#004.16 Große und kleine Wunder
Dies
ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)
Heute
schreibe ich Euch wieder etwas über Marie.
Sie wohnt im Dachgeschoss links und ist heute in der Stadt unterwegs.
Große und kleine Wunder
„Was
sind eigentlich Wunder?“, Marie schaute bei dieser Frage ihre Freundin Luisa
ratlos an.
Marie
war an diesem Samstagmorgen mit dem Fahrrad in die Stadt geradelt, nachdem sie
den Hauskater Spike ausgiebig gekrault hatte. Luisa und Marie hatten sich beim
Bäcker in der Fußgängerzone getroffen, einen Coffee to go geholt und auf einer
Bank im nahe gelegenen Park niedergelassen. Die Frühlingssonne schien, Vögel
zwitscherten und kleine hellgrüne Blätter waren an den Bäumen und Büschen zu
sehen. Frühblüher verwandelten das ausgetretene moosige Rasenstück vor ihnen in
ein Farbenmeer.
Luisa
nahm einen Schluck Kaffee und gab einen Brummlaut von sich. Sie zog die Stirn
in Falten und vermittelte den Eindruck von intensivem Nachdenken.
Marie
sagte, während ihre Füße ein wenig auf dem Boden wippten: „Für mich ist es ein
Wunder, dass ich nächste Woche Urlaub habe. Außerdem war gestern die Bahn
pünktlich, was man mindestens als das achte Weltwunder bezeichnen könnte.“
Luisa
schien zu einem Ergebnis nach ihren angestrengten Überlegungen gekommen zu
sein: „Marie, das ist alles viel zu banal. Es ist ein Wunder, dass Simon und
ich uns vor drei Monaten begegnet sind, einfach so im Supermarkt an der
Käsetheke. Seitdem kneife ich mir jeden Morgen selbst in den Arm, weil es
einfach schön ist, mit ihm Zeit zu verbringen. Es ist toll, wenn etwas
geschieht, was die eigenen kühnsten Träume übertrifft.“
Marie
grinste, weil sie sich für ihre frisch verliebte Freundin freute. Eine
pünktliche Bahn gehörte aber ihrer Meinung ebenfalls in die Kategorie Wunder, weil sich das Leben so leicht anfühlte, wenn man ohne zeitlichen
Stress sein Ziel erreichte.
„Frühling
ist auch ein Wunder. Vor drei Wochen sind noch alle Leute mit Daunenjacken im
kalten Regen herumgelaufen, hatten einen Tunnelblick und kein Lächeln
für andere übrig und auf einmal ist es hell, warm und bunt“, Marie schaute auf
die Krokusse, die allen Abstufungen der Farbe Lila aus dem Boden gewachsen
waren, „sogar der Kaffee aus dem Pappbecher schmeckt besser, wenn die Sonne
scheint.“ Sie nahm einen Schluck, streckte die Beine aus und hielt das Gesicht
in Richtung Sonne.
Eine
ältere Dame mit einem betagten Dackel lief langsam an ihrer Bank vorbei. Die
beiden genossen offensichtlich den Spaziergang, der Dackel schnüffelte am
Wegrand und die Dame wartete geduldig, dabei lächelte sie Marie und Luisa zu:
„Was für ein herrlicher Tag, oder?“ Die beiden nickten und Luisa wünschte der
Spaziergängerin mit dem ergrauten Hund einen schönen Tag.
Luisa
meinte: „Vielleicht sollte man in kleine und große Wunder unterteilen. Kleine
Wunder sind freundliche alte Damen mit Dackel, ein pünktlicher Zug, die
richtige Kaffeesorte im Coffee to go-Becher und die großen Wunder sind besondere Begegnungen an der Käsetheke, diese
Farben, die die Natur auf einmal und jedes Jahr aufs Neue hervorbringt, ein
Musikstück, das klingt, als hätte der Songwriter ein Stück deiner Seele vertont
und ein Nachrichtentag ohne eine riesige Katastrophe.“
„Das
hast du sehr schön gesagt, Luisa. Unsere Freundschaft ist auch wunderbar. Wir
haben viele Dinge zusammen erlebt und sitzen nach vielen Jahren einträchtig auf
dieser Parkbank in der Nähe unserer ehemaligen Schule und trinken zusammen
Kaffee.“ Marie kramte in ihrer Tasche nach dem Brillenetui mit der
Sonnenbrille.
„Es
gibt einfach Tage, an denen alles stimmt. Egal, ob es morgen wieder regnet oder
ein Autokrat auf der Welt irgendwelchen Blödsinn verzapft, jetzt gerade ist
alles perfekt und ein einziges Wunder.“
Luisa
setzte sich ebenfalls die Sonnenbrille auf und hielt wie Marie ihr Gesicht der
Sonne entgegen. Beide hatten die Füße nach vorne gestreckt, ließen sich von den
warmen Sonnenstrahlen wärmen und lauschten dem Vogelgezwitscher. Das
einträchtige entspannte Schweigen unter langjährigen Freundinnen begleitete den
Gesang der Vögel.
Fortsetzung folgt
Liebe
Leserinnen und Leser,
hiermit ist meine kleine kreative Pause beendet und ich melde mich zurück. Tatsächlich habe ich in den letzten Wochen wenig geschrieben, zu sehr hat mich unter anderem die Nachrichtenlage abgelenkt.
Habt Ihr ein schönes Osterfest voller
Wunder verbracht? Es ist höchste Zeit, um wieder durchzustarten, finde ich.
Genießt den Frühling, seid nett zueinander und
bis
bald
die
Autorin
G. Heiser