Donnerstag, 23. April 2020

#004.5 - Marie - Gewohnheiten

#004.5 - Marie - Gewohnheiten

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)



Heute schreibe ich Euch, welche Gewohnheiten und Marotten Marie während der entschleunigten Phase der Corona-Kontaktsperre entwickelt.
Sie wohnt im Dachgeschoss oben links


Marotten während der Corona-Kontaktsperre


Es war Woche drei der Kontaktsperren-Phase. Das Internet lief über mit guten Tipps für die Unterhaltung bei häuslicher Quarantäne und satirischen Beiträgen über Home-Office-Katastrophen und den Wahnvorstellungen der Anhänger von neu erschaffenen Verschwörungstheorien.
Die Bewohner des Mehrfamilienhauses erlebten ein Wechselbad der Gefühlslagen. Es gab beispielsweise die Fraktion der Putzfreaks, die ihre Wohnungen, inklusive des Balkons, aller Fenster, dem Dachboden sowie Keller, aufräumten bzw. auf Hochglanz polierten. Die Gegenfraktion, die Putzverweigerer, stachen besonders hervor, da ihre Fensterbänke im Vergleich dazu besonders ranzig wirkten.
Den Kater Spike interessierte dieses menschliche Theater überhaupt nicht. Sein Vorteil war allerdings, dass er mehr Leckereien von den Bewohnern bekam, weil sie einfach öfter als sonst zu Hause waren.
Marie beobachtete das teilweise seltsame Treiben ihrer Nachbarn mit Kopfschütteln oder einem Grinsen. Allerdings beobachtete sie an sich selbst ebenfalls merkwürdige neue Gewohnheiten.
Wenn sie Freitag von der Arbeit kam, war ihre Wohnung aufgeräumt und die meisten Bereiche schon geputzt, da die Termine abends während der Arbeitswoche einfach weggefallen waren.
Irgendwann in Woche drei wurde Marie klar, welche merkwürdigen schrulligen Dinge sie tat. Sie schrieb in ihr Notizbuch:
Meine Marotten während der Kontaktsperre:
  • eine Kochsendung in der Mediathek eines öffentlich-rechtlichen Senders regelmäßig abends gucken und anschließend überlegen, welche Rezepte ich ausprobieren möchte.
  • In der Küche herum werkeln, kochen und backen, z. B. selbstgemachtes Apfelkompott ohne Zuckersatz mit Rosinen herstellen und anschließend mit leckeren Pfannkuchen zusammen essen.
  • verstärkter Konsum von Kult-Hörspielen der drei ewig-jugendlichen Detektive aus Rocky Beach (den Mittelteil verschlafe ich oft, aber im Endeffekt ich weiß doch, wer der Täter war. Bei dem Schlussteil mit Tante M. Kirschkuchen-Gelage bin ich meistens wieder wach)
  • stundenlang kitschige Soul-Musik hören und von Christian träumen
  • Mandalas ausmalen
  • die Waschmaschine mit zwei alten, etwas ausgewaschenen, aber noch gut passenden Kleidern und kirschroter Textilfarbe laufen lassen und danach bewundern, wie die Kleider wieder leuchten. Dabei stelle ich mir vor, dass ich sie anziehe, wenn ich – nach Corona – mit Christian und meinen Freundinnen tanzen gehe und die Königin der Nacht sein werde.
  • viel öfter als sonst mit meiner Mutter telefonieren. Und es nervt mich noch nicht einmal, warum?
  • überhaupt telefonieren:
    So oft, wie zuletzt in den 90er-Jahren in meiner ersten Wohnung mit meinem allerersten eigenen Telefon, gerne mit den Freundinnen, die ich gerade nicht treffen kann. Während der Kontaktsperre mag ich telefonieren lieber als Nachrichten über das Smartphone zu verschicken.
  • Liebes Notizbuch, behalte dieses bitte unbedingt für Dich: Ich habe neulich zwei Folgen „Sturm der Liebe“ geguckt. Der Kitsch lief aus meinem Laptop, aber es war sooooo schön (Christian darf das niemals erfahren).
  • Täglich auf dem Balkon prüfen, ob die in den Blumentöpfen ausgesäte Petersilie schon aus der Erde guckt.
  • Einen Online-Sportkurs habe ich (noch) nicht ausprobiert, obwohl ich das unbedingt wollte (welcher Teil von mir eigentlich, da ich es noch nicht getan habe??). Es gibt sogar eine Yoga Matte in den Tiefen meines Kleiderschrankes! Also, lieber Schweinehund, los geht es – demnächst …..
  • Krimis mit besonders kantigen Charakteren lesen, je schräger desto besser, am liebsten auf meinem Balkon bei Sonnenschein unter dem Sonnenschirm
  • Spike ausgiebig kraulen, wenn er auf meiner Fußmatte liegt.
Oha“, dachte Marie, „das ist kaum zu überbieten. Wo soll es noch hinführen?“
Marie beschloss, ihre Freundinnen zu fragen, welche seltsamen Dinge sie taten, während sie ihre freie Zeit zu Hause verbrachten. Die männliche Perspektive in diesem Zusammenhang war ebenfalls spannend. Christian würde ihr vielleicht seine kleinen und seltsamen Geheimnisse enthüllen, wer weiß.
Fortsetzung folgt

Sonntag, 12. April 2020

#004.4 - Marie und ein stiller Ostermorgen

#004.4 - Marie und ein stiller Ostermorgen

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)



Heute schreibe ich Euch ein paar Gedanken von Marie zum Osterfest auf.
Sie wohnt im Dachgeschoss oben links. 

Stille Ostern in besonderen Zeiten


Dieses Jahr an Ostern stand gefühlt die Welt still. Am Abend zuvor gab es keine Osterfeuer, keine Staus auf den Autobahnen, weil die Leute einfach zu Hause waren, keine Hektik und alles Unwesentliche war auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Das Besondere daran war, dass es fast die ganze Welt betraf, zumindest der Umstand, dass alles anders war. Es gab nach wie vor Länder, die von diktatorischen Führungen regiert wurden, die das bis jetzt wenig erforschte Virus leugneten, die daraus resultierende Erkrankung mit einer Art Grippe gleichsetzten und laut „weiter so wie immer“ schrien. Das alte, eingefahrene Denken war durchaus noch stark präsent und kämpfte mit aller Macht um das Überleben, aber neue Ideen, das Leben zu gestalten, nahmen konkretere Formen an und traten verstärkt in das Bewusstsein der Menschen. Das Wesentliche war sichtbar geworden.
Man könnte sagen, die meisten Menschen lebten momentan wie der alte Kater Spike: Sie waren in ihrem vertrauten Lebensraum unterwegs, aßen, schliefen, genossen die kleinen netten Gesten zwischendurch und ein entspanntes Verweilen auf einer sonnigen Bank und hörten dabei den zwitschernden Vögeln zu.
Marie wachte sehr früh auf und Christian schlief noch. Sie stand leise auf, um ihn nicht zu wecken. Leise ging sie in die Küche und nahm das Espresso-Kännchen, das sie einmal auf einem Flohmarkt gekauft hatte, von der Fensterbank. Immer, wenn sie es benutzte, kochte sie sich einen „entschleunigten“ Kaffee für die italienischen Momente im Leben, wie sie es selbst nannte. Es brauchte mehr Aufmerksamkeit und Zeit, bis das dampfende Getränk in der Tasse war. Sie stellte den kleinen Milchtopf mit Milch neben das Espresso-Kännchen auf die Herdplatte und schaute dann aus dem Fenster. Draußen sangen die Vögel und es war so unglaublich friedlich.

Marie hatte ein Geheimnis, was sie bis jetzt mit sehr wenigen Menschen geteilt hatte. Sie rechnete: Vor 18 Jahren, als sie noch woanders gelebt hatte, gab es ein Osterfest mit Ereignissen, die so einschneidend waren, dass sie danach beschlossen hatte, jedes Jahr Ostern wie einen zweiten Geburtstag zu begehen, zumindest für sich selbst. Vielleicht einer höheren Macht, Zufall oder anderen nicht greifbaren Umständen verdankte sie es, noch auf dieser Welt zu sein. „Das heißt, heute werde ich 18 Jahre alt und ich bin jetzt volljährig“, dachte Marie. Ihr nächster Gedanke war, ein süßes, prickelndes Mädchengetränk, Erdbeer Prosecco oder Hugo, mit Freundinnen zu trinken und dann Pläne für das Erwachsenenleben zu schmieden, inklusive großer Liebe, Traumberufen, Reisen und tollen Orten, wo man leben konnte, wenn man endlich seinen Schulabschluss in der Tasche hatte. Marie lächelte ein wenig bei diesen Gedanken.
Auf dem Herd war jetzt Bewegung in die italienische Art der Kaffeezubereitung gekommen, erst ein leichtes Rauschen, anschließendes Blubbern und dann köstlicher Kaffeegeruch in der Küche verriet, dass dieses Wunderwerk aus Metall sein Ergebnis vollbracht hatte. Die Milch war ebenfalls erwärmt. Marie holte ihre riesige Tasse mit dem Tupfenmuster aus dem Schrank. „Mein Geschirr passt auf jeden Fall zu einer 18-Jährigen“, dachte sie. Mit dem kleinen Mixer schäumte sie die Milch auf und fertig war der perfekte Ostermorgen-Kaffee. 

Was wünsche ich mir denn für mein neues Lebensjahr?“ fragte sich Marie, während sie die aufgeschäumte Milch mit dem Kaffee vorsichtig verrührte, „ein anderes Miteinander wäre schön, weniger Einsatz von Ellenbogen und mehr Zusammenarbeit. Mehr Respekt vor der Natur, weniger Konsum und viel Liebe natürlich. Das liegt ja alles gerade in der Luft.“
Im Zusammenhang mit dem Thema Liebe dachte sie, dass Christian erst in ihr Leben getreten war, als sie mit ihrem Beruf, ihren Hobbys und ihrem Freundeskreis komplett zufrieden und erfüllt war. Christian war im übertragenen Sinne das Tüpfelchen auf dem „I“ oder die Kirsche auf ihrer eigenen „Lebens“-Sahnetorte, was eine völlig neue Dimension von Glück eröffnete. Jeder durfte so sein, wie er oder sie war, ohne Ansprüche oder gegenseitige Erwartungshaltungen.
Diese Erkenntnis hat man mit 18 Jahren wahrscheinlich noch nicht“, dachte Marie, „von daher ist es ganz gut, dass ich real schon etwas älter bin. Ich weiß natürlich auch, dass eine Reise nach Australien oder ein Leben in der Toskana nicht eine Garantie für Glück sind. Glück ist ortsunabhängig. Noch eine wichtige Erkenntnis, die feiernde 18-Jährige mit Erdbeer Prosecco in den Händen wahrscheinlich nicht haben.“ Marie überlegte, ob es an dem Osterfest oder an der besonderen Weltstimmung lag, dass ihr diese Gedanken durch den Kopf gingen, wahrscheinlich an beidem. Es fühlte sich gut an, dass sie die Leichtigkeit der 18-Jährigen, kombiniert mit den Erkenntnissen ihres echten Alters, tief und lebendig in sich selbst spüren konnte.
Guten Morgen und frohe Ostern“, Christian stand im Türrahmen ihrer Küche und sah sie etwas verschlafen und sehr liebevoll an. „Frohe Ostern! Habe ich Dir schon gesagt, dass ich glücklich bin, dass es dich gibt?“ antwortete Marie und freute sich auf alles, was noch kommen würde.
Fortsetzung folgt