#006.22 – Sarah – Licht am Ende des Tunnels
Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)
Heute kommt Sarah wieder zu Wort.
Sie wohnt im 2. Stock rechts.
Licht am Ende des Tunnels
„Hey Thomas, kannst du gerade sprechen oder störe ich?“, Sarahs Stimme klang etwas atemlos, während sie das Mobiltelefon an ihr Ohr hielt.
„Ich freue mich über deinen Anruf, Sarah. Ich wollte sowieso eine kleine Pause machen und habe mir einen Kaffee geholt“, die angenehme Tonlage seiner Stimme erreichte Sarahs Ohr und ließ ihr Herz ein wenig schneller schlagen.
„Ich habe dein Päckchen bekommen und weiß gar nicht, was ich sagen soll. So etwas Schönes bekommt einen Ehrenplatz in meiner Wohnung.“
„Ich wusste sofort, dass dir das Kaleidoskop gefallen würde. Wir mögen ähnliche Dinge, das hatten wir ja schon öfter festgestellt. Wie verbringst du heute deinen Tag?“
„Ich war vorhin mit einem Kollegen frühstücken. Er ist relativ neu in der Firma.“
„Hat er ein Auge auf dich geworfen? Wenn es so sein sollte, fordere ich ihn demnächst im Morgengrauen zum Duell heraus“, sagte Thomas.
Sarah lachte: „Nein, ich glaube nicht. Er ist ein bisschen frech, aber nein ...“ Sie stellte sich die beiden Männer im Morgengrauen im Nebel jeweils gekleidet in einem langen altmodischen Mantel mit einer verschnörkelten Pistole vor.
„Wann besuchst du mich hier in Hessen?“, wollte Thomas wissen.
„In zwei Wochen habe ich Urlaub und noch keinen richtigen Plan wegen der Pandemie ehrlich gesagt. Kannst du mir vielleicht ein Hotel empfehlen?“
„Was hältst du davon, wenn du mir den Zeitraum mitteilst, wann du kommen möchtest, und ich kümmere mich alles weitere? Ein Hotelzimmer zu buchen, dürfte kein Problem sein. Das kann ich vor Ort tun.“
„Ja, sehr gut. Ich werde dieses Wochenende dann ernsthaft meinen Urlaub planen und sage dir Bescheid“, Sarah schaute nachdenklich aus ihrem Fenster, während sie sprach, „tatsächlich hatte ich vor einigen Tagen meinen ersten Impftermin. Es war dieser Impfstoff, der nur einmal verabreicht werden muss. Damit habe ich ein gutes Gefühl, mich wirklich ein paar Tage von meiner gewohnten Umgebung wegzubewegen.“
„Ich bin mittlerweile auch vollständig geimpft. Dann können wir ja eine richtige Party veranstalten, was denkst du?“, Sarah meinte ein feines Lächeln aus seinem letzten Satz herauszuhören.
„Ja, das können wir. Jetzt freue ich mich darauf, hier ein paar Tage wegzukommen. Der Lockdown war doch sehr lang.“
„Alles klar, dann sage mir Bescheid, wann du kommen möchtest. Ich werde mir dann viel Zeit für dich bzw. uns nehmen. Ich wünsche dir noch ein schönes Wochenende und flirte nicht so viel mit Kollegen“, sagte Thomas.
„Keine Angst. Ich wünsche dir auch ein tolles Wochenende und arbeite nicht so viel“, antwortete Sarah und drückte auf den roten Hörer auf ihrem Display.
Jetzt konnte sie nicht mehr zurück und würde demnächst nach Hessen fahren. Das war nicht nur wegen Thomas aufregend. Die Tatsache, die vertraute Umgebung hinter sich zu lassen, war wie ein Looping in Sarahs Kopf. Die letzten Monate hatten den Eindruck entstehen lassen, dass sie in einem Tunnel unterwegs gewesen war.
Was sie wohl dort erwarten würde?
Sarah beschloss, das schöne und unpraktische Kleid in ein Jeans-Outfit zu tauschen und eine Radtour zu unternehmen.
Als sie das Kleid auf einen Bügel hängte, brummte ihr Telefon. Eine SMS wurde auf dem Display angezeigt.
Hallo Kollegin, bist du gut nach Hause gekommen? Es war ein schönes Frühstück mit dir. Bis Montag dein Matthias
‚Kompliziert, wenn anscheinend zwei Männer Interesse haben, mich näher kennenzulernen‘, dachte Sarah, ‚carpe diem ist ein guter Plan, besonders in diesen Zeiten.‘
Draußen traf Sarah Frau Schulze mit einer Papiertüte voller alter Zeitungen in der Hand.
„Hallo Frau Schulze. Haben Sie Spike gesehen? Ich habe noch ein paar Leckerlis für ihn der Tasche.“
„Nein, er hat sich wahrscheinlich in einem Versteck gemütlich gemacht. Ein alter Kater hat ja sonst nichts zu tun“, brummte Frau Schulze.
Da war sie wieder: Die volle Ladung schlechte Laune. Sarah fragte sich, ob Frau Schulze vor der Corona-Zeit auch immer diese miese Stimmung verbreitet hatte. Sie konnte sich nicht genau erinnern. Es war, als hätte die Pandemie vieles, was vorher war, ausgelöscht. Alles musste sich jetzt wieder neu zusammenfügen.
Marvin Gaye - If This World Were Mine
Fortsetzung folgt
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