträumen weiter zu folgen. Dabei wackelte er ein wenig mit seinen pelzigen Ohren.

Sarah lief die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf und freute sich auf den Feierabend. Schnell wurden die Einkäufe verstaut und der Wasserkocher für das Teewasser angestellt. Jetzt begann der entspannte Teil des Tages mit einem echten Brief und einem Becher heißen Tee.

Lieber Thomas,

danke für das Foto (der Mann auf dem Foto gefällt mir) und die stimmungsvollen Gedanken und Assoziationen in Deinem letzten Brief.

Ich habe die Elfen aus Shakespeares Sommernachtstraum im Schlosspark Deiner Stadt förmlich vor mir gesehen. Ja, ich bin sicher, dass sie dort im Rosengarten und in den alten Bäumen hoch über den Dächern der Stadt wohnen, kichern und viel Unsinn anstellen. Mit dem Genuss eines prickelnden Getränkes bzw. Zaubertranks mit feinsprudeligen winzigen Bläschen werden sie bestimmt sichtbar und lassen Träume Wirklichkeit werden. Du merkst, ich komme langsam in Frühlingslaune und freue mich auf den Moment, wenn wir beide wirklich auf einer Picknick-Decke mit dem Zaubertrank sitzen und dem Treiben dieser Wesen zusehen können. Dann ist es natürlich warm und wir erzählen uns allerlei Sinnvolles und Sinnloses, lachen und haben Spaß.

Vorhin hätte ich sogar in einem Café draußen einen Kaffee trinken können, also es geht aufwärts. Wer weiß, ob wir uns diese trübe Zeit der Pandemie in ein paar Monaten noch vorstellen können. Oder wir wissen Freiheiten, Sonne, Wärme und gute Momente mehr zu schätzen und genießen sie ausgiebiger als vorher. Ich habe mir vorgenommen, nicht mehr so viele Pläne und Ideen aufzuschieben, sondern zum Beispiel sofort, wenn es passt, eine Fahrkarte in Richtung Hessen zu kaufen, um dort eine schöne Zeit zu erleben. Falls es regnen sollte, gehen wir einfach in das letzte verbliebene plüschige Kino und schauen uns einen Film mit schönen Bildern, Landschaften und wenig sichtbarer Handlung an und gehen danach in eine der Studentenkneipen, um einen Croque mit ganz viel Soße zu essen und den klebrigen Tisch damit zu bekleckern. :-)

Mir fällt aktuell eine starke Gereiztheit auf. Viele sind wohl müde und gestresst von diesem ewigen Lockdown, der Kälte des Frühlings, der sozialen Isolation und den Sorgen, die berechtigterweise viele umtreiben. Ich wünsche mir trotzdem, öfter im Alltag ein Lächeln zu sehen. Mittlerweile ist ein Einkauf im Supermarkt eine wirklich depressive Angelegenheit geworden. Höchste Zeit für Frühling und Aufbruch, finde ich. Auf meinem Balkon blüht schon alles und die Vögel singen morgens um die Wette, als gäbe es die Pandemie und die Kälte nicht. Das könnten wir uns als Vorbild nehmen. Was meinst Du?

Damit mich der Strudel der schlechten Stimmung nicht mitreißt, zähle ich mir oft die guten Dinge in meinem Leben auf: Gesundheit, mein relativ sicherer Arbeitsplatz, meine Familie, Freunde, ein Leben in Frieden mit vollem Kühlschrank und allem, was ich zum Leben brauche. Das ist eine Menge, auf jeden Fall Grund genug, um zu lächeln.

In diesem Sinne, freuen wir uns des Lebens und ich mich auf Deinen nächsten Brief

Liebe Grüße von Sarah aus dem Norden

Draußen war ein Sonnenuntergang mit schimmernden roten Wolkenformationen zu sehen. Sarah trat nachdenklich auf den Balkon, lauschte dem Abendkonzert der Vögel und betrachtete die sprießende Natur. Das war gerade ein Wimpernschlag im Kreislauf des Lebens.

Phil Collins - In The Air Tonight ('Panski & John Skyfield Remix) [Deep House]

Fortsetzung folgt


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