Donnerstag, 31. Oktober 2024

#003.5 Hannah - Halloween

 

#003.5 Hannah - Halloween

Dies ist das Zuhause der Menschen, Haustiere und
 meiner Geschichten. :-)


Erinnert Ihr Euch noch an Hannah, das feinfühlige Mädchen
und die beste Freundin von Kater Spike?
Es ist Herbst und sie hatte einen seltsamen Traum.

Halloween


Hannah saß nachdenklich auf einer kleinen Mauer am Rande des Schulhofes und dachte an ihren Traum letzte Nacht. Bunte Blätter lagen überall auf dem Boden und leuchteten um die Wette. Es war Ende Oktober und morgen war schulfrei. Einige Leute nannten den 31. Oktober Reformationstag, andere Halloween. Sie ließ ihren Gedanken freien Lauf und den Traum wie einen Film vor ihrem inneren Auge ablaufen.

Die Wecker in der Elektronikabteilung des kleinen Kaufhauses zeigten 18.15 Uhr an. Im Eingangsbereich war die Halloween-Saisonware gleich neben einem Stapel blauer Einkaufskörbe aufgebaut. Einige Kunden waren noch im Laden unterwegs, die Verkäuferinnen und Verkäufer freuten sich auf den Feierabend. Ab 18.30 Uhr würde kein Kunde mehr in den Laden hineingelassen werden und spätestens um 19.00 Uhr würde hier Ruhe einkehren.

Mit eiligen Schritten sah sich Hannah den Laden betreten. Sie war ein wenig außer Atem und griff nach einem blauen Einkaufskorb.

Ein gackerndes Lachen mit einem blechernen und schnarrenden Unterton schallte aus der Richtung einer fast lebensgroßen Hexenfigur und danach folgte der Spruch: „Du wirst in der Hölle schmoren“.

Hannah zuckte zusammen und bewegte sich schnell ins Innere des Kaufhauses. Hätte sie noch länger bei der Saisonware verweilt, wären ihr die Kürbisse aus Plastik mit den gruseligen Gesichtern, die überdimensional großen schwarzen Kunststoff-Spinnen und Totenköpfe mit bunten leuchtenden Augen aufgefallen. Aber diesen detaillierten Anblick hatte sie sich erspart und kümmerte sich eilig um den Kauf einer Geburtstagskarte für ihre Oma.

Nachdem die Filialleiterin um 19.00 Uhr die gläserne Eingangstür abgeschlossen hatte, war es auf einmal dunkel und still in dem Kaufhaus. Eine Notbeleuchtung spendete trübes Licht. Eine geisterhafte Hannah wurde Zeugin folgender Unterhaltung.

Die Hexenfigur seufzte: „Ich brauche dringend Urlaub, es ist so anstrengend, den ganzen Tag die Leute anzuquatschen und so albern zu lachen.“

Kurt Kürbis, das grell-orange Plastik-Gemüse, mit den asymmetrischen Gesichtszügen antwortete prompt aus dem Regalaufsteller: „Hör doch auf herum zu jammern. Das nervt total, seit vier Wochen immer die gleiche Leier von dir, Henny.“

„Mich nervt, dass du, seitdem wir hier aufgebaut wurden, ständig schlechte Laune verbreitest. Jeden Tag habe ich gehofft, dass dich endlich ein Kunde kauft. Allerdings bist du so hässlich, dass du ab dem ersten November in der Ramsch-Ecke mit 50 % Rabatt-Aufkleber landen wirst.“

Henny Hexe konnte kaum an sich halten, so schnell purzelten die Worte aus ihrem Plastikmund unter der Hakennase mit Warze. Gleichzeitig stieg ein Gefühl von schlechtem Gewissen in ihr auf. Eigentlich wollte sie ihre Halloween-Kollegen nicht anmotzen. Sie war eine friedliebende Hexe, ganz anders als es der Spruch, den sie allen Kunden, die sich ihr näherten, an den Kopf warf, vermuten ließ. Eigentlich wäre sie lieber eine Baby-Puppe geworden, um die sich ein Kind ausdauernd kümmern würde. Aber sie hatte das Pech, in der Nachbar-Maschine in Asien neben der Baby-Puppen Produktion entstanden zu sein.

Kurt Kürbis wurde noch ein bisschen mehr orange, seine Worte überschlugen sich: „Du stehst doch noch genauso wie ich seit Wochen hier herum. Alle Kunden ergreifen die Flucht vor dir und wir müssen uns den ganzen Tag deinen ewig gleichen Satz anhören. Dafür wirst du in der Hölle schmoren.“

„Was ist genau dein Problem, Kurt?“, seufzte Henny, „ich bin viel zu müde, um mit dir zu streiten. Tut mir leid, dass ich dich eben angeschnauzt habe. Natürlich bist du ein ganz normaler Halloween-Kürbis. Wir sehen alle ziemlich daneben aus und nichts an uns ist echt. Die Leute lieben das anscheinend, warum auch immer.“

„Hm“, kam von Kurt Kürbis aus dem Regal, „das habe ich mich in der Tat auch schon gefragt, warum Menschen ihre Wohnungen mit grimmigen Gemüse dekorieren. Und, nimm es bitte nicht persönlich, so eine riesige Hexe mit Hakennase zu kaufen, die einen direkt in die Hölle schicken will, ergibt für mich überhaupt keinen Sinn.“

„Das Kaufhaus verdient mit uns Geld“, quäkte seltsam monoton ein bleicher Totenkopf mit roten Augen von der anderen Ecke des Regalaufstellers, „nach einem anderen Sinn zu fragen, ist überflüssig.“

Henny hätte gern einen Arm gehoben und sich an ihrer Hakennase gekratzt, das war aber nicht möglich. Bewegen konnte sich keiner aus dem Halloween-Sortiment.

„Vielleicht sollten wir es so sehen. Wir sind in schlechter Qualität hergestellt worden, dampfen garantiert etwas Giftiges aus und werden deshalb schnell in Kellern oder auf Dachböden verschwinden. Oder die Kunden schmeißen uns nach ihrer Halloween-Party direkt in den Müll. Wir Schattenfiguren fristen ein Schattendasein. Das ist unsere Bestimmung.“

Die roten Augen des Totenkopfes fingen an zu leuchten:
„Wir sind Auswüchse einer eskalierten Konsumgesellschaft.“
Nach diesem Satz erloschen die Augen wieder. 

„Gestern hat mich ein Kind aus dem Regal genommen und mit großen Augen angeschaut. Die Mutter sagte zu dem Kind: ‚Stell das wieder weg, wir brauchen es nicht.‘ Wenn uns niemand mehr kauft, wird in den Fabriken vielleicht etwas anderes hergestellt“, Kurt Kürbis war auf einmal ganz aufgeregt.

„Du hast Recht, Kurt. Wenn wir Ladenhüter werden, hat der Halloween-Spuk im wahrsten Sinne des Wortes ein Ende“, Hennys Stimme klang auf einmal versöhnlich, „wir werden sehen, was kommen wird.“

„Morgen schickst du alle Kunden wieder in die Hölle“, gab Kurt Kürbis zu bedenken.

„Wir sollten uns nicht weiter aufregen. Unser Plastikgeruch ist so penetrant, dass die Menschen bestimmt von selbst darauf kommen, uns einfach stehenzulassen“, Hennys Stimme wurde immer leiser.

Die roten Augen des Totenkopfs fingen wieder an zu leuchten:
„Gute Nacht und morgen auf ein Neues.“

Dann kehrte wirklich Ruhe in dem Kaufhaus ein und die geisterhafte Hannah löste sich auf.

 

Hannahs beste Freundin Anna setzte sich zu ihr auf die Mauer: „Hey Hannah, noch zwei Stunden und dann können wir nach Hause.“

Hannah, noch ganz gefangen in ihren Gedanken und ihrem Traum, kehrte langsam wieder in die Realität zurück. Einige jüngere Kinder rannten einem Ball hinterher und schrien sich gegenseitig Kommandos zu.

„Ach Anna, ja, stimmt. Morgen ist Halloween, was ich noch nie verstanden habe. Meine Mutter kocht Kürbissuppe, die mag ich gern. Aber ansonsten werde ich mich mit einem Buch in meinem Zimmer verkrümeln.“

„Ich werde ausschlafen und vielleicht Vivi besuchen. Mal sehen“, Anna wippte ein wenig mit den Beinen.

Hannah überlegte, ob sie Anna von ihrem Traum erzählen sollte, entschied sich aber dagegen. Außerdem war die Pause fast zu Ende. Sie würde diese nächtliche Szene dem Kater Spike, ihrem pelzigen Lieblingsnachbarn, demnächst verraten, wenn sie beide wieder einträchtig auf der obersten Kellertreppenstufe sitzen würden. Das waren immer besondere Momente und Hannah hatte dabei stets das Gefühl, dass Spike jedes ihrer Worte verstehen würde.

Fortsetzung folgt


Liebe Leserinnen und Leser,

einen schönen Feiertag wünsche ich Euch. Egal, ob Ihr Spaß an Halloween habt oder nicht, lasst es Euch gutgehen und genießt diesen wunderschönen Herbst.

Viele Grüße von der Autorin