Sonntag, 9. Februar 2020

#004.1 Marie - Eine Liebesgeschichte

#004.1 Marie - Eine Liebesgeschichte

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)



Heute schreibe ich für Euch eine kleine Liebesgeschichte, die Marie erlebt hat, passend zur kommenden Woche (Valentinstag).
Sie wohnt im Dachgeschoss, oben links.

Alles im Fluss


Das Telefon brummte. Eine unbekannte Kombination von Zahlen tauchte auf dem Display auf.
Hallo Marie, wie geht es Dir?“
Mir geht es gut, Christian. Hast Du etwas auf dem Herzen? Wie geht es Deiner Frau?“, fragte Marie etwas atemlos.
Sie hatten sich bei einer Feier bei Maries Freunden vor ungefähr zwei Jahren kennengelernt. Damals war er in Begleitung seiner Frau gekommen. Marie und er hatten interessierte Blicke ausgetauscht und sich beim Essen angeregt unterhalten. Marie fand ihn enorm anziehend und bedauerte insgeheim, dass er verheiratet war. Es lag eine unterschwellige Spannung in der Luft. Nach der Feier hatten sie sich sporadisch alle paar Monate bei den Freunden zu verschiedenen Anlässen getroffen. Außerdem begegneten sie sich auch einmal zufällig beim Einkaufen in der Stadt und hatten einen Kaffee zusammen getrunken. Bei diesem Zusammentreffen wirkte Christian zerstreut, müde und irgendwie kleiner als vorher.
Er muss sich meine Telefonnummer besorgt haben, offiziell haben wir niemals Kontaktdaten ausgetauscht“, dachte sie.
Offen gestanden, geht es mir nicht so gut. Meine Frau und ich haben uns getrennt. Aber diese Geschichte möchte ich nicht bei Dir abladen. Ich weiß, dass Du viel zu tun hast. Ich möchte Dich zum Essen einladen“, ratterte es am Ende der Leitung.
Marie setzte sich auf ihr Sofa und holte innerlich tief Luft. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Es kam ihr der Spruch in den Sinn, dass es zwei Dramen im Leben gäbe, erstens, wenn sich ein Wunsch nicht erfüllte und zweitens wenn der Wunsch in Erfüllung ging.
Der Spruch stimmt“, dachte sie, „dieses Telefonat überfordert mich gerade ein bisschen.“
„Christian, ich gehe gerne mit Dir essen. Was hältst Du davon, wenn wir vorher noch ein wenig am Deich spazieren gehen? Wie wäre es übernächsten Samstag?“
Gut“, sagte er, „ich freue mich. Welches Restaurant gefällt Dir denn? Magst Du gute Fischgerichte? Dann würde ich bei „Fritze“ einen Tisch reservieren. Um halb sieben? Was meinst Du?“ Das Tempo seiner Ansprache war atemberaubend.
Wo wollen wir uns treffen? Am Hafenbistro?“, fragte Marie. Ihr wurde ein wenig schwindelig.
Ich hole Dich um 17.00 Uhr ab“, sagte er bestimmt.
Er hat sich nicht nur meine Telefonnummer sondern auch meine Adresse organisiert“, dachte Marie, „demnächst werde ich bei meinen lieben Freunden anfragen, wer genau dort diese Details weitergegeben hat.“
Sie gestand sich allerdings ein, dass sie sich darüber freute, dass einer die Datenschutzmauer durchbrochen hatte, nur in diesem speziellen Fall natürlich. Ihre Freundin, die sie schon sehr lange kannte, hatte wahrscheinlich die sehr feine Verbindung zwischen Christian und ihr gespürt.
Überpünktlich um 17.00 Uhr am übernächsten Samstag hatte es an Maries Haustür geläutet. Marie hatte sich vorher mindestens dreimal umgezogen und sich dann für ein Outfit mit Jeans und Bluse entschieden. Schließlich war ihr Ziel der matschige Deich. Dort waren ein Kleid und unbequeme Schuhe fehl am Platz. Außerdem wollte sich Marie nicht verkleiden. Die meisten ihrer Sachen waren sportlich und praktisch.
Hallo, komm doch rein, ich bin gleich soweit“, begrüßte sie ihn an der Tür. Er lächelte sie an. Heute wirkte er entspannter und seine Augen leuchteten, als er sie betrachtete. „Eben ist mir ein grauer Kater begegnet“, erzählte er, „er gehört wahrscheinlich einem deiner Nachbarn, oder?“ „Spike gehört nur sich selbst und wir kümmern uns alle um ihn“, antwortete Marie mit einem Augenzwinkern. 


Ich fühle mich gerade wie sechszehneinhalb“, dachte Marie, ihr fiel absolut nichts Kluges oder Beeindruckendes ein, was sie hätte sagen können, „bestimmt hält er mich für langweilig, weil ich hier so sprachlos herum stehe.“
Irgendwie hatten sie es dann an den Deich geschafft und genossen den Ausblick, der in Maries Wahrnehmung etwas Erhabenes und Zeitloses hatte.
Es war ein klarer Herbsttag und in der Luft lag noch die Erinnerung an den Sommer und eine Ahnung des herannahenden Winters. Das Wasser glitzerte im leicht rot eingefärbten Sonnenlicht und am Horizont war ein Containerschiff vor der langsam untergehenden Sonne zu erkennen. Ein paar Schafe grasten friedlich auf dem Deich.
Die Hektik des Alltags hatte an diesem Ort keinen Platz, nur die Natur und die Elemente waren hier im Einklang miteinander. Selbst die Schafe verschmolzen vor Maries innerem Auge mit dem Gras auf dem Deich und wirkten wie hingetupfte Fabelwesen. Über dem Wasser und dem Deich schwebten kleine Wolken und Möwen, alles war in warmes Herbstlicht getaucht.
Zu schön um wahr zu sein“, dachte Marie, „wo ist der Haken?“
Christian erzählte ihr ein wenig von den Umständen seiner Trennung. Marie hörte ihm still zu und seine Geschichte gesellte sich zu den Schafen, dem Wasser und dem Sonnenuntergang. Alles gehörte irgendwie zusammen und floss ineinander, auch, dass sie jetzt an seiner Seite hier spazieren ging. Maries Gedanken wanderten weiter.
Was morgen sein wird und was gestern war, ist völlig einerlei“, dachte sie, „jetzt in diesem Moment ist alles eins und nur das zählt.“
Ein Hund sprang ins Wasser, rannte dann wieder an das Ufer und schüttelte sich in alle Richtungen.
Schau mal, Christian, der Hund. Er ist eine Tropfenexplosion“, lachte Marie.
Ich mag Dich sehr, Marie“, Christians Stimme war auf einmal sehr leise und er näherte sich ihr einen kleinen Schritt, „Du bist irgendwie wie das alles hier.“
Ich habe langsam Hunger, wollen wir in Richtung „Fritze“ aufbrechen?“ fragte Marie.
Gerne“, er hüstelte verlegen, was Marie in diesem Moment sehr liebenswert fand, „lass uns etwas essen. Ich möchte noch sehr viel über Dich wissen.“ Er nahm dabei kurz ihre Hand und schaute sie an. Marie erwiderte still diesen liebevollen Blick, Worte waren überflüssig.
Eine Möwe kreischte und flog Richtung Sonnenuntergang, die Wellen tanzten. Der Hund trottete neben seinem Frauchen her und schüttelte sich nochmals ausgiebig. Kinder lachten ausgelassen und tobten neben den behäbigen, wolligen Schafen über den Deich.