#007.13 – Jessica - Rendezvous
Dies ist das Zuhause der
Menschen, Haustiere und
meiner Geschichten. :-)
Heute hat Jessica ein
Rendezvous – oder vielleicht doch nur ein Date?
Sie wohnt im 2.
Stock links
Rendezvous
Heute war es soweit. In Jessicas Kalender an der Küchenwand, einem Werbegeschenk einer Apotheke mit Heilpflanzen-Abbildungen, stand: „16.00 Uhr Treffen mit Flo“.
Morgens beim Frühstück überlegte Jessica, dass das Wort „Treffen“ banal klang. Es war das erste Mal nach ihrer Trennung, dass sie eine romantische Verabredung mit einem Mann hatte. Sofern es wirklich romantisch verliefe, könnte dort „Rendezvous“ stehen … Aber der Ausgang war offen, denn die Uhr zeigte 7.05 Uhr an.
Etwas nervös packte Jessica ihren Joghurt und das Telefon in die Handtasche und verließ die Wohnung. Heute war Freitag und um 14.00 Uhr Feierabend.
Mara, Jessicas Arbeitskollegin, hatte eine kleine Schokolade in Form eines Kleeblatts auf ihren Schreibtisch gelegt.
„Vielen Dank, Mara.“
„Gerne, damit du heute eine große Portion Glück hast.“
Die Arbeit lenkte ab und ging gut von der Hand. Jessica drückte pünktlich um 14.00 Uhr auf den Button „Computer herunterfahren“. Mara winkte ihr zum Abschied zu: „Schönes Wochenende und viel Spaß nachher.“
„Danke, ich wünsche dir auch ein schönes Wochenende mit Tom. Bis Montag“, und schon hatte Jessica das Büro verlassen.
Später in ihrer Wohnung betrachtete Jessica ihr Gesicht im Bad-Spiegel. War da eine winzige Falte am Auge? Und was war mit ihren Haaren los? Jessica streckte sich selbst die Zunge heraus und fing an zu lachen. Die ganze Szene war unwirklich.
"Ich gehe gleich mit einem Mann spazieren. Wir werden uns unterhalten und wahrscheinlich einen Kaffee zusammen trinken. Also, den Ball flach halten, die neue Bluse anziehen, Nase pudern und die Haare zu einem Zopf zusammenbinden, fertig“, erzählte sie laut ihrem eigenen Spiegelbild. Trotzdem ging ihr Puls schneller als sonst. 'Gut, dass ich allein in der Wohnung bin. Mitbewohner würden mich spätestens jetzt einliefern lassen', dachte sie.
Als sie die Wohnungstür hinter sich zu zog, nahm ihr Puls wieder an Fahrt auf.
Florian hatte ihr vormittags eine SMS mit dem Text:
Hallo Jessica, ich freue mich nachher auf dich. Liebe Grüße Flo
geschickt. In dem ganzen Gefühlswirrwarr hatte sie vergessen, darauf zu antworten. Sie holte das Telefon aus der Tasche und schrieb:
Lieber Flo, bis gleich. Ich freue mich auch und ...
sie überlegte kurz, ob die Formulierung klug war und tippte weiter
...bin aufgeregt. Viele Grüße von Jessica
Die Worte waren authentisch und genau das war ihr Ziel. 'Alles andere hat keinen Sinn', dachte sie und drückte auf den Pfeil, der ihre Nachricht über verschiedene Funkmasten auf Florians Telefon schickte, Augen zu und durch.
Jessica traf als erste bei dem verabredeten Treffpunkt vor dem Park-Café ein und spielte mit dem Riemen ihrer Handtasche. Sie schaute auf die Uhr: 15.49 Uhr. Warum war sie immer so überpünktlich? Jetzt tauchte Florian am Horizont auf. Er war wirklich groß, stellte sie insgeheim fest. Sie fühlte ihren schnellen Pulsschlag.
„Hallo Jessica, wartest du schon lange?“ Sein Lächeln war umwerfend.
„Äh, nein“, mehr fiel ihr in dem Moment nicht ein.
„Ich bin übrigens auch aufgeregt. Vorhin dachte ich, endlich mal eine Frau, die nicht so cool tut.“
„Waren die anderen Frauen, mit denen du dich getroffen hast, immer cool?“
„Das klingt, als hätte ich jeden Tag ein Date mit einer anderen Frau. Das ist nicht so. Ab und zu habe ich mich mit jemanden getroffen. Bis jetzt war die Richtige nicht dabei. Ich mag es, wenn eine Frau echt rüberkommt “, er lächelte Jessica an. Sie entspannte sich ein wenig und lächelte zurück.
„Gehen wir ein Stück?“
Schweigend liefen sie die ersten Meter durch den Park, bis Florian wieder das Wort ergriff. Jessica war ihm dankbar dafür, er hatte mehr Erfahrungen mit dieser Situation.
„Wir könnten jetzt das Abfragespiel spielen.“
„Welches Abfragespiel?“, Jessica überlegte fieberhaft, was er damit meinte.
„Na, Studienabschluss, Auslandsaufenthalte, Job, Kinderwunsch, Hobbys, Auto und weitere Statussymbole, bei Frauen oft die angesagte Handtasche und so weiter“, er schaute auf ihre Handtasche, ein älteres Modell aus Leder, mit Gebrauchsspuren und ohne Markenlabel. Jessica hatte die Handtasche vor ein paar Jahren in einem Vintageladen gekauft.
Jessica dachte kurz nach: „Im Keller meines Wohnhauses steht abends mein Fahrrad mit Dreigang-Schaltung, kein Auto. Das Auto, mit dem ich den neuen Flurschrank neulich nach Hause transportiert habe, gehört einem guten Freund und nicht mir. Gibt es eine Alternative zu dem Abfragespiel?“
„Klar, ich frage dich zum Beispiel: Wovon träumst du, wenn du gerade nicht an mich denkst?“
Jessica lachte, das Eis war gebrochen. Florian stimmte in ihr Lachen ein.
Tatsächlich traute sie sich, ihm ein paar ihrer Träume anzuvertrauen: In die Toskana reisen, eine berufliche Fortbildung zu beginnen, die ihr neue Möglichkeiten eröffnen könnte, sich für einen Malkurs anzumelden, obwohl sie sich für untalentiert hielt, einfach aus Spaß an der Freude.
Er erzählte ihr, dass er manchmal überlegte, sich selbstständig zu machen, statt bis zur Rente als Angestellter zu arbeiten. Außerdem wollte er seit frühester Jugend einen italienischen Oldtimer Roller restaurieren und damit im Sommer durch die Gegend fahren. Momentan hatte er keinen Platz dafür. „Ich wollte nie ein Motorrad sondern immer einen alten Roller“, er grinste, „findest du das unmännlich?“
Jessica lachte: „Nein, überhaupt nicht. Ich werde dein Geheimnis vor anderen Männern für mich behalten. Nimmst du mich mit, wenn du dieses Projekt beendet hast?“
Später saßen sie zusammen im Café und lachten zusammen über alles Mögliche.
„Wollen wir uns wieder treffen?“, fragte Florian, als der Kaffee fast ausgetrunken war.
„Ja, gerne. Ich habe diesen Nachmittag mit dir genossen.“
Florian nahm ihre Hand und sah Jessica in die Augen. Jetzt fing ihr Herz wieder schneller an zu schlagen: „Ich fand es auch schön mit dir. Du bist erfrischend echt.“
„Wie meinst du das?“
„Du hast keine drei Schichten Make up im Gesicht und nicht diese aufgeklebten Wimpern, die wie Spinnenbeine aussehen. Das ist der Stoff, aus dem meine Albträume sind. Außerdem hast du Humor und Deine Gedanken gefallen mir. Und ich kann mir vorstellen, dass es wunderschön ist, dich zu küssen.“
Jessica wurde ein bisschen rot und ärgerte sich gleichzeitig darüber. Aber war es nicht genau das, was er an ihr schätzte?
Zum Glück kam die Kellnerin und räumte die Tassen ab. Florian bezahlte.
„Danke für den Cappuccino.“
„Gern geschehen. Wann sehen wir uns wieder? Wollen wir nächste Woche mal abends etwas unternehmen? Nächsten Freitag gibt es hier im Park Open-Air-Kino.“
„Gute Idee. Wir können ja schreiben oder telefonieren“, Jessica erhob sich, Florian ebenfalls.
Draußen nahm Florian sie an der Hand und sie gingen zu den Fahrradständern. Er umarmte sie und flüsterte ihr ins Ohr: „Komm gut nach Hause.“ Dann hauchte er ihr einen Kuss ans Ohr.
„Ich schreibe dir, wenn ich gut zu Hause angekommen bin. Das klappt bestimmt. Es ist nicht weit. Tschüss Florian“, sie löste sich langsam aus der Umarmung. Ihre Gedanken und Gefühle waren in Aufruhr. Sie öffnete das Fahrradschloss und befreite den Drahtesel vom Fahrradständer.
„Tschüss Jessica. Wir hören und lesen voneinander.“
Sie winkten sich zu und Jessica freute sich über den erfrischenden Fahrtwind. Sie fuhr die vertrauten Straßen entlang und kam innerlich zur Ruhe.
In ihrer Wohnung schrieb sie an Florian:
Lieber Florian, zu Hause hat mich unser alter Kater, der in meiner Wohnanlage zu allen Nachbarn gehört, empfangen. Er lag total entspannt auf den warmen Treppenstufen zum Fahrradkeller und wollte ausgiebig gekrault werden. Du siehst, ich bin gut angekommen. :-) Es war ein schöner Nachmittag und ich freue mich darauf, dich bald wieder zu sehen. Liebe Grüße und noch ein schönes Wochenende von Jessica
Norman Brown: That's the way love goes
Fortsetzung folgt